Dieser Film ist für seine Musik und für seinen ikonischen Spruch eine Art weltweites Kulturerbe geworden.
Die Suche nach dem richtigen
Wenn der Name Der Weiße Hai fällt, dann erinnern sich die meisten Leute vor allem an zwei Dinge: Zum einen an das legendäre Theme von John Williams. Und zum anderen an den ebenso unvergesslichen Spruch von Roy Scheiders Figur Martin Brody, dass sie ein größeres Boot brauchen. Natürlich besteht der Film nicht nur aus diesen beiden Elemente, sondern hat noch viele weitere Aspekte, die ihn so legendär machen.
Dabei fing alles damit an, dass die beiden Universal Pictures Produzenten Richard D. Zanuck und David Brown unabhängig voneinander erfuhren, dass von dem Autoren Peter Benchley ein Roman mit dem Titel Jaws herauskommen würde. Das war Anfang der 1970er Jahre. In jedem Fall wurde dieses Buch damals bereits im Vorhinein hochgelobt. Die beiden Produzenten erhielten eine Vorabversion, die sie innerhalb einer Nacht durchlasen und am Ende beide übereinstimmten, dass sie die Geschichte verfilmen wollten. Sie kauften 1973 die Filmrechte an dem Werk für damals 175.000 US-Dollar, was heutzutage ungefähr 1.240.000 US-Dollar entspricht.
Und kaum hatten sie Rechte, fing auch die Suche nach einem passenden Regisseur an. Ursprünglich wollten sie den erfahrenen Regisseur John Sturges anheuern, weil der mit Der alte Mann und das Meer bereits einen maritimen Film gedreht hatte. Dann jedoch bot man den Job Dick Richards, der zuvor bei dem Kinofilm The Culpepper Cattle Co. Regie führte. Doch da dieser ständig den Hai als Wal beschrieb, trennten sich die Wege wieder. Womit die Wahl am Ende auf Steven Spielberg fiel, der diese Stelle unbedingt haben wollte. Er wurde schließlich 1973 angeheuert, noch ehe sein Kinodebüt Sugarland Express offiziellen Release hatte.
Es gab einen Plan?
Doch dann kriegte der Regisseur kalte Füße und musste erst von Produzent David Brown überredet werden, dennoch beim Projekt zu bleiben. Am Ende bekam der Filmemacher ein Budget von 3,5 Millionen US-Dollar zur Verfügung gestellt und sollte den Film in 55 Drehtagen fertigstellen. Drehbeginn sollte im Mai 1974 sein, damit die Dreharbeiten im Juni desselbigen Jahres fertig sein sollten. Denn anschließend wären die Verträge der Studios mit der Screen Actors Guild ausgelaufen und es hätte sonst gegebenenfalls ein Streik der Schauspieler gedroht.
Letzten Endes verlief bei den Dreharbeiten nur wenig nach Plan. Das fing schon beim Drehbuch an. Peter Benchley, Autor der Romanvorlage, hatte das Recht erhalten, das Skript anzufertigen. Am Ende fertigte er drei Entwürfe an, ehe er aufgab. Er meinte später, dass er Probleme hatte, die Textur der Charaktere in den Film reinzubringen.
Für Steven Spielberg kam das wie gerufen. Er selbst wollte von dem Roman eh nur die letzten 120 Seiten adaptieren und viele der Subplots ignorieren. Was auch Peter Benchly in seinem letzten Versuch überwiegend umsetzte. Dennoch musste das Skript immer noch überarbeitet werden. Der Tony- und Pulitzer-Preisträger Howard Sackler war bereit, nicht in den Credits geführte Überarbeitungen zu machen. Steven Spielbergs Freund Carl Gottlieb machte einige Notizen dazu, die am Ende zu mehr Lockerheit im Skript führen sollten, und erhielt die Rolle des Journalisten Meadows. Diese Notizen sollten schließlich auch dazu führen, dass er der neue Hauptdrehbuchautor wurde, der die Vorlage innerhalb von neun Wochen überarbeitete.
Chaos!
