In Der Schwalbenturm muss Ciri Schreckliches erleben.

Verluste überall

Ein Einsiedler mit dem Namen Vysogota findet eine schwer verletzte Ciri vor und pflegt sie wieder gesund. Während sie sich erholt, erzählt sie ihm von dem, was ihr in den letzten Monaten widerfahren ist. Denn sie hat einmal mehr alles verloren, was ihr etwas bedeutete.

Derweil macht sich Geralt mit seiner Gruppe wieder auf die Suche nach seinem Überraschungskind. Dabei trifft er bald jemanden, der ihm einiges über Ciri erzählt. Und am Ende verliert er etwas, was ihm einst viel bedeutete.

Das Grundthema von Der Schwalbenturm scheint Verlust zu sein, da sowohl Geralt wie ebenso Ciri etwas verlieren, was für sie emotional wertvoll war. Doch in beiden Fällen ist es für ihre Charakterentwicklung notwendig, dass dies geschieht, auch wenn es mitunter beim Lesen bittere Gefühle auslöst.

Ein wahres Monstrum!

Im Falle von Ciri ist es so, dass sie die Ratten verlässt, weil sie unzufrieden ist. Das ist eine Aktion, die ihr letzten Endes das Leben rettet. Denn als sie wieder zurückkommt sieht sie, wie der Kopfgeldjäger Leo Bonhart ihre Kameraden förmlich abschlachtet und sie im Kampf besiegt.

Bonhart ist dabei eine interessante Figur. Es passt zu Andrzej Sapkowskis früheren Darstellungen, dass Monster eben nicht nur unmenschliche Gestalten haben, sondern ebenso auch Menschen sein können. Und dieser Antagonist ist dann der bislang schrecklichste von allen. Im Laufe der Handlung erlebt man mit, wie er nicht nur fröhlich die Ratten förmlich abschlachtet, sondern ebenfalls Ciri dazu zwingt, dass sie in Gladiatorenkämpfen um ihr Leben kämpfen muss.

Wenn man die Aktionen dieser Figur in Der Schwalbenturm liest, dann läuft es einem kalt den Rücken runter. Während man beispielsweise bei Antagonisten wie dem niflgaardischen König Emhyr var Emreis noch ein paar menschliche Seiten hat, fehlen die bei diesem Charakter komplett. Er ist nur böse und noch dazu scheinbar unbesiegbar. Anscheinend ohne Mühe kann er Ciri, die ja immerhin in Kaer Morhen ausgebildet wurde, besiegen. Und die Tatsache, dass er drei Hexermedaillions bei sich trägt, kombiniert mit dieser Unbesiegbarkeit, lässt ihn wirklich als jemanden erscheinen, der problemlos Hexer töten kann, und das obwohl die vom Beruf her wahre Kampfmaschinen sein können.

Ein Schlussstrich mit der Vergangenheit

Der Verlust der Ratten, darunter ebenso ihrer Geliebten Mistle, ist ein schwerer Schlag für Ciri. Gleichzeitig ist dies auch ein Anlass, damit sie, gezwungenermaßen, weiter wächst. Etwas, was durch die Gladiatorenkämpfe, zu denen sie ja gezwungen wird, nochmal verstärkt wird. Da ist es umso interessanter, wenn man in den Zwischenkapiteln ihre Interaktion mit dem Einsiedler liest. Denn dies ist für ihre Entwicklung insofern wichtig, als dass er sie Empathie lehrt, etwas, was ihr bedingt durch die letzten Ereignisse in großen Teilen fehlt.

Doch auch Geralt muss Verluste hinnehmen. In seinem Fall ist es sein Hexermedaillion, das er verliert. Symbolisch wird damit ein Schlussstrich mit seiner Vergangenheit durchgeführt. Er ist nur noch nominell ein Hexer, derweil er in Wahrheit längst zu was anderem geworden ist. Er wurde zum Ritter geschlagen und für seine Verhältnisse agiert er ritterlich, wenn auch nur auf ein Ziel ausgerichtet: die Suche und Rettung von Ciri. Und hierrüber erhält er in Der Schwalbenturm wichtige Infos.

Natürlich vergisst Andrzej Sapkowski auch die anderen Charaktere nicht. Jeder, der Geralt begleitet, erhält einen oder mehrere Augenblicke, in denen er ebenfalls wächst. Regis wird langsam ein guter Freund für Geralt, derweil Milva ebenso einen schrecklichen Verlust hinnehmen muss. Es sind solche Szenen, die Der Schwalbenturm so lesenswert machen. Nicht das große Ganze, sondern die kleinen zwischenmenschlichen Momente.

Eine politische Dimension darf auch nicht fehlen

Doch auch Yennefer kommt vor. Wobei ihr Anteil an dem Roman eher gering ausfällt. Trotzdem ist er wichtig für den allgemeinen Handlungsfortschritt.

Denn man erfährt hier einiges darüber, wie der Krieg zwischen Niflgaard und den anderen Ländern sich weiterentwickelt. Es ist eine politische Handlungsebene, die der Gesamtstory weiterhilft. Es ist eine weitere Dimension in der Handlung, in der Yennefer eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt.

Der Schwalbenturm ist ein weiterer, grandioser Roman der Geralt-Saga. Unbedingt lesen!

Geralt Saga 06 Der Schwalbenturm
Cover © dtv

Bewertung 15/15

Autor: Andrzej Sapkowski
Titel: Geralt-Saga 06: Der Schwalbenturm
Originaltitel: Wieza Jaskolki
Übersetzer: Erik Simon
Verlag: dtv
Erschienen: 08/2010
Einband: Taschenbuch
Seiten: 543
ISBN: 978-3-423-24786-3
Sonstige Informationen:
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Götz Piesbergen

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