Dieser Film ist schon fast eine Anti-These zu vielen Superheldenverfilmungen der vorherigen Jahre.
Bitte wer kriegt eine Verfilmung?
Deadpool? War dies nicht dieser merkwürdige Charakter aus X-Men: Origins Wolverine? Der am Ende wie eine Witzfigur wirkte? Und der hat einen eigenen Film erhalten?
So ähnlich lauteten meine Gedanken, als ich damals von der Verfilmung hörte. Dieser Auftritt war mir einfach noch zu präsent. Bis dann diese Szene im Internet auftauchte. Gemeint sind die Test-Aufnahmen, die „zufälligerweise“ geleakt und von dem Publikum begeistert aufgenommen wurden. Und hätte es diese positive Resonanz nicht gegeben, dann hätte man auch keinen Deadpool-Film gehabt.
Doch der Reihe nach. Erste Gedanken, den sogenannten Merc with a Mouth zu verfilmen gab es bereits seit 2004. Zu jener Zeit arbeitete New Line Cinema an einer Adaption und schon damals hatte Ryan Reynolds Interesse daran bekundet, den Charakter darzustellen. Allerdings gab es zu jener Zeit Probleme mit 20th Century Fox, die die X-Men-Rechte besaßen. Und da die Figur Teil des X-Men-Kosmos ist, konnte man ungefähr nachvollziehen, wieso die Pläne sich irgendwann nicht mehr wirklich weiter bewegten.
Kalte Füße zur falschen Zeit
Wobei auch Fox durchaus selber Interesse hatte, der Figur einen eigenen Film zu geben. Und sie konnten das ja ohne Probleme selber machen. Weshalb ja der Charakter überhaupt erst in X-Men Origins auftauchte. Eben, um einen potenziellen Spin-Off-Film zu ermöglichen. Wobei man seitens Fox dann nach dem desaströsen Auftritt ein Einsehen hatte und beschloss, für den Spinoff-Film sich nahe an der Comicvorlage zu halten. Sprich, die Figur sollte die vier Wand durchbrechen und sich wieder zu ihren Slapstick-Wurzeln bekennen.
Im Januar 2010 kam dann endlich Bewegung in das Filmprojekt. Rhett Reese und Paul Wernick (Beide hatten das Skript zu G.I. Joe verfasst) wurden als Drehbuchautoren angeheuert. Bei der Regie fiel die Wahl am Ende endgültig auf Tim Miller, der zuvor „nur“ bei den Visual Effects einiger X-Men-Filme gearbeitet hatte und seine Regieerfahrung sich ansonsten nur auf einige animierte Kurzfilme beschränkte. Dies sollte also sein Debüt in einem abendfüllenden Kinofilm sein. Ach ja und Ryan Reynolds selbst sollte Produzent des Films werden.
Doch dann kam Green Lantern. Dieser Kinofilm sollte beinahe dafür sorgen, dass es niemals einen Deadpool-Film gegeben hätte. Einfach, weil der so ein Flop war und 20th Century Fox deshalb sehr vorsichtig waren. Die Vorsitzenden waren sowieso schon wegen der geplanten Altersfreigabe R-Rated (Hierzulande FSK 16) unsicher und wollten eigentlich, dass das Projekt ein in den USA ab 13 Jahre-Film werden würde, wie es in dem Genre Standard war. Tim Miller versuchte sie davon zu überzeugen, dass das keine gute Idee sei und erreichte als Einziges, dass man ihm eine niedrige sechsstellige Summe für Test-Aufnahmen gab. Und selbst als der Avengers-Film herauskam, war man seitens Fox nicht, dass ihr Projekt herauskommen würde.
Ein glücklicher Leak
Bis dann, wie gesagt, die Test-Aufnahmen im Internet geleakt wurden. Es ist bis heute nicht so ganz klar, wer dafür verantwortlich war. Aber es sorgte dafür, dass die Produktion endlich richtig beginnen konnte. Simon Kinberg trat im März 2015 als Produzent bei und die Dreharbeiten konnten anfangen. Einziger Wermutstropfen: Der Film erhielt mit 58 Millionen US Dollar ein deutlich niedrigeres Budget, als es damals im Genre üblich war. Wobei der Etat des Kinofilms ursprünglich sogar höher war, hätte Fox nicht 48 Stunden vor dem offiziellen Produktionsbeginn es niedriger gemacht. Was zu einigen Anpassungen beim Skript führte, um am Ende Geld zu sparen.
Beim Cast war klar, dass Ryan Reynolds Deadpool werden sollte. Daran gab es nie Zweifel. Die Rolle von Wade Wilsons, Deadpools Alter Ego, liebe Vanessa Carlysle sollte an Morena Baccarin (Firefly, Stargate SG-1) fallen. Als Antagonist Francis Freeman / Ajax wurde Ed Skrein (Game of Thrones) gecastet. Er machte ungefähr 80% seiner Stunts selber, was ihm seitens Tim Millers viel Anerkennung einbrachte. Als Weasel, Wades bester Freund, erhielt der Comedian T. J. Miller (Silicon Valley) den Zuschlag. Als Angel Dust, Ajaxs rechte Hand, konnte man Gina Carano (The Mandalorian) bewundern. Derweil als Negasonic Teenage Warhead Brianna Hildebrand angeheuert wurde. Für sie war dies die erste große Rolle in ihrer damals noch jungen Schauspielkarriere. Als Bindeglied zu den X-Men konnte man auch Collossus bewundern, dessen Darstellung sich jedoch extrem von seinen früheren Auftritten unterschied. Daniel Cudmore, der die Figur vorher darstellte, sollte nicht zurückkehren, weshalb der Charakter auch überwiegend am Computer entstand. Wobei der serbische Darsteller Stefan Kapičić die Stimme des Charakters sein sollte.
Wade Wilson war einst ein Söldner, ein sehr erfolgreicher sogar. Bis er sich in eine Prostituierte verliebte und mit ihr ein gemeinsames Leben plante. Dann schlug jedoch das Schicksal zu, als bei ihm ein Gehirntumor festgestellt wurde. Die herkömmlichen Behandlungsmethoden schlugen nicht an, weshalb sich Wade freiwillig bereit erklärte, als Versuchsperson für die Tests von Francis Freeman herzuhalten. Die allerdings nicht regulär verlaufen. Stattdessen wird der Söldner gefoltert. Bis ein Experiment dazu führt, dass er extreme Selbstheilungskräfte entwickelt. Aber gleichzeitig auch sein ganzer Körper vernarbt.
Es wird frech, rotzfrech
Seitdem macht Wade, der sich jetzt Deadpool nennt, Jagd auf Francis Freeman. Er tötet nach und nach dessen Gefolgsleute. Derweil Colossus versucht, ihn davon zu überzeugen, dass er seine Kräfte fürs Gute einsetzen sollte. Nur, dass er damit bei Wade Wilson auf taube Ohren stößt.
Von Anfang an wird in Deadpool der Ton gesetzt. Von Beginn an macht der Film klar, dass sein Humor rotzfrech ist, die Darstellung der Gewalt heftig ist und die Action grandios. Schon allein die Opening Credits ziehen alles, was man so von Superhelden bzw. Actionfilmen kennt, genüsslich durch den Kakao. Es wird klar: Dies ist ein Film, der die perfekte Balance zwischen Sich-Nicht-Selber-Ernst-Nehmen und einer gewissen Seriosität hält.
Bei der Darstellung der Titelfigur ist der Film erstaunlich comicakkurat. Alles, vom Aussehen des Kostüms, über Wades Angewohnheit, ständig die vierte Wand – die zwischen Film und Zuschauern – zu durchbrechen, bis hin zu den Kampfkünsten Deadpools ist alles so, wie man es aus den Comics her kennt. Inklusive seiner Eigenart ständig zu reden und dabei ebenfalls so manchen Spruch vom Lager zu lassen.
Jede Menge Eastereggs
Auch die ganzen Eastereggs sind famos. Es wird auf Ryan Reynolds gutes Aussehen angespielt, man sieht in einer Szene eine Spielfigur des X-Men Origins-Deadpool und Hugh Jackman, bzw. seine Paraderolle und sein Aussehen, spielten ebenfalls damals eine gewisse Rolle. Der Film ist sich nicht zu Schade, vorauszusetzen, dass man die Marvel-Verfilmungen seit Blade gesehen hat. Oder zumindest die X-Men-Filme, wo ja auch ein Gag darüber gemacht wird, dass die einen Reboot hinter sich hatten und es deshalb im Prinzip zwei Professor X gab.
Der Film lebt von Ryan Reynolds Schauspielleistung. Man merkt wirklich, dass er Deadpool nicht nur liebt. Er lebt den Charakter auch. Die rotzfreche Attitüde, dessen loses Mundwerk: Es wirkt nicht geschauspielt, es wirkt wirklich so, als ob es von dem Darsteller persönlich kommt.
Dabei bemüht sich der Film auch um die richtige Balance. Gemeint ist, dass er sich nicht nur auf die Gegenwart fokussiert. Sondern ebenso eine lange Rückblende einbaut, anhand derer man den Ursprung der Titelfigur und den Grund für seinen Rachefeldzug erfährt. Anhand der Art und Weise, wie dies eingebaut wird, sind die Übergänge ebenfalls Gags, die jedoch die ernsten Untertöne der Situationen nicht unterminieren.
Es gibt auch ernste Momente
Denn Deadpool ist eben nicht nur ein Feuerwerk an Gags. Die Story weiß, wann sie den Humor zurücknehmen muss. Wann sie stille Momente einbauen muss, nur um dann danach sofort wieder lustige Szenen aufzufahren. Das sieht man beispielsweise, als Ajax Wade kurz nachdem dessen Kräfte erwacht sind, eindeutig besiegt. Das ist schon ein heftiger Moment. Nur um anschließend in der nächsten Einstellung zu sehen, wie sich dieser berappelt und dabei gleichzeitig wieder einige Jokes abfeuert.
Nicht, dass der andere Cast deswegen zu kurz kommt. Im Gegenteil: Es wird sich wirklich bemüht, jeder Figur gerecht zu werden. Was man vor allem bei der Gegenseite merkt. Francis Freeman bzw. Ajax ist der perfekte Antagonist. Wo Deadpool laut und rotzfrech ist, ist er leise aber nichtsdestotrotz immer noch gefährlich. Er ist ein intelligenter Gegenspieler, der sich von Wades Racheaktion nicht aus der Ruhe bringen lässt. Sondern ihm diverse Mal sogar ein Schnippchen schlägt. Wie beispielsweise nach dem grandiosen Eröffnungskampf, wo er eine unbeachteten Situation ausnutzt, um zu fliehen.
Der Film weiß außerdem, wie limitiert Gina Carano eigentlich als Schauspielerin ist. Und setzt sie deswegen auch überwiegend nur in Actionszenen ein. Ebenso wird vermieden, sie großartig Emotionen zeigen zu lassen. Sie wirkt nur überheblich und arrogant, was zum Glück für sie reicht.
Beste, brutale Unterhaltung
Doch auch die X-Men werden gut eingesetzt. Zwar ist Colossus überwiegend nur ein Comedy Relief, dank seines Bemühens, Wade zum Guten zu bekehren und seines übertriebenen russischen Akzents. Aber damit dies nicht zu übertrieben wirkt, wird er ja mit Negasonic Teenage Warhead zusammengetan. Deren Teenager-Attitüde genau das richtige Gegenmittel zu dem russischen Titanen ist. Im Prinzip ist ihr alles, was sie hört und sieht, egal. Wobei sie am Ende dann doch überraschend aktiv wird.
Auf der zivilen Seite können Morena Baccarin und T. J. Miller überzeugen. Sie gibt glaubwürdig die selbstbewusste Freundin von Wade, die sich gegen normale Söldner zur Wehr setzen kann. Und sich auch ansonsten nicht die Butter vom Brot nehmen lässt. Er hingegen ist Weasel. Er ist der Sekretär der Söldnergilde, der ihn vollkommen normal behandelt und sich von dessen Aussehen nicht erschrecken lässt. Er ist mit Morena derjenige, der dafür sorgt, dass die Ereignisse des Films zumindest ansatzweise halbwegs in einer Art Realität verankert sind.
Man wird hier von Anfang bis Ende bestens unterhalten. Von der ersten bis zur letzten Minute funktioniert er wunderbar. Und zwar auch mit der heftigen Gewaltdarstellung. Die ist Teil des Programms, Teil des Grunds, wieso der Film überhaupt erst funktioniert. Denn nur dadurch, dass man sieht, wie Köpfe abgeschlagen durch die Gegend fliegen oder Wade mit einem Schuss 3 Köpfe durchschießt, kann man auch besser die Regenerationsfähigkeiten von Deadpool nachvollziehen. Bei Wolverine mögen diese ebenfalls in einem USK 12-Umfeld funktionieren. Aber hier muss es wirklich härter sein, um zu beweisen, dass Deadpools Regenerationsfähigkeiten stärker sind, als die des X-Men! Erst dadurch wird der Film zur Antithese des Superheldenfilm-Genres.
Einer der Besten
Am Ende feiert man den Film. Man zelebriert auch die Tatsache, dass er trotz aller Widrigkeiten ein voller Erfolg wurde und über 700 Millionen US Dollar einspielte. Weshalb die Fortsetzung, die in der Post-Credit-Szene so kongenial angeteasert wurde, dann auch einige Zeit später Realität werden sollte.
Ohne Zweifel, dies ist einer der besten Superhelden-Filme aller Zeiten. Er zeigte, dass auch härtere Filme Erfolg haben können, wenn vor und hinter der Kamera alles stimmt. Weshalb die Vorfreude auf Deadpool 2 umso schöner ist.
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