Die Soldatin Captain Marlowe wird ausgesandt, einen durchgedrehten Androiden aus einer von Narcos und Islamisten kontrollierten Sperrzone zurückzuholen.
Das Szenario
Marlowe hat als Soldatin eine schwierige Zeit hinter sich. Sie hat ihren Gefährten Kane verloren und stand wegen einer verpatzten Mission vorm Kriegsgericht. Zwar wurde sie nicht verurteilt und konnte sogar ihren Rang behalten, doch musste sie in psychologische Behandlung. Nichtsdestotrotz wird ihr eine neue Mission anvertraut. Sie soll einen medizinischen Analyse-Androiden, der einer NGO entwendet wurde, aus einer Sperrzone zurückholen. Dort wird er scheinbar von Islamisten als Nephilim verehrt, der von Allah gesandt wurde.
Bei der Sperrzone handelt es sich um die griechische Insel Peloponnes, die einst auserkoren wurde, sämtliche Flüchtlinge aus Afrika und dem arabischen Raum aufzunehmen, um Europa abzuschotten. Inzwischen hat sich dort ein extremistisches Neokalifat gebildet. Andere Teile der Insel werden von bewaffneten Drogenkartellen kontrolliert. Diese Narcos haben die heimische Flora gentechnisch verändert, sodass ein Spaziergang im Wald aufgrund der giftigen Sporen und Alkaloide in der Luft zur tödlichen Gefahr wird. Obendrein testen Computerspielentwickler ihre neusten Kreationen an der Zivilbevölkerung, und ein Orden von Cybermönchen bietet die Dienste seiner Trollarmee für zahlende Kunden an, die Desinformationen im Internet streuen wollen.
Marlowe wird schon bei ihrer Ankunft fast abgeschossen und landet zunächst auf einer Frontex-Basis. Von dort aus wird sie auf die Insel gebracht, wo sie zunächst einen kurdisch kontrollierten Ort aufsucht. Da sie einst in Kurdistan für deren Unabhängigkeit gekämpft hat, bekommt sie dort die nötige Hilfe von einem Informanten namens Djamel sowie dem griechischen Café-Betreiber Pappás. Letzteren haut sie allerdings schon mal eine rein, weil sie bei ihm ein Hologramm von Kane sieht. Außerdem trifft sie im Café Nemrod Mitarbeiter der NGO an, welcher der vermisste Android gehört. Deren Aussagen zufolge wurde er von Narcos entwendet, womit Marlowes nächste Station feststeht.
Dank dem Überlebens-Kit, welches ihr das Militär implantiert hat, kann sie sich gefahrlos durch den Wald bewegen und dem Lager der Narcos nähern. Allerdings trifft sie kurz vor dem Ziel auf ein mutiertes Riesenwildschwein, gegen das nur ihre Waffe hilft. Wie sich jedoch herausstellt, macht der Lärm keinen Unterschied, denn als die Soldatin das Lager der Narcos betritt, sind bereits alle tot. Sie vermutet den vermissten Androiden hinter dem Massaker und da das Kloster der Cybermönche als nächstes auf dessen Route liegt, stattet sie diesem einen Besuch ab.
Der Abt ist ziemlich abweisend, lässt sie aber schließlich ein. Als Marlowe in seiner Abwesenheit die Cyber-Gruft betritt, in welcher die Mönche mit dem Internet verbunden sind, wird sie erwischt und vom Abt hinausgeworfen. Bei einer späteren Observation des Klosters aus der Ferne hebt der Abt einige Gräber aus. Offenkundig das Werk des vermissten Androiden.
Rezension von Marlowe (Kapitel 1)
Der dritte Zyklus der Androiden-Reihe endet erstmals mit einem Zweiteiler. Dieser wartet mit einer leider nicht unrealistischen Dystopie auf. Es werden die Auswirkungen der europäischen Abschottungspolitik aufgezeigt, wobei die Anspielungen auf die menschenverachtenden Zustände im Flüchtlingslager auf der griechischen Insel Lesbos offenkundig sind. Allerdings ist es eher unwahrscheinlich, dass Griechenland eine seiner großen Hauptinseln für Flüchtlinge hergeben würde. Aber gut, die Handlung spielt in der Zukunft und wer weiß schon, was noch kommt.
Was aus einer Gesellschaft wird, die man komplett sich selbst überlässt, wird jedenfalls durchaus realistisch dargestellt. Statt auf Integration wird auf Abschottung gesetzt, und bei der Internierung der unerwünschten Migranten wird nicht darauf geachtet, ob die Volksgruppen untereinander verfeindet sind. Das sorgt schon heute in manchen Flüchtlingsunterkünften für Konflikte und gerät im Comic völlig außer Kontrolle. So entsteht einerseits ein islamistisches Neokalifat, auf der anderen Seite spaltet sich ein Teil der Orthodoxen Kirche ab und sucht Gott im Internet. Es grenzt an ein Wunder, dass es zu keinem offenen Krieg der Religionen oder Ethnien kommt, doch vorerst hat jede Gruppe ihre Nische auf der Insel gefunden.
Für eine räumliche Trennung sorgt zusätzlich die gentechnisch veränderte Natur, die das Reisen auf Peloponnes erschwert. Verantwortlich sind die Narcos, die zum einen Superkokain herstellen und sich zum anderen vor Drogenfahndern schützen wollten. Nur hat sich der Eingriff in die Natur irgendwie verselbstständigt. Da es auf der Insel aber ohnehin keinerlei Polizei gibt und lediglich Frontex mit Hilfe der NATO dafür sorgt, dass niemand von der Insel runter kommt, blüht dort das organisierte Verbrechen.
