Aang markiert den Auftakt zu der Avatar – The Last Airbender-Realverfilmung.
Eine komplizierte Produktionsphase
Eines kann man Netflix nicht vorwerfen: dass sie das Risiko scheuen. Im Gegenteil: In den letzten Jahren hat der große Streamingdienst immer wieder Realadaptionen von bekannten Trickserien oder Comics herausgebracht. Die Serien Sandman oder One Piece waren von Erfolg gekrönt. Andere, wie beispielsweise Cowboy Bepop, floppten. Mit Avatar – The Last Airbender ist jetzt ein neues Projekt herausgekommen.
Die Vorlage für die Serie war die gleichnamige Zeichentrickserie, die von 2005 bis 2008 auf Nickelodeon lief. Das Besondere an dieser war, dass sie sowohl Kinder wie auch Erwachsene ansprach und sich gleichzeitig nicht vor heiklen Themen wie Völkermord oder Krieg scheute, sondern sie geschickt thematisierte. Erdacht wurde sie von Bryan Konietzko und Michael Dante DiMartino, die ursprünglich auch für die Realadaption Showrunner sein sollten. Doch diese zogen sich im Juni 2020 aus der ein Jahr zuvor offiziell gestarteten Produktion zurück und nannten als Grund kreative Unterschiede im Vergleich mit Netflix’ Vision.
Als Ersatz wurde Albert Kim angeheuert, der zuvor Co-Showrunner bei der Sleepy-Hollow-Fernsehserie war. Unter seiner Ägide wurde die Produktion weiter durchgeführt, ehe sie jetzt im Februar 2024 herauskam. Zwischendurch wurde auch bekannt, dass jede einzelne Folge im Schnitt 15 Millionen $ an Budget kostete. Aang war der Auftakt.
Schlechte Erinnerungen
Vor 100 Jahren greift die Feuernation nach der Macht über die Welt. Vorgeblich wollen sie das Erdkönigreich angreifen, doch in Wahrheit hatten sie es auf die Luftnomaden abgesehen, da diese den neuen Avatar beherbergen. Der ist das einzige Lebewesen, das alle vier Elemente (Feuer, Wasser, Erde, Luft) bändigen kann und für Frieden und Harmonie sorgen soll. Wenn er aus dem Weg ist, steht auch ihrer Herrschaft nichts im Weg.
Der neue Avatar ist ein zwölfjähriger Junge mit dem Namen Aang (Gordon Cormier), der, als ihm enthüllt wird, wer er in Wahrheit ist, von der Last der Verantwortung überwältigt mit seinem Luftbison Appa (Matthew Yang King) davonläuft. Das geschieht gerade in dem Moment, wo die Feuernation sein Volk vernichtet. Der Junge selbst gerät in einen Sturm, bei dem beide ins Wasser stürzen. Er kann sich und sein Reittier allerdings noch einfrieren und wird 100 Jahre später von den Geschwistern und Mitgliedern des südlichen Wasserstamms, Sokka (Ian Ousley) und Katara (Kiawentiio), gefunden und aus seinem Tiefschlaf befreit. Seine Ankunft erregt jedoch auch die Aufmerksamkeit von Prinz Zuko (Dallas Liu), dem Sohn des aktuellen Fire Lords, dessen Mission es ist, den Avatar zur Strecke zu bringen und damit sein Exil beenden zu können.
Es ist eine heikle Mission, eine so beliebte Zeichentrickserie wie Avatar – The Last Airbender zu adaptieren. Die Erinnerungen an die missglückte Filmadaption von M. Night Shyamalan aus dem Jahr 2010 ist vielen Fans schließlich noch allzu präsent. Dementsprechend ist die Erwartungshöhe für Aang sehr hoch.
Gute und Schlechte Unterschiede
Man merkt der Folge an, dass die Macher der Serie sich diesem Risiko bewusst waren. Deshalb unternahmen sie vieles, um die Fans abzuholen. Jedoch hielten sie sich nicht sklavisch an die Vorlage, sondern nahmen sich auch gewisse Freiheiten, die im Fandom mitunter kontrovers diskutiert wurden. Gewisse Charaktermerkmale oder Storyelemente wurden bei der Realadaption weggelassen, weshalb die Reaktion auf die Serie im Internet gespalten ist. Die knappe Mehrheit scheint die neue Reihe als nicht sonderlich gut zu empfinden, eine knappe Minderheit hält sie für durchaus sehenswert.
Und so ist Sokka in der Auftaktfolge Aang kein sexistisches Arschloch und ist Sozins Komet nicht der Hauptantrieb für den titelgebenden Avatar, nach seinem Wiedererwachen die Kontrolle über die Elemente zu lernen. Mit der ersten Veränderung kann man leben, da sie nicht das Hauptmerkmal der Figur ist, sondern eben nur ein Merkmal von vielen. Doch die Entscheidung, Letzteres wegzulassen, ist keine so gute gewesen.
Denn somit fehlt der Serie ein antreibendes Element, eine Art Countdown und Motivationsgeber für den letzten Luftbändiger. Er will zwar immer noch die anderen Elemente meistern, doch fehlt damit der zeitliche Druck, der in der Vorlage immer im Hintergrund präsent war, ohne die Handlung zu dominieren.
Hölzerne und steife Dialoge
Im Gegenzug können allerdings die Hauptdarsteller begeistern. Der Kanadier-Philipino Gordon Cormier hatte zum Zeitpunkt der Dreharbeiten genau das richtige Alter und schafft perfekt, die jugendliche Unbeschwertheit von Aang rüberzubringen. Ian Ousley und Kiawentiio wirken zwar äußerlich nicht wie Geschwister – er ist Angloamerikaner, sie gebürtige Mohawk – doch haben die beiden die nötige Chemie, um dieses Manko locker zu überspielen. Er gibt den überbordenden Bruder, sie die kleine Schwester, die sich ihrer Fähigkeiten und ihres Platzes in der Welt noch unsicher ist und es trotzdem schafft, ihren Bruder zu überzeugen. Auch Dallas Liu als Prinz Zuko ist eine gute Entscheidung, da er den unbedingten Erfolgswillen gut rüberbringt, während man bei Paul Sun-Hyung Lee als Onkel Iroh schon jetzt erkennt, dass hinter seiner lockeren und „faulen“ Art mehr steckt, als man ahnen mag.
Auch ist es schön, dass Aang sich ein wenig mehr auf die Vergangenheit, auf die Zeit der Auslöschung der Luftnomaden fokussiert. Das wurde in der Zeichentrickserie nur kurz gestreift. Hier können vor allem Lim Kay Siu als Aangs väterlicher Freund Mönch Gyatsu und Hiro Kanagawa als machthungriger Feuerlord Sozin begeistern.
Die Serie bemüht sich wirklich, der Vorlage gerecht zu werden. In weiten Teilen folgt sie der Handlungsvorlage, übernimmt teilweise auch einige Dialoge. Doch ausgerechnet bei Letzteren gibt es immer wieder Momente, wo man sich an den Kopf fasst und diesen schüttelt. Weil dann einfach Szenen existieren, die nur der Exposition dienen und entsprechend die Gespräche steif und unnatürlich klingen. Etwa, wenn Gran Gran, Sokkas und Kataras Großmutter, den Introspruch von sich gibt, dass, als die Welt ihn am dringdensten benötigte, der Avatar verschwand. Oder als Aang, kurz nachdem er erfahren hat, dass er der Avatar ist, in einem „Gespräch“ mit Appa seine Sorgen und Nöten lang und breit verbalisiert, und daraufhin beschließt davonzufliegen. Da muss sich die Reihe unbedingt noch verbessern.
Künstliches Licht
Avatar – The Last Airbender ist eine äußerst spezialeffektlastige Serie, was angesichts der Vorlage nicht verwundert. Und überwiegend kann das Ergebnis überzeugen. Doch dann gibt es immer wieder Momente, wo die Effekte zu künstlich wirken, zu sehr, als ob da eine KI mitgewirkt hat. Das macht sich unter anderem beim Anflug Aangs am Ende der Folge auf seine Heimat bemerkbar, wo diese sehr artifiziell aussieht. Auch merkt man in einigen Einstellungen, dass Szenen in einem Studio gedreht wurden und künstliches Licht eingesetzt wurde.
Aang schafft es nicht, die extrem hohen Erwartungen zu erfüllen. Aber die Pilotfolge ist auch kein Riesenreinfall. Es ist eine gute Episode, nicht mehr allerdings, ebenso nicht weniger.
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