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Der erste Zyklus Die dritte Macht, also ein größerer, zusammenhängender Handlungsabschnitt der klassischen Heftromanserie, erschien in den frühen 60er Jahren des letzten Jahrhunderts.

Die dritte Macht
© Pabel-Moewig Verlag KG

Autoren: Clark Darlton, Kurt Mahr, K. H. Scheer, W. W. Shols, Kurt Brand
Zeichner: Johnny Bruck

Entsprechend muss man hinsichtlich Sprache und Komplexität der Handlung Abstriche machen. Ebenso dürfte es für heutige Leser sehr befremdlich sein, von Magnetstreifenaufzeichnungen, Computerlochkarten und ähnlichem zu lesen. Damals war dies halt echte Zukunftsmusik, heute sind diese Dinge bereits längst wieder verschwunden. Ebenso muss man im Hinterkopf behalten, dass gerade wir in Deutschland noch immer unter kleineren Minderwertigkeitskomplexen litten, zwei Weltkriege waren verloren, in der Welt waren wir noch nicht so anerkannt wie heute. Dies spielt natürlich in die Formulierungen hinein, wodurch die Überbetonung, wie überlegen die Menschen als „Rasse“ allen Aliens sind, ihren ungerechtfertigt rechtsgerichteten Beigeschmack verlieren und nicht mehr so hart wirken.

Wettlauf zum Mond

Der Beginn ist noch nahe an der Realität angesiedelt. Perry Rhodan, der Held der Romane, wird zum Mond gesendet, da die USA, seine Heimat, das Wettrennen zum Mond gewinnen soll. Eben wie damals in unserer Realität auch. Hier findet er ein 500 Meter durchmessendes Kugelraumschiff der menschenähnlichen Arkoniden, welches später vernichtet wird. Zwei dieser Arkoniden, Crest und die Kommandantin Thora, erscheinen aktiv und einigermaßen bei Verstand, der Rest der Crew scheint in Computerspielen versunken (Online-Rollenspiele lassen grüßen, da hat man wie in vielem die Realität vorhergesehen). Crest ist schwer krank und Perry nimmt ihn mit zur Erde, um ihn hier zu heilen.

Da er weiß, dass er, sobald er in den USA landet, einen Weltkrieg auslöst – keine andere Großmacht würde den Amis den Kontakt zu Aliens gönnen, würde sich bedroht fühlen – landet er in der Wüste Gobi und ruft einen souveränen Staat aus.

Viele Abenteuer später gelingt die erste Einigung der Erde, mit vielen recht simpel geschriebenen Agentenabenteuern. Aufgepeppt wird alles durch Einbindung von Mutanten, Menschen mit Geisteskräften wie Teleportation und Telekinese.

Eine erste Invasion von insektoiden Ausserirdischen lässt die Menschen zusammenrücken und Perrys Staat „Die dritte Macht“ zum anerkannten Verteidiger der Menschheit werden.

Raus aus dem Sonnensystem

Mit Heft 10 geht es dann in das System der Sonne WEGA, kosmisch quasi „um die Ecke“, nur 28 Lichtjahre von der Erde entfernt. Auch hier gibt es menschlich aussehende Aliens, die Ferronen, blauhäutig, aber ansonsten von uns kaum zu unterscheiden. Diese werden von bösen Echsen, den Topsidern, angegriffen. Perry kann auch hier mit seinen Freunden Reginald Bull, der schon mit ihm auf dem Mond war, und den Mutanten siegen und den Topsidern ein 800 Meter durchmessendes Kugelraumschiff abluchsen.

Klingt haarsträubend und ist es manchmal auch, Logik und tiefergehende, nicht durchkonstruierte Handlung darf man nicht erwarten. Spannend ist es jedoch immer. Man muss bedenken, dass die Serie auf 10, maximal 20 Hefte ausgelegt war. Den durchschlagenden Erfolg konnte man sich nicht vorstellen.

Hallo Unsterblichkeit

Nach den Topsidern wird im System der WEGA ein kosmisches Rätsel gelöst, Perry findet das Überwesen ES (Ein ganzes Volk hatte seine Körper aufgegeben, um als Geisterwesen weiterzuleben) und bekommt mit Heft 19 die Unsterblichkeit verliehen. Mit Haken natürlich, sonst wären ja keine spannenden Hefte mehr möglich. Er muss alle 62 Jahre zurück zu ES, um wieder aufgeladen zu werden und er kann noch immer durch äußerliche Gewaltanwendung oder Gifte etc. sterben, nur sein Alterungsprozess wurde aufgehalten.

Anschließend geht es ab ins Sternensystem ARKON, wo man feststellen muss, dass die Arkoniden allesamt Schlafmützen sind, degeneriert. Nebenbei lernen wir die Springer und ihr Brudervolk, die Überschweren, kennen, beides Nachkommen von arkonidischen Siedlern. Beide sind selbstredend Gegner der Menschen. Die Springer haben das Monopol auf den kosmischen Handel und sind auch sonst nicht zimperlich, wenn es um Drogen und Waffen geht. Natürlich kann Perry sie in ihre Schranken weisen, nicht zuletzt durch den Mausbiber Gucky, eine der umstrittensten Figuren der Serie. Ein Wesen, 1 Meter groß, halb Maus halb Biber, mit Biberschwanz und Mausegesicht. Und geistigen Kräften der Oberklasse: Telekinese, Telepathie und Teleportation.

Pokerface

Die Arkoniden haben ihre Geschicke mehr oder minder in die Hand eines riesigen Robotgehirns gelegt. Dieses will selbstverständlich auch den Menschen ans Leder. Am Ende bleibt Perry nur ein Bluff, um vorzutäuschen, die Erde sei von den Springern erfolgreich angegriffen und vernichtet worden. Angesichts einer Übermacht und dem Umstand, dass jedes Volk den Menschen böses will (ausgenommen die Ferronen), seine einzige Option.

Die Handlung, zwischen abenteuerlich und purer Action wechselnd, spielt von 1974 bis 1984 – damals war das noch die Zukunft. Da man die Serie nie so geplant hatte (man hatte mit allenfalls 20 Heften gerechnet) sind die Hefte auch recht episodenhaft. Dadurch hat man als Leser den Vorteil, dass aufgebaute Geheimnisse und Handlungsbögen nie allzu lange aufrecht gehalten werden, es geht immer zügig voran. Nachteil ist dadurch leider, dass nicht alles „wie aus einem Guss“ wirkt.

Ebenso muss man mit vielen inneren Widersprüchen, oft auch innerhalb des gleichen Heftes, leben. Ein Lektorat gab es zwar, dies schien sich aber eher nur auf Rechtschreibkorrekturen zu beschränken. Logisch, man hatte ja nicht langfristig geplant und deswegen auch keine großen Investitionen in die Serie vorgesehen. Man schrieb quasi einfach drauf los, und diese Leichtigkeit und aus heutiger Sicht liebevolle Naivität wurde nie wieder so erreicht. Ein endgültiges Fazit kann man nicht ziehen, ohne unfair zu sein. Vieles ist anachronistisch, inhaltlich, stilistisch und sprachlich. Wer eine etwas bereinigte Version lesen möchte, sollte zu den Silberbänden greifen. Wer jedoch mit einem etwas ambivalenten Lesevergnügen leben kann sollte sich die Hefte „pur“ besorgen, antiquarisch oder als kosten- und platzsparendes e-Book-Bundle.

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Mario Staas

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