Was allerdings für die Dreharbeiten Konsequenzen hatte. Es war bei diesen Dreharbeiten Standard, dass das Skript für eine bestimmte Szene erst in der Nacht zuvor fertig war. Vorher traf sich Gottlieb am Abend mit Steven Spielberg und dem Cast, um zu besprechen, was überhaupt jetzt am nächsten Tag gedreht werden sollte. Es wurde außerdem ein wenig Dialogpolitur durch John Milius (Dirty Harry) betrieben, derweil Spielbergs Sugarland Express-Drehbuchautoren Matthew Robbins und Hal Barwood ebenfalls etwas zum fertigen Skript beitrugen. Allerdings, ohne in den Credits genannt zu werden.
Nicht nur der Prozess, ein fertiges Drehbuch zu kriegen, sollte chaotisch verlaufen. Auch die Dreharbeiten fielen darunter. Steven Spielberg wollte unbedingt mit einem richtigen, dressierten Hai drehen, was allerdings nicht funktionierte. Am Ende wurde eine animierte Puppe erstellt, die sehr viel Geld verschlang. Dies und die Tatsache, dass auf dem Wasser gedreht wurde, führte dazu, dass Der Weiße Hai deutlich das ursprünglich geplante Budget von 3,5 Millionen US-Dollar sprengte. Aber der Regisseur konnte sich immer wieder durchsetzen.
So auch beim Casting. Die Bedingung der Produzenten war, dass er berühmte Schauspieler anheuern würde. Was er zwar durchaus tat, wobei seine Definition von „bekannt“ sicherlich anders war, als die von Zanuck und Brown. Der Regisseur war der Auffassung, dass der Hai der Star des Films sein sollte.
Alles überzogen
Und so kam eins zum anderen. Rob Scheider hatte von dem Casting Wind gekriegt und wollte mitmachen. Und auch wenn Steven Spielberg zu Beginn Angst hatte, dass er einen ähnlichen tough Guy wie in French Connection darstellen würde, sollte sich seine Sorge nicht bestätigen. Rob Scheider wurde zu Sherrif Chief Martin Brody.
Doch neun Tage vor Drehbeginn war noch unklar, wer jetzt den Fischer Quint und den Meeresbiologen Matt Hooper darstellen sollte. Am Ende fiel die Wahl für Quint auf Robert Shaw (Macbeth), derweil Matt Hooper von Richard Dreyfuss dargestellt werden sollte. Der hatte ursprünglich das Rollenangebot abgelehnt, aber dann doch angenommen, nachdem er von seiner Leistung in Duddy will hoch hinaus enttäuscht war. Steven Spielberg hatte eine Bedingung: dass der Darsteller das Drehbuch nicht lesen sollte. Stattdessen ließ er es nochmal überarbeiten, damit die Figur des Hoopers wirklich zu seinem Alter Ego werden würde.
Am Ende überzog Steven Spielberg nicht nur das Budget, sondern auch die geplante Drehdauer um satte 104 Tage. Aus Angst, dass seine Crew ihn deswegen bei der finalen Szene ins Wasser werfen würde, fehlte er bei diesen Dreharbeiten. Seitdem ist es eine Tradition für den Filmemacher geworden, dass er beim finalen Dreh nicht anwesend ist.
Der Weiße Hai kam anschließend am 20. Juni 1975 in die Kinos. Und die ganze Welt war gespannt darauf, was da produziert wurde.
Wichtige Info!
Amity Island ist eine kleine Küstenstadt, die von dem Meer und den Touristen lebt. Eines Nachts wird eine junge Frau, die gerade schwimmen gegangen ist, angegriffen und verschwindet. Als dann kurz darauf ihre Überreste an Land gespült werden, ist für den örtlichen Sheriff Martin Brody klar, dass das ein Hai gewesen sein muss.
Er will den Strand schließen, doch der Bürgermeister hat Angst um die örtliche Ökonomie. Erst als es weitere Opfer gibt, lobt er ein Kopfgeld von 3000 US-Dollar aus. Lauter Abenteurer beißen an und schaffen es tatsächlich schon bald, einen Hai zu fangen. Doch laut dem Ozeanografen Matt Hooper und dem exzentrischen Haijäger Quint ist dieser nicht der Killer. Und in der Tat schlägt dieser bald wieder zu. Weshalb am Ende das ungleiche Trio aufbricht, um den weißen Hai zur Strecke zu bringen.