Es erscheint mehr als gewagt, dass sich überhaupt internationale Hilfsorganisationen nach Peloponnes trauen. Das Militär nutzt für Überflüge längst nur noch Androiden, weil diese schneller auf Raketenbeschuss reagieren können und obendrein entbehrlich sind. Kleinere Überwachungsdrohnen werden derweil häufig von Narcos-Hackern übernommen, was Marlowe hautnah erlebt, als sie gerade von einem selbstfahrenden Wagen vom Flugplatz zum Hafen gebracht wird. Die Drohnen formen zum Abschied ein Smilie, bevor sie vom Militär abgeschossen werden und ihr Taxi demolieren.
Ein wenig verwunderlich ist, dass es erst heißt, die Soldatin solle mit einem Boot auf die Insel übersetzen, aber dann wird sie von einem Helikopter rüber geflogen. Nach ihrer Ankunft stößt sie als erstes auf einen schwarzen Monolithen, der an jene aus 2001: Odyssey im Weltraum erinnert. Offenkundig gehört er zum virtuellen Spiel Combatzone, das die Spielentwickler auf der Insel testen. Das Game scheint in der Testversion gefährlich zu sein, denn warum sonst sollte die verantwortliche Firma es an entbehrlichen Zivilisten innerhalb eines rechtsfreien Raums testen? Was genau es mit dem Monolith auf sich hat und wieso er zeitgleich mit Marlowe auftaucht, wird nicht offenbart.
Die nächstgelegene Stadt steht zum Glück für Marlowe unter kurdischer Kontrolle. Im Comic gibt es einen kurdischen Staat, der einst von der NATO unterstützt, dann jedoch fallengelassen wurde. Obwohl einige NATO-Staaten tatsächlich die Kurden in Syrien gegen des IS unterstützt haben, ist dieses Szenario doch eher unwahrscheinlich. Immerhin geht der NATO-Staat Türkei aggressiv gegen die Kurden in Syrien, im Irak und im eigenen Land vor. Im Comic ist jedoch die Rede davon, dass die Türkei radioaktiv verstrahlt sei. Auf die Hintergründe wird nicht eingegangen. Zumindest die erwähnten Grauen Wölfe gibt es in der Realität tatsächlich. Dabei handelt es sich um türkische Neonazis, die auch in Deutschland aktiv sind und hierzulande zwischenzeitlich sogar die größte rechtsextreme Organisation darstellten.
Marlowe kämpfte jedenfalls als Teil einer internationalen Brigade auf der Seite der Kurden, was ihr nun zum Vorteil gereicht. In der Realität hat die NATO zwar keine offiziellen Soldaten ausgesandt, um den Kurden im Kampf gegen den IS zu helfen, was an der bereits erwähnten NATO-Mitgliedschaft der Türkei scheitern würde, allerdings haben sich durchaus internationale Brigaden an ihrem Freiheitskampf beteiligt. Von daher stellt der Comic vieles zwar überspitzt dar, entfernt sich aber nie zu weit von der Realität, was der Handlung eine gewisse Glaubwürdigkeit verleiht.
Etwas abgefahren sind die Cyber-Mönche, die in einer Art Schlafkapsel vor sich hin verrotten, während ihr Geist im Internet nach Gott sucht und Trollaufträge für zahlende Kunden annimmt. Die Kritik an Trollfarmen ist hier ebenfalls offensichtlich und wird wie alles auf die Spitze getrieben. Übertrieben hat man es eigentlich nur bei dem mutierten Riesenwildschwein, das so groß ist wie ein Elefant. Ansonsten ist der Auftakt recht interessant und man darf gespannt sein, wie es weiter geht.
Grobe Figuren in detaillierter Umgebung
Der Zeichenstil ist bei den Figuren ziemlich grob und unausgereift. Die Linien sind kantig, oft stehen sie über oder sind nicht ganz zu Ende geführt. Da ist man aus der Androiden-Reihe schon Besseres gewohnt. Im krassen Gegensatz zu den schnell dahingeworfenen Charakteren sieht die Architektur erstaunlich sauber aus und weist einen deutlich höheren Detailgrad auf. Das sieht zwar gut aus, passt aber nicht so recht zum Rest. Es entsteht der Eindruck, dass hier ein Comicfilter über Fotomontagen gelegt worden ist. Richtig offensichtlich wird das bei den Fernsehbildern im Hintergrund. Die Menschen auf Bildschirmen sind definitiv nicht gezeichnet, sondern einmontierte Fotos mit Streifenfilter.
Immerhin kann die Kolorierung größtenteils überzeugen. Die Farben sind natürlich, die Verläufe überwiegend weich und Leuchteffekte sind vorhanden. Zeichnungen und Farben stammen aus derselben Hand und zumindest eine gewisse Kreativität muss man selbiger zugestehen. Ein ausgeschlachteter Bus als Sitzecke für ein Café, das hat schon was. Und auch sonst ist die Dystopie recht gut in Szene gesetzt. Schmutz und Rost inklusive.
Fazit: Lesbos lässt grüßen
Das Szenario ist sehr dystopisch und entwickelt die aktuelle Weltlage logisch weiter. Was es mit dem vermissten Androiden auf sich hat, wird allerdings erst im zweiten Kapitel aufgelöst. Grafisch ist der Comic eher durchwachsen. Der Zeichenstil ist okay, aber nicht der beste, bei den Hintergründen wurde offenkundig getrickst.
Info
Autor: Jean-Pierre Pécau
Zeichnungen & Farben: Dim D.
Verlag: Splitter
Sonstige Informationen: Produktseite
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Warpskala
Warpskala-
Story9/10
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Zeichenstil5/10
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Kolorierung8/10
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