Mit Gamera – The Brave wurde 2006 ein Versuch unternommen, sich wieder mehr an den Filmen der Showa-Ära zu orientieren.
Jede Menge Probleme
Die Gamera-Filme der Heisei-Ära waren eine wagemutige Neuinterpretation der berühmten Riesenschildkröte. Die Leinwandabenteuer waren deutlich Erwachsener und es standen dieses Mal auch nicht so sehr die Kinder im Mittelpunkt des Geschehens. Wobei mit Gamera 3 – Revenge of Iris mit den neuen Ansätzen übertrieben wurde und das Ergebnis ein Kinofilm war, der mit dem, was die namensgebende Kreatur ausmacht, nur noch wenig zu tun hatte.
Dennoch war ursprünglich ein Sequel angedacht. Doch aus diversen Gründen wurde daraus nichts. Zum einen hatten die Führungskräfte von Daiei-Films etwas gegen die Heisei-Filme, zum anderen äußerten sich aber auch viele Leute, die in der Showa-Ära an Gamera arbeiteten, negativ über die Filmtrilogie. Darunter ebenfalls Noriaki Yuasa, der den Großteil der damaligen Kinofilme drehte. Zum anderen veranlasste die Zerstörung von Shibuya in Gamera 3 Kinder dazu, in Tränen auszubrechen, woraufhin ihre Eltern mit ihnen die Kinos verließen. Nimmt man anschließend noch hinzu, dass die Produktionsfirma Tokuma Shoten in finanziellen Nöten war und deren Chef Yasuyoshi Tokuma verstorben war, dann kann man nachvollziehen, wieso aus der gedachten Fortsetzung nichts wurde.
Doch Gamera war damit nicht tot. Im Gegenteil: Im Jahr 2002 kaufte das Medienunternehmen Kadokawa die Rechte an der Kreatur von Tokuma Shoten und verkündete gleich darauf, dass man ein Crossover mit Godzilla plane. Doch Toho, die Eigentümer der Riesenechse, lehnte das Angebot ab, wobei sie sowieso den berühmten Kaiju mit Godzilla: Final Wars erst mal aufs Eis legte.
Jede Menge Inspirationsvorlagen
Doch bei Kadokawa gab man nicht auf. Man wollte unbedingt einen neuen Gamera-Film haben, wobei man sich unsicher war, woran dieser anknüpfen sollte. Denn trotz aller Kontroversen war die Heisei-Trilogie enorm populär. Die Führungskräfte drängten schließlich erfolgreich darauf, dass Gamera sich wieder zu seiner ursprüngliche Ideologie zurückbesinnen sollte.
Letzten Endes sollte die Grundlage für das Skript von Gamera – The Brave eine Drehbuchfassung von Gamera – Guardian of the Universe sein. Ebenso dienten viele andere Filme als Inspirationsquelle für den Kinofilm. Werke wie E.T. – Der Außerirdische, Ein Schweinchen namens Babe, Kamen Rider Ryuki oder die Heisei-Mothra-Filme dienten als Basis, auf der dann anschließend die Geschichte des Leinwandstreifens aufgebaut wurde.
1973 muss der junge Kousuke mit ansehen, wie sein Heimatdorf von Gyaos angegriffen und zerstört wird. Nur das Eingreifen von Gamera kann verhindern, dass auch Menschen ums Leben kommen. Doch der heldenhafte Beschützer wird von den feindlichen Kreaturen schon bald übermannt, weshalb er zu einem verzweifelten Schritt greift: Er sprengt sich selber in die Luft, womit die Feinde zwar tot er sind. Er allerdings ebenfalls.
Ein sehr besonders Haustier
Jahre später ist dem Kind ein Mann geworden und ein Vater noch dazu. Doch er und sein Sohn Toru mussten vor Kurzem einen schweren Schicksalsschlag hinnehmen: Seine Frau kam bei einem Verkehrsunfall ums Leben. Und da Kousuke (Kanji Tsuda) viel arbeiten muss, damit die Familie finanziell über die Runden kommt, ist sein Kind oft alleine.
Der Junge hat dabei insgeheim starke Verlustängste. Doch dann nehmen ihn seine Freunde mit auf einen Ausflug, wo er an dem Ort, wo Gamera sich selbst zerstörte einen merkwürdigen Stein entdeckt. Dieser entpuppt sich allerdings schon bald als ein Ei, aus dem eine Schildkröte schlüpft, die Toru (Ryo Tomioka) liebevoll Toto nennt. Doch schon bald zeigt sich, dass sein Haustier kein normales ist, als es nämlich außergewöhnliche Intelligenz und Fähigkeiten beweist. Denn in Wahrheit ist dies der künftige Gamera.
Man muss den Mut der Verantwortlichen von Gamera – The Brave bewundern: Sie versuchen einen Film zu erschaffen, der wieder an die alten Tugenden der Showa-Ära anknüpft. Sprich, dass im Mittelpunkt des Geschehens ein kleiner Junge steht und der Kinofilm allgemein sehr kinderfreundlich ist.
Den Geist in die Moderne transportieren
Wobei der Film jetzt nicht versucht, sklavisch die damaligen Filmabenteuer nachzuahmen. Dieses Mal ist der Junge, um den sich die Handlung dreht, kein verwöhntes Gör, dem man alles nachsieht, noch ist das Leinwandabenteuer unter anderem eine Clipshow, wie die damaligen Abenteuer mitunter waren. Vielmehr wurde hier probiert, den Geist jener Ära in die Moderne zu adaptieren.
Und das Ergebnis ist durchaus gelungen. Der Film hat eine gewisse Leichtigkeit, die man zum Beispiel dann merkt, als Toru verzweifelt versucht, Toto vor seinem Vater zu verstecken. Nur dass anschließend die Nachbarin Mai sieht, wie die winzige Schildkröte in der Luft schwebt und deshalb erstmal sprachlos ist.
Dabei wird hier versucht, das Traumata des frühen Verlusts bei Toru zu behandeln. Sensibel wird beispielsweise gezeigt, wie er zu Beginn des Films nach der Erwähnung seiner Mutter erst mal seine Freunde stehen lässt und davon geht. Ehe er sich eines Besseren besinnt und wieder mit denen herumalbert. Daran und wie er mit der Herzkrankheit von Mai umgeht, merkt man, dass er den Tod seiner Mama am Anfang noch nicht verarbeitet hat. Und sich das erst im Laufe des Films bessert.
So niedlich und knuffig
Es ist auch hilfreich, dass er sich um Toto kümmert und von diesem ebenfalls viel Liebe zurückkriegt. Dabei ist das Characterdesign des künftigen Gameras erstaunlich. Es wirkt so, als ob alle Ecken und Kanten abgeschliffen worden sind und stattdessen nur Rundungen überbleiben, wodurch es knuffig und süß wirkt. Was dann trotzdem kein Widerspruch dazu ist, dass er sich anschließend später mit einem anderen Monster balgt.
Eigentlich ist dies also ein Film, der einem gefallen müsste. Wäre da nicht eine essenzielle Tatsache, die Gamera – The Brave förmlich in den Hintern beißt: Er ist eben kein direkter Nachfolger der Showa-Ära, sondern der Heisei-Trilogie. Und die war überwiegend deutlich spannender und interessanter.
Es ist eben die Crux dieses Films: Man will erneut die Kinder im Mittelpunkt des Geschehens stellen, versucht Gamera wieder kinderfreundlicher zu machen: Und erschafft so eine Story, die den erwachsenen Zuschauer schon bald einschläfert. Es kommt einfach keine Spannung auf. Weder bei den Kaiju-Kämpfen, noch bei dem Drama um Mais Herzkrankheit, noch bei dem Plot um die Regierungsorganisation, die Gamera unbedingt haben möchte.
Ein Fremdkörper
Letzterer fühlt sich auch so an, als ob er eingebaut wurde, damit ebenfalls erwachsene Zuschauer etwas vom Film haben. Doch wird diese Handlung nur bedingt vorangetrieben und wirkt deshalb wie ein Fremdkörper. Womit für ältere Zuschauer dann eben doch nichts vorhanden ist, um ihn dauerhaft zu interessieren.
Und das hat sich auch an den Kinokassen bemerkbar gemacht. Die Mehrheit der Kinozuschauer liebte die Heisei-Trilogie, weshalb Gamera – The Brave an den Kinokassen enttäuschen sollte. Womit weitere Abenteuer mit der Riesenschildkröte erstmal wieder vorbei waren. Erst 2023 sollte es weitergehen.
Info
Regie: Ryuta Tasak
Drehbuch: Yukari Tatsui
Hauptdarsteller: Ryo Tomioka (jp), Kanji Tsuda, Kaho
Kamera: Kazuhiro Suzuki
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