Info vorab: Bei der Recherche zum Film wurde festgestellt, dass er wohl in der Zwischenzeit neu synchronisiert worden ist. Da zum Zeitpunkt der Rezension die alte Synchronisation nicht vorlag, bezieht sich die Kritik daher auf die neue.
Sehr gut gealtert
50 Jahre ist jetzt her, seitdem Der Weiße Hai damals in die Kinos kam. Die Kritiken waren in jenen Tagen überwiegend positiv und bei einem Budget von neun Millionen US-Dollar spielte er insgesamt 476.5 Millionen US Dollar ein. Man kann also mit Fug und Recht behaupten, dass der Kinofilm ein Blockbuster war.
Und auch aus heutiger Sicht ist der Film sehr gut gealtert. Er wird als ein Thriller beschrieben, doch genauso gut könnte man ihn als einen Horrorfilm bezeichnen. Denn man merkt ihm an, dass Steven Spielberg andere zeitgenössische Grusel und Monsterfilme geguckt haben muss.
Denn er lässt sich Zeit, bis er die titelgebende Kreatur das erste Mal voll auftauchen lässt. Zunächst sieht man nur die Auswirkungen seines Tuns, die Leichen, das Blut im Wasser und die Panik der Menschen, ehe anschließend nach und nach immer mehr Körperteile von ihm zu sehen. Kurzzeitig ist sein Kopf zu sehen, ehe man dann in der berühmten Szene das erste Mal einen richtigen Eindruck davon kriegt, wie groß der Hai wirklich ist.
Ein schon fast übernatürliches Wesen
Er hat außerdem etwas Übernatürliches an sich. Vor allem am Ende erweist er sich als unfassbar stark. Scheinbar ohne Probleme kann er drei Fässer, die ihn eigentlich an der Oberfläche halten sollen, mit sich unter Wasser ziehen. Mit seinen Rammattacken sorgt er am Ende dafür, dass der Fischkutter Orca untergeht. Und am Ende kann er nur dadurch besiegt werden, dass Brody einen Druckluftbehälter, den er in seinem Maul trägt, mit einem Schuss in die Luft sprengt.
Dabei stimmt die Aussage von Steven Spielberg, dass der Hai der eigentliche Star des Films ist, vollkommen. Er dominiert das Geschehen, die Handlung dreht sich um ihn und am Ende reagieren alle nur auf ihn. Er ist ein Ungeheuer, ein Dämon, eine Naturgewalt. Seine Motive werden nie erklärt. Er tötet einfach, ohne ersichtlichen Grund, was seine Aktionen noch unheimlicher macht.
Und dabei lässt sich Steven Spielberg Zeit, ehe er am Ende dafür sorgt, dass das Heldentrio loszieht, um dem Hai das Handwerk zu legen. Zeit, die er dazu nutzt, zu zeigen, was für Konsequenzen dessen Aktionen mit sich ziehen.
Von allem überfordert
Man erlebt eine Küstenstadt, die zuvor ein idyllisches Leben hatte. Die Nähe zum Meer führt zu einer regen Fischerei und Tourismus. Und so ist der Bürgermeister auch eher ein besserer Grüßaugust, dessen einzige Sorge der Fortbestand der lukrativen Reisebranche ist. Doch je mehr der Film fortschreitet, je mehr Schaden das Wesen anrichtet, desto mehr zeigt sich, dass er im Prinzip von den Ereignissen komplett überfordert ist. Das zeigt sich vor allem am Ende des zweiten Akts, als er Brodys Drängen, doch endlich den Bedingungen Quints stattzugeben, eher zögerlich reagiert. Man merkt hier wirklich, wie sehr ihm dies alles über den Kopf gewachsen ist. Wodurch man mit ihm sogar schon fast Mitleid hat, weil er zu Beginn antagonistisch und ignorant dargestellt wurde. Das Mitleid beruht vor allem darauf, dass er für eine solche Situation nicht geschaffen worden ist.
Anders eben als das handlungstragende Trio, von denen jeder unterschiedliche Gründe hat, den Hai zu jagen. Für Brody wird es persönlich, als das Wesen auch seinen minderjährigen Sohn bedroht. Für Hooper ist es wissenschaftliche Neugierde. Und für Quint ist es Vergangenheitsbewältigung.
Vor allem Letzterer ist es, bei dem die Jagd nach dem weißen Hai sehr schnell persönlich wird. Seine Charakterisierung erinnert schnell an einen Kapitän Ahab, der unbedingt Moby Dick erlegen will. Und zwar zu seinen Bedingungen, ohne Hilfe von außen. Was vor allem eine Szene zeigt, als er das Funkgerät zerstört, damit Brody keine Hilfe herbeirufen kann. Dabei erfährt man auch, woher seine Obsession kommt, und das hat ein wenig etwas von Survivor Guilt.
Was für ein Trio
Es ist ein interessantes Trio, das den letzten Akt auf sich alleine gestellt bestreiten muss. Es sind völlig unterschiedliche Individuen, mit nur wenig Gemeinsamkeiten. Brody und Hooper sind hierbei Zeugen von Quints selbstsüchtiger Jagd. Sie können nur wenig tun, außer dabeizustehen und ihm dabei zu helfen. Erst später, schon fast zu spät, sieht Brody, anders als Captain Ahab, ein, dass sein Verhalten falsch ist, und geht auf den intellektuellen Hooper zu. Obwohl er ihn vorher die ganze Zeit runtergemacht und sich über ihn lustig gemacht hat.
Hooper selbst reagiert auf diese Versuche mit leiser Ironie. Er gibt nie offensichtlich Widerworte, sondern schluckt diese runter. Und als er dann endlich sein Wissen und seine Methoden einsetzen kann, wohnt seinen Aktionen kein Triumph inne, keine Genugtuung. Stattdessen agiert er zielstrebig.
Er ist dabei von dem Trio derjenige, der am wenigsten ausgebaut wird. Damit ist nicht gemeint, dass er keine Persönlichkeit hat. Im Gegenteil: Die hat er. Er ist ein Wissenschaftler, der aber wegen seines Wissens nicht die Nase hochträgt, sondern still und leise arbeitet. Er hält sich zwar in Konfliktsituationen überwiegend zurück. Nur um dann in ruhigen Momenten doch wieder sein wissenschaftliches Können und Arbeiten unter Beweis zu stellen.
Dabei ist er derjenige, der am besten mit Brody zusammenarbeiten kann. Beide sind auf einer Wellenlinie und ergänzen sich gegenseitig. Hierbei ist der Sheriff ausgerechnet neben Quint derjenige, dessen Motivation am persönlichsten ist. Nur, dass er keine Überlebensschuld mit sich herumträgt, da seine Familie noch lebendig ist. Er wird als ein Macher dargestellt, der zunächst, ähnlich wie der Bürgermeister, erleichtert ist, dass der Hai augenscheinlich erledigt ist, dann allerdings den Warnungen Hoopers Glauben schenkt und bereit ist, entsprechend zu handeln.
Zu Recht ein Klassiker
Der Film ist von Anfang bis Ende spannend. Es gelingt Steven Spielberg problemlos, den Zuschauer zu fesseln. Immer wieder streut er Horrormomente ein, wie etwa als Hooper in einem Wrack den Kopf eines örtlichen Fischers findet. Humor gibt es zwar ebenfalls, aber nicht brachial, sondern eher leise, heimlich und still. Man amüsiert sich über einige exzentrische Figuren in der Stadt. Doch hat man nie das Gefühl, dass die Komik die Handlung dominiert.
In Sachen Special Effects ist der Film sehr gut gealtert. Der Hai wirkt lebensecht und verursacht schon allein durch sein bloßes Aussehen Gänsehaut. In Kombination mit John Williams gelungenem Theme weiß man sofort, dass man dieses Wesen nicht unterschätzen darf.
Der Weiße Hai ist zu Recht ein Filmklassiker. Auch wenn er leider zur Konsequenz hatte, dass dadurch die Haie zu Unrecht als kaltblütige Kreaturen abgestempelt worden sind. Etwas, was Steven Spielberg leid tat. Ebenso produzierte der Film drei Sequels, die allerdings qualitativ nicht an den ersten Teil anschließen konnten.
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