Unter den Gefangen des Marsarbeitslagers bricht immer häufiger Gewalt aus. Diese könnte aber bald auch die wohlhabenden Siedler treffen.
Die Handlung
Marianna Storto, die Leiterin der Marskolonie, steht vor einer ganzen Reihe von Problemen. Unter den Gefangenen des Arbeitslagers brechen immer häufiger Bandenkriege aus, flüchtige Einsiedler planen eine Revolution und auf der Erde prangern NGOs die Ausbeutung der Strafgefangenen an. Letztere bekommen vor der UNO prominente Unterstützung von der chinesischen Präsidentin Zhao Yiyan, die ein internationales Gesetz gegen Zwangsarbeit auf den Weg bringen möchte. Das menschenverachtende Regime des Mars steht in jeder Hinsicht kurz vor dem Zusammenbruch.
Nichtsdestotrotz möchte Storto die Feierlichkeiten zur Fertigstellung eines neuen Wasserkanals nicht absagen. Zum einen will sie die Siedler nicht beunruhigen, zum anderen erhofft sie sich mit der Ausstrahlung des Events auf der Erde einen Propagandasieg. Die Gewalt unter den Gefangenen sowie die Bedrohung durch die Einsiedler vertuscht sie daher kurzerhand. Die Sicherheitschefin Sophie Berken warnt zwar regelmäßig vor der absehbaren Katastrophe, wird jedoch stets von den anderen Mitgliedern der Kolonieleitung überstimmt.
Einer aus der Runde spielt obendrein auch noch falsch. Aurélien Duvaut gehört der synkretistischen Kirche von Xavier Rojas an und spielt dieser Pläne sowie Zugangscodes der abgeschirmten Siedlung zu. Jasmine Stenford soll diese benutzen, um die gesamte Kolonieleitung als Geisel zu nehmen. Zwar ist sie nicht sonderlich religiös, aber die Kirche bietet ihr Schutz vor den Gangs und eine entspannte Arbeitsstelle bei der Kontrolle der Marswälder.
Jasmine kommen zwar Zweifel auf, als Rojas ihr die Typen, die sie zusammengeschlagen haben, als Seelenmentoren zur Seite stellt. Sie akzeptiert jedoch die Erklärung, dass dieser Zwischenfall in bester Absicht inszeniert wurde, um sie vor den Gangs zu schützen, die ebenfalls herausgefunden haben, dass sie ein Ex-Cop ist. Außerdem glaubt sie an die Ehrlichkeit des Gurus, der behauptet, eine gerechte Ordnung auf dem Mars herstellen zu wollen.
Abgesehen von einem Feuer, vor welchem sie Duvaut nicht gewarnt hat, läuft ihre Mission zunächst glatt. Die Killerdrohnen sind offline und der Trupp von Synkretisten schafft es bis an den Eingang der Siedlung, wo Jasmine den korrekten Code ins Türschloss eingibt. Dann tauchen aber plötzlich Einsiedler auf, die sie auffordern, die Waffen niederzulegen. Eine Fanatikerin eröffnet daraufhin das Feuer auf die Ungläubigen und es kommt zu einem Blutbad. Da sich die Einsiedler in der höheren Position befinden, fallen ihre Verluste gering aus, wohingegen die meisten Synkretisten sterben. Nur Stenford bleibt übrig.
Von Pietr erfährt sie die Wahrheit über Xavier Rojas fanatischen Kult. Der Guru plant nichts Geringeres als die Vergiftung der kompletten Wasserversorgung des Mars. Deshalb sollte Jasmine in die Siedlung eindringen und nicht, um Geiseln für Verhandlungen zu nehmen. 90 % der Marsbevölkerung sollten ausgelöscht werden, nur die Synkretisten hätten dank eines Gegenmittels überlebt.
Obwohl dieser Anschlag vorerst vereitelt werden konnte, ist die Gefahr längst nicht gebannt. Der nächste Gefangenentransport steht nämlich unter völliger Kontrolle von Rojas Anhängern, die sich absichtlich verhaften lassen haben, um zum Mars geschickt zu werden. 80 % der Sträflinge und Crew stehen auf seiner Seite und haben alle anderen getötet. Kommt das Raumschiff auf dem Mars an, werden die Synkretisten den Planeten übernehmen.
Rezension von On Mars_ 2: Einzelkämpfer
Im zweiten Teil nimmt die Handlung so richtig Fahrt auf und gleiches gilt für die Gesellschaftskritik. Als die chinesische Präsidentin ein internationales Gesetz gegen Zwangsarbeit auf den Weg bringen will, sind es die Vertreter kapitalistischer Länder wie Frankreich und Italien, die sich dagegen auflehnen. Dabei gibt es durchaus Bezüge zur Realität, denn tatsächlich profitieren westliche Konzerne von Menschenhandel, Sklaverei und Kinderarbeit. Heute schon eine Tafel Schokolade gegessen? Sofern diese kein Fair-Trade-Siegel hat, wurden die Kakaobohnen mit hoher Wahrscheinlichkeit von Kindersklaven an der Elfenbeinküste geerntet.
Der Comic spricht hier eine unbequeme Wahrheit über den Kapitalismus an, welche die meisten Europäer lieber verdrängen. Genauso wie die Leiterin der Marskolonie die menschenverachtenden Arbeitsbedingungen und Gewaltausbrüche unter den Zwangsarbeitern des Mars vertuscht. On Mars_ ist in seiner Kapitalismuskritik absolut schonungslos und versetzt sie in keine allzu weit entfernte Zukunft, als das man sie nicht auch auf das Hier und Heute anwenden könnte.
Als eine weitere Gefahr für die Gesellschaft werden die religiösen Eiferer erkannt. Die Verschmelzung von Christentum, Judentum und Islam in Xavier Rojas synkretistischer Kirche deutet dabei an, dass sich die Kritik gleichermaßen gegen Fanatiker aller Religionen richtet, egal ob evangelikale Rechte oder Islamisten. Sie alle dulden keine anderen Meinungen und wollen ihr Weltbild dem Rest der Gesellschaft aufzwingen oder eben alle töten, die es nicht anzunehmen gedenken.
Dazwischen gibt es noch allerhand Mafiagangs, wie man sie ebenfalls in der Realität wiederfindet. Der Bandenkrieg zwischen Neosinners und Gravitydead spiegelt die Lebenswirklichkeit in echten Gefängnissen wieder, wobei das Ausmaß der Gewalt in Ländern wie El Salvador durchaus vergleichbar mit der Marskolonie ist. Dabei ist es kaum ein Schutz, keiner Gang anzugehören, denn wer zwischen die Fronten gerät, endet als Kollateralschaden. Darunter auch Josh, der schwer verletzt im Krankenhaus landet. Obwohl er Rojas Kirche angehört, scheint er ein gutgläubiger Mensch zu sein, der bis dato Jasmines einzig positive Bezugsperson ist.
Zumindest bis Pietr auf den Plan tritt. Die Einsiedler, denen er angehört, sind geflohene Sträflinge, die in den Bergen des Mars eine solidarische Gemeinschaft aufgebaut haben. Tatsächlich sind sie die einzige Hoffnung, auf eine gerechtere Gesellschaft, weshalb sich Jasmine letztendlich ihrer Sache anschließt. Zumal die wenigsten von ihnen echte Schwerverbrecher sind. Die meisten wurden wegen irgendwelcher Kleinigkeiten ins Exil verbannt, weil schlichtweg billige Arbeitskräfte benötigt wurden.
Ein ähnliches Schicksal wurde auch Jasmines Vorgängerin Sonia zuteil, deren Tagebuch sie zufällig im Sockel ihres Bettes findet. Sonias Tagebuch gibt es als 22-seitiges Extra im Anhang des Comics und es verdeutlicht noch einmal um einiges schärfer den harten Alltag im Arbeitslager, als die Haupthandlung es vermag. Während im Comic die Handlung aus verschiedenen Blickwinkeln vorangetrieben wird, nimmt sich das Tagebuch die Zeit, den Fokus auf das Einzelschicksal einer zweifachen Mutter zu legen, die ihre Kinder nie wieder sehen wird. Dabei hat sie lediglich aus der Not heraus ihren Arbeitgeber bestohlen, was absolut nicht rechtfertigt, sie zusammen mit Mördern und Vergewaltigern in ein Arbeitslager zu stecken.
Der Zeichenstil des Tagebuches erweckt bewusst den Eindruck handschriftlicher Skizzen. Das Papier ist optisch gealtert und mit Schmutz sowie Blutspritzern versehen. Lediglich die Schriftart wirkt etwas zu akkurat, da wäre eine tatsächliche Handschrift glaubhafter gewesen. Nichtsdestotrotz ist dieser Bonus absolut lesenswert und die Handzeichnungen sind trotz ihres schlichteren Stils immer noch sehr detailliert.
Über den Stil des Comics an sich gibt es nur Positives zu erwähnen. Die Gesichter und vor allem die Gesichtsausdrücke sind sehr natürlich, was es leicht macht, sich in die Charaktere hineinzuversetzen. Die Marslandschaften bestechen einmal mehr durch ihre Detailtiefe und endlich bekommt man auch direkte Einblicke in die künstlich angelegte Flora. Das alles ist wieder in sandigen Farben gehalten, welche sehr gut zum Mars und auch zur dystopischen Stimmung passen.
Fazit
Wer gesellschaftskritische Dystopien mag, wird mit dieser Comicreihe schnell warm werden und spätestens ab diesem Band begeistert sein. Abgesehen von der spannenden Handlung bietet On Mars_ ein hervorragendes Setting, das keine Wünsche offen lässt. Als Bonus gibt es noch ein 22-seitiges Tagebuch, womit der Preis mehr als gerechtfertigt ist. Hinzu kommt die hochwertige Qualität der Hardcoverausgabe.
Info
Autor: Sylvain Runberg
Zeichner: Grun
Verlag: Splitter
Sonstige Informationen: Produktseite
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Warpskala
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Story10/10
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Zeichenstil10/10
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Koloration10/10
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