Mit Dredd wurde 2012 ein neuer Anlauf gewagt, die berühmte britische Comicfigur zu verfilmen.
Unschöne Erinnerungen
In Großbritannien ist Judge Dredd eine der bekanntesten Comicfiguren überhaupt, die auf dem Eiland entstanden sind. Erschaffen von Autor John Wagner und Zeichner Carlos Ezquerra, erschien die Figur das erste Mal in der Ausgabe Nummer 2 des Comicmagazins 2000 A.D., im Mai 1977. Der Charakter erlebte seine Abenteuer in einer dystopischen Zukunft, wo er als sogenannter Street Judge für Recht und Ordnung sorgte. Die Geschichten, die er dabei erlebte, waren häufig sarkastisch, düster und brutal.
Berühmt-berüchtigt wurde der Charakter, als er 1995 in Amerika verfilmt wurde. Doch auch während dieser Judge Dredd-Film sich von der Optik her nahe an die Comicvorlage hielt, war die Story des Kinofilms enttäuschend. Es gab einen Konflikt zwischen Regisseur Danny Cannon und Hauptdarsteller Sylvester Stallone. Ersterer wollte einen brutalen und düsteren Actionfilm, Letzterer eine Actionkomödie. Und Stallone sollte sich durchsetzen, weshalb der Film zu einer jugendfreien Komödie zusammengeschnitten wurde, die sich inhaltlich von der Comicvorlage weit entfernen sollte. Was man unter anderem daran erkennen konnte, dass Sylvester Stallone anders als die Comicfigur, die er eigentlich darstellen sollte, ständig den Helm abnahm. Der Film wurde schließlich zu Recht ein Flop.
Doch so ganz wurde die Idee einer Adaption nicht fallen gelassen. Denn 2006 sollte Drehbuchautor Alex Garland (28 Days Later) damit anfangen, ein Skript für eine Neuverfilmung zu schreiben. Sein erster Entwurf enthielt den ikonischen Dredd-Antagonisten Judge Death und nahm sich des Judge-Systems an sich an. Doch die Story setzte zuviel Wissen aus den Comics hervor, weshalb er sie irgendwann wieder verwarf. Er spielte zwischendurch mit dem Gedanken, eine der Storyarcs der Geschichte zu adaptieren, doch stattdessen entschied er sich für eine „Ein-Tag-Im-Leben“-Story. Auch adaptierte er die Tatsache, dass Judge Dredd in den Comics selbst nur ganz allmähliche Charakterentwicklungen durchmachte.
Eine Herausforderung
Die Entwicklung von Dredd wurde schließlich im Dezember 2008 verkündet. Ursprünglich sollte Duncan Jones (Warcraft) der Regisseur werden. Doch da seine Vision des Films unkonventionell war und sich nicht mit dem Skript von Alex Garland vertrugt, wurde daraus nichts. Stattdessen wurde als Filmemacher der Brite Pete Travis (Endgame) vorgestellt. September 2010 wurde letzten Endes bekannt gegeben, dass Film einfach nur Dredd heißen würde. Außerdem sollte der Schöpfer der Figur, John Wagner, als Berater mit an Bord sein.
Die Titelrolle übernahm Karl Urban, der von sich auf die Produzenten zugetreten war, um den Charakter zu spielen. Für ihn sollte die Darstellung eine Herausforderung sein, da seine Figur im Film niemals den Helm abnahm. Ebenso trainierte er intensiv für den Job. Als Rookie Judge Anderson wurde Olivia Thilby (Juno) angeheuert, die ebenfalls sich extensiv für den Film präparierte. Lena Heady (Game of Thrones) wurde zur Gangleaderin Ma-Ma. Dafür wurde auch die Rolle geändert, da sie ursprünglich als eine fettleibige, stark vernarbte und mit heftigem Make-Up versehen Figur vorgesehen war. Die Narben blieben, der Rest wurde verändert. Als ihre rechte Hand Kay wurde Wood Harris (The Wire) gecastet. Laut seiner Meinung sah sich seine Figur als nicht viel schlimmer als die Judges an.
Im Jahr 2080 ist der Großteil der Vereinigten Staaten ein nukleares Ödland. Die Menschheit existiert nur noch in wenigen Städten an der Ostküste, den sogenannten Megacities. In diesen, vor allem Mega City One, sorgen die Judges für Ruhe und Ordnung. Sie sind Richter, Geschworene und Henker in einer Person, die sich einer Vielzahl an Verbrechen entgegenstellt.
Eine herausfordernde Rolle
In einem Slum-Turm namens Peach Tree herrscht mit brutaler Hand die Gangleaderin Ma-Ma. Sie hat die Kontrolle über die Droge slow und jeder, der sich ihren Regeln widersitzt, wird auf brutalste Art und Weise bestraft. Doch die neuste Bestrafungsaktion sorgt dafür, dass Judge Dredd und die Rookie Judge Anderson – ein Psitalent – vorbeischauen. Und schon bald fängt eine regelrechte Schlacht um die Kontrolle im Turm an.
Von Anfang an macht Dredd klar, dass dies kein Film für jeden ist. In gewisser Weise ist er schon fast die Antithese zu der Sly Stallone-Interpretation aus den 1990er Jahren. Er ist düster, realistischer und erheblich brutaler. Humor kann man hier mit der Lupe suchen. Kurz: Er ist all das, was eine normale, durchschnittliche Comicadaption normalerweise nicht sein darf. Doch das Erstaunliche ist, es funktioniert.
Was vor allem an den Darstellern liegt. Es gibt sicherlich nicht viele Schauspieler, die sich bereit erklären, die Hauptrolle in einem Film zu spielen, ohne dass man nicht wenigstens in einer Szene ihr Gesicht sieht. Karl Urban zieht es jedoch knallhart durch, dass in den Comics das wahre Antlitz von Judge Dredd nicht bekannt ist. Und so sieht man die meiste Zeit die humorlosen Mundwinkel der Figur und hört seine scheinbar emotionslose Stimme, mit der er redet. Und für einen solchen Charakter soll man Sympathien empfinden?
Ein ständiger Test
Ja, soll man. Und kann man. Weil Karl Urban es durch Nuancen es schafft, einiges zu erzählen. Sein Dredd ist keine Maschine, der komplett abgestumpft ist. Sein Dredd ist jemand, der mit Leib und Seele an das Gesetz glaubt, dass er vertritt. Es ist für ihn der absolute Maßstab, an dem er alles misst, darunter auch seinen Rookie Anderson. Und für diejenigen, die ungerechtfertigt Leben nehmen oder ziviles Leben nehmen hat er nur Verachtung über.
Als Kontrast wurde Judge Anderson eingebaut. In den Comics ist dies eine Figur, die eine seiner häufigsten Partner war. In dem Film ist sie ein Frischling, ein Rookie, die im Grunde nur deshalb mit darf, weil sie ein Psi-Talent ist.
Und so sieht man über weite Teile von Dredd, wie der titelgebende Judge den Neuling wiederholt testet und sie auch von den Ereignissen an sich getestet wird. Wie sie, erst nach Zögern und Aufforderung von Dredd selbst, einen Mann exekutiert, der sie vorher angegriffen hat und jetzt schwer verletzt ist. Wie sie im Laufe des Films immer mehr und mehr an Selbstbewusstsein hinzugewinnt, was dann im Finale seinen Höhepunkt findet, als sie eine seiner kritischen Anmerkungen schon fast barsch beiseite wischt.
Eis! Kalt!
Doch die wahre Offenbarung des Films ist Ma-Ma. Man hat es hier mit einer selbstbewussten Frau zu tun, die weiß, was sie will und wie sie es erreichen kann. Sie kontrolliert das Geschehen und den Fluss der Dinge und ist immer wieder für unschöne Überraschungen gut. Sie agiert mit Gewalt und Druck auf die Unschuldigen und Untergebenen. Und selbst als es zur direkten Konfrontation mit Dredd und Anderson kommt, versucht sie, die Handlung zu bestimmen. Es ist eine wahrhaft furchteinflößende Frau, die von Lena Heady eiskalt dargestellt wird.
Wie eiskalt sie ist und wie wenig sie auf das Leben Unschuldiger gibt, zeigt sich in einer Schlüsselszene des Films. Als sie mit vier großen Miniguns das Feuer auf die Judges und ihren Gefangenen Kay eröffnet. Dutzende von Mauern werden zerstört und man sieht, wie mehrere Zivilisten das Leben verlieren, was ihr offensichtlich egal ist. Eine Szene, die wirklich Gänsehaut verursacht.
Und doch gleichzeitig auch in Dredd ihren langsamen Untergang einleitet. Weil die Judges und ihr Gefangener überleben. Und es später eine ähnlich aufgebaute Szene gibt, in der Dredd mit Flammengeschossen einen Großteil ihrer noch übrigen Leute umbringt. Was wiederum ihren unvermeidbaren Fall einleitet.
Eine notwendige Gewalt
Bei dem Kay eine große Rolle spielt. Er ist in dem Ensemble zunächst eine unscheinbare Figur, die rechte Hand von Ma-Ma, der schon früh von den Judges gefangen genommen wird. Doch erweist er sich dort als widerlicher Schleimling, der sich vor allem mit Judge Anderson reibt und versucht, ihr gegenüber seine Dominanz durchzusitzen. Nur um damit wiederholt zu scheitern.
Von Kritikern wurde Dredd vorgeworfen, dass der Film den Sarkasmus der Comicvorlage nicht übernommen hat. Dass dadurch die sehr heftige Gewaltdarstellung übertrieben wird. Und es stimmt, dass der überspitzte Humor des Comics im Film nur hier und da aufblitzt. Doch die übertriebene Gewalt dient in der Verfilmung keinem Selbstzweck, sondern ist Ausdruck einer Gesellschaft, in der die gesellschaftlichen Regeln, so wie wir sie kennen, ihre Gültigkeit verloren haben und am Ende nur das Recht des Stärkeren gilt.
Leider entpuppte sich Dredd als Flopp. Bei einem Budget von 30 bis 45 Millionen US Dollarn spielte er nur 41 Millionen ein. Immerhin hat er sich seitdem zu Recht einen Ruf als Kultfilm erarbeitet und es gab und gibt immer wieder Überlegungen, wie man den Film fortsetzen konnte. Zuletzt war unter anderem im Jahr 2017 eine Fernsehserie im Gespräch. Doch daraus scheint nichts geworden zu sein.
Es ist schade, dass der Film kein Erfolg war. Denn es handelt sich hier um eine sehr gute Comicadaption.
Infos
Drehbuch: Alex Garland
Hauptdarsteller: Karl Urban, Olivia Thirlby, Wood Harris, Lena Headey
Produzent: Andrew Macdonald, Allon Reich, Alex Garland
Regie: Pete Travis
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