Andromeda – Tödlicher Staub aus dem All beschäftigt sich mit einem beunruhigenden Szenario.

Spannung aus der Langsamkeit

Die Corona-Pandemie hat vielen Menschen auf der Welt eine der am weitesten verbreiteten Urängste unserer modernen Gesellschaft zurück ins Bewusstsein gebracht, nämlich die, dass scheinbar aus dem Nichts ein Krankheitserreger auftaucht, gegen den alle Errungenschaften der modernen Medizin wirkungslos sind. Das Corona-Virus konnte sich in unserer so eng vernetzten Welt innerhalb kürzester Zeit auf dem gesamten Erdball ausbreiten und kostete dadurch Millionen Menschen das Leben. Nicht auszudenken, was für apokalyptische Konsequenzen es hätte, würde sich ein noch viel tödlicheres Virus, vergleichbar etwa mit der Pest oder Ebola, wie ein Buschfeuer auf dem Planeten ausbreiten. Trotz all unserer Intelligenz und technischen Möglichkeiten könnten wir einem solch heimtückischen Feind aus dem Mikrokosmos womöglich schutzlos ausgeliefert sein. Denn wie uns die Pandemie auf so schmerzliche Weise gelehrt hat, kennt ein Virus keine Gnade. Es ist einzig daran interessiert, zu überleben, auch wenn es dabei seinen Wirt tötet.

Schon in der Vergangenheit kam es immer wieder vor, dass in den Medien die Nachricht vom Ausbruch einer Seuche in irgendeinem gottverlassenen Winkel der sogenannten Dritten Welt auftauchte und dadurch unserer Ängste vor einer solchen Katastrophe, die sich durch die Schließung von Grenzen nicht aufhalten lässt, aufs Neue wachrüttelte. Dem Durchschnittsbürger in der westlichen Welt bleibt dann nichts anderes übrig, als sich auf das Können und die Fachkompetenz der Spezialisten zu verlassen, die mit der Seuchenbekämpfung betraut sind. Wie uns die Corona-Pandemie aber leider ebenfalls lehrte, gibt es jedoch in weiten Teilen der Gesellschaft ein starkes Misstrauen gegenüber der Wissenschaft, zumindest wenn es um unsere Gesundheit geht. Vielen sind die Methoden der Fachleute, welche ihre ganze Erfahrung und Wissen dafür einsetzen, einen geeigneten Impfstoff zu finden, nicht geheuer, zumal sie sie einfach nicht verstehen.

Was wäre nun, wenn diese Experten es mit einem Erreger aus den Tiefen des Weltalls zu tun bekommen würden, der absolut nichts mit seinen auf der Erde bekannten Verwandten gemein hat, und dessen genauen Ursprung sie selbst nicht kennen?

Ein unsichtbarer Gegenspieler

Im Jahr 1971 beschrieb der spätere Star Trek – Der Film-Regisseur Robert Wise genau dieses beunruhigende Szenario. Sein Science-Fiction-Thriller Andromeda – Tödlicher Staub aus dem All, der auf einen Roman des berühmten Schriftstellers und studierten Mediziners Michael Crichton basiert, beginnt mit dem Absturz einer amerikanischen Raumsonde in der Nähe einer Kleinstadt in New Mexico. Kurze Zeit nach diesem Ereignis sind deren Einwohner alle tot, abgesehen von einem älteren Mann und einem wenige Monate alten Säugling. Die Regierung startet daraufhin ein Projekt mit den Codenamen Steppenbrand, in dessen Rahmen vier charakterlich sehr unterschiedliche Wissenschaftler in ein hermetisch von der Außenwelt abgeschirmtes Labor in der Wüste gebracht werden. In einem Wettlauf mit der Zeit versuchen sie, das unbekannte Virus, welches offenkundig mit der Sonde auf die Erde gelangt ist, zu verstehen und einen Weg zu finden, es zu neutralisieren.

Anders als Wolfgang Petersens knapp fünfundzwanzig Jahre später entstandener Virenthriller Outbreak – Lautlose Killer verzichtet Wise in seinem Streifen komplett auf Action und besticht stattdessen durch eine betont langsame und nüchterne Erzählweise, wie man sie heutzutage im Science-Fiction-Kino kaum noch zu sehen bekommt. Während der erste Star Trek Film viel für sein bedächtiges Tempo kritisiert wurde, trägt das völlige Fehlen jeglichen Tempos hier zur dokumentarischen Atmosphäre des Streifens bei. Auch vermeidet Wise jegliche Effekthascherei durch selbst-zweckhafte Actionszenen oder unpassende Sentimentalitäten. Vielmehr schildert der Film gänzlich unspektakulär, wie die Forscher sich in der ebenso sterilen wie klaustrophobischen Umgebung ihres unterirdischen Labors zunehmend verzweifelt darum bemühen, das Wesen des Erregers zu entschlüsseln.

Wise nimmt sich sehr viel Zeit, die grauenvollen Auswirkungen der im wahrsten Sinne des Wortes aus heiterem Himmel gekommen Krankheit zu zeigen und mit akribischer Genauigkeit zu beschreiben, wie umfassend die Maßnahmen sind, mit denen ein versehentlicher Ausbruch des Virus aus dem Labor unterbunden werden soll. Damit zeigt sich, dass der Film ein typisches Kind seiner Ära ist. Es ist entschleunigtes Kino aus einer Zeit, in der Spannung noch mit minimalsten filmischen Mitteln erzeugt wurde. Andromeda macht somit auf eindrucksvolle Weise deutlich, was für ein Könner der 2014 verstorbene Wise war, wenn es darum ging, den Zuschauer zu packen und gleichzeitig Angst zu machen, ohne ihn durch übertriebenen Horror zu verschrecken.

Gerade weil er über weite Strecken wie ein Dokumentarfilm daherkommt, wirkt sein Film auf den Zuschauer so furchteinflößend. Bereits in Crichtons Buch war es ein Anliegen des Autors, glaubwürdige Charaktere und auch in der Wirklichkeit existierende Technologien zu benutzen, um eine absolut realistische Geschichte zu erzählen. Auch Wises Adaption wird diesem Anspruch voll gerecht. Man merkt ihr in jeder Sekunde an, dass sie mit einem fundierten wissenschaftlichen Hintergrundwissen umgesetzt wurde.

Der Blick für das Wesentliche

Anderseits hatte Wise aber auch den Mut, nicht alles zu zeigen: So gibt es den Absturz der Sonde, welcher die Ereignisse überhaupt erst in Gang bringt, ebenso wenig zu sehen wie das Sterben der unglücklichen Bewohner der Kleinstadt an der mysteriösen Krankheit. Diese und auch andere vermeintlich wichtige Handlungselemente werden nur angedeutet. Während die Geschehnisse in Star Trek in langen, pseudo-wissenschaftlichen Dialogen zu Tode erklärt werden und es zwar prachtvolle, aber dramaturgisch völlig irrelevante Kamerafahrten gibt, ist Andromeda ein Musterbeispiel für filmische Reduktion, da er sich nur auf das Wesentliche fokussiert und dabei eine Konsequenz an den Tag legt, die im heutigen Kino selten geworden ist.

Dies hat freilich den Nachteil, dass der Film dem modernen Zuschauer streckenweise vielleicht etwas langatmig erscheint. Wir sind es heute einfach nicht mehr gewöhnt, einen Film mit langen Einstellungen, praktisch ohne Musik und einer nicht mit der Geschwindigkeit eines Musikvideos dahin rasenden Handlung zu sehen. Dem fast schon wahnhaften Zwang, den Zuschauer innerhalb kürzester Zeit mit möglichst vielen Informationen zu bombardieren, die für das Verständnis der Geschichte nötig sind, erteilt Andromeda eine radikale Absage. Und gerade daraus bezieht der Streifen seinen Reiz.

Wer bereit ist, sich auf einen Wissenschaftsthriller einzulassen, der im besten Sinne altmodisch ist und sich bewusst die Zeit nimmt, seine Dramatik gerade durch völlige Sachlichkeit zu erzeugen, und in dem Wissenschaftler mal nicht als Bösewichter gezeigt werden, die ihr Fachwissen missbrauchen, um damit Schaden anzurichten, dem wird diesen Klassiker des Science-Fiction-Kinos der Siebziger bestimmt in seinem Bann ziehen. Und wer weiß, im besten Fall wird der ein oder andere aufgeschlossene Zuschauer nach Betrachten dieses Films ja sogar dazu bereit sein, seine eigenen Vorurteile gegenüber den Wissenschaften zu hinterfragen. Denn in Wahrