The Last Ronin ist eine etwas andere Teenage Mutant Ninja Turtles-Reihe.

Teenage Mutant Ninja Turtles The Last Ronin
Cover © Splitter Comics

Ein interessantes Phänomen

Ein gealterter Michelangelo versucht sich, in eine feindliche Festung einzuschleichen. Seine Brüder beobachten und kommentieren dies. Doch der Versuch schlägt fehl. Schwerverletzt schleppt er sich in die Kanalisation, wo er versucht, Seppuku zu begehen. Geschwächt vom Blutverlust, den er bislang erlitten hat, kollabiert er allerdings.

Als er später wieder zu sich kommt, findet er heraus, dass er von April O’Neill gerettet worden ist. Diese hat sich nach den Ereignissen vor vielen Jahren in den Untergrund verzogen. Denn damals starben innerhalb von kürzester Zeit Leonardo, Donatello, Raphael, Meister Splinter und Casey Jones. Sie beide sind die letzten Überlebenden und tun sich zusammen, um den aktuellen Anführer des Foot-Clans zu erledigen: Oroku Hiroto, Sohn von Kari Hiroto, der über die Heimatstadt der Turtles mit eiserner Faust herrscht.

Wer sich mit der Geschichte der Teenage Mutant Ninja Turtles beschäftigt, wird auf ein interessantes Phänomen stoßen. Die Trickserien und die diversen Filmadaptionen der mutierten Schildkröten sind überwiegend bunt und lustig. Derweil die Comicreihen größtenteils düster und ernst sind, wenn nicht gar stellenweise sehr brutal, wie die von 1996 bis 1999 im Image Comics erschienene Serie. Auch die aktuelle Hauptserie, die in den USA bei IDW und hierzulande in gesammelter Form bei Splitter Comics herauskommt, passt dazu. Doch The Last Ronin toppt Letztere.

Eine alte Idee wiederbelebt

Die Geschichte basiert auf einer Idee, die die Schöpfer der TMNT, Kevin Eastman und Peter Laird – der hier als Autor mit aufgeführt wird, obwohl er selber zur aktuellen Story nichts beigetragen – mal hatten. Die aktuelle Reihe wird von demselben Autorenteam verfasst, wie bei der Hauptserie, also Kevin Eastman und Tom Waltz. Die im Original fünfteilige Miniserie schildert, wie Michelangelo nach Jahren der Abwesenheit zurück in seine Heimatstadt kommt. Und dort direkt zu Beginn versucht, ein Attentat auszuüben, woran er allerdings scheitert. Es ist ein Fanal, ein Signal, dass sich einiges geändert hat. Und was durch seinen Versuch, am Ende des ersten Kapitels Selbstmord zu begehen, noch mehr verstärkt wird.

Kevin Eastman und Tom Waltz erzählen dabei eine Geschichte, die schon allein durch dieses erste Kapitel den Leser in den Bann zieht. Man will wissen, wie es dazu gekommen ist, dass der normalerweise so fröhliche und nerdige Michelangelo sich so verändert hat. Was mit seinen Geschwistern geschehen ist, wie diese gestorben sind. Allgemein, was vor der Hauptgeschichte von The Last Ronin passiert ist.

Das Schöne ist, dass das Kreativteam keine Fragen offen lässt. Durch immer wieder eingestreute Rückblenden erfährt man, was damals geschehen ist. Jedes Mal kommt dies einem Messerstich in die Brust gleich. Wenn man etwa sieht, wie ein wutentbrannter Raphael nach einem verräterischen Anschlag aufbricht, um Karai, die Anführerin der Foots, umzubringen, wobei er dabei ebenfalls ums Leben kommt. Oder wie ein einsamer Michelangelo nach Japan reist, um zu erfahren, was dort mit den letzten Mitgliedern seiner eigenen Familie geschehen ist.

Eine große Überraschung

In der Gegenwart von The Last Ronin sieht man hingegen die Konsequenzen aus den Ereignissen der Vergangenheit. Man sieht eine April O’Neil wieder, die durch den Anschlag, bei dem ihr Mann Casey und Leonardo ums Leben kam, auch einen Arm und ein Bein verlor. Die allerdings deswegen nicht den Lebensmut verlor, sondern durch moderne Prothesen normal leben kann. Und die eine Tochter großgezogen hat.

Casey Marie Jones ist vielleicht die größte Überraschung des Comics. Beim ersten Treffen weiß man noch nicht, wer sie ist, sie wirkt nur ein weiteres Gangmitglied. Doch nach und lernt man eine Frau kennen, die die Turtles idolisiert hat, die genauso engstirnig wie ihr Vater sein kann, aber auch gleichzeitig über dieselbe Empathie wie ihre Mutter verfügt. Man sieht, wie sie in dem Comic von Michelangelo unter die Fittiche genommen wird, wie er sich bemüht, ihr die richtigen Lektionen zu lehren und gleichzeitig zu verhindern, dass sie demselben düsteren Pfad folgt, wie er.

Die Momente, in denen Michelangelo seine Schülerin lehrt oder wo er sich mit April unterhält, sind mit die stärksten von The Last Ronin. Ebenso wie die Szenen, in denen er mit den Geistern seiner Brüder spricht, was natürlich leichte Zweifel an seiner mentalen Stabilität aufkommen lässt. Doch verdeutlichen diese Augenblicke, wie einsam er in Wahrheit ist, wie sehr er seine Geschwister vermisst, dass er sie in seinem Kopf wieder auferstehen lässt.

Ein schwacher Gegenspieler

Natürlich funktioniert so ein Comic nicht ohne Antagonist. Und hier muss man leider sagen, schwächelt die Geschichte. Zu Beginn ist Oroku Hiroto noch ein interessanter Antagonist, der leicht ödipale Ansätze aufweist, weil er den Körper seiner Mutter am Leben hält. Doch je weiter die Story fortschreitet, desto verrückter wird er und damit auch gleichzeitig umso uninteressanter. Es fehlt ihm am Format seines Großvaters Shredders, der ein gefährlicher Antagonist war, wie ebenfalls in der IDW-Serie. Der Absturz in den Wahnsinn, so treffend er inszeniert wird, packt einen leider nicht.

An The Last Ronin haben verschiedene Zeichner gearbeitet. Das Besondere ist, dass Kevin Eastman dieses Mal nicht nur für die Layouts zuständig war, sondern ebenso die Passagen eingestreut hat, in denen man erfährt, was den Überlebenden der Serie in den Jahren vor der Handlungsgegenwart geschehen ist. Das ganze wird in dem Schwarz/Weißen-Stil der alten Mirage-Comics gehalten. Ein heftiger Kontrast, der jedoch passt. Ben Bishop ist für die Rückblenden zuständig, in denen man mitkriegt, wie die einzelnen Turtles ums Leben kamen. Er hat einen zurückhaltenden Zeichenstil, bei dem viel über die Körpersprache ausgedrückt wird. Für die Ereignisse der Handlungsgegenwart ist das Paar Esau und Isaac Escorza verantwortlich. Ihr Stil ist detailliert. So sieht man bei April O’Neil, wie die Erfahrungen der vergangenen Jahre sich richtig in ihr Gesicht reingegraben haben.

Der Comic war damals ein voller Erfolg und der Auftakt zu einem eigenständigen Comicuniversum. Bei dem mittlerweile die Miniserie The Last Ronin: The Lost Years herausgekommen ist, derweil The Last Ronin II aktuell in den USA veröffentlicht wird. Wer wissen möchte, wie Story fortgesetzt wird, findet auf der letzten Seite der Geschichte einen Hinweis darauf. Der Erfolg führt übrigens auch dazu, dass der Comic eine Videospieladaption, sowie eine Verfilmung erhält. Diese soll R-Rated sein, was der erste Turtles-Film mit dieser amerikanischen Altersfreigabe sein soll.

The Last Ronin ist ein spannender und nahezu exzellenter Comic.

Autoren: Kevin Eastman, Peter Laird, Tom Waltz
Zeichner: Esau Escorza, Isaac Escorza, Kevin Eastman, Ben Bishop
Farben: Luis Antonio Delgado
Verlag: Splitter
Sonstige Informationen: Produktseite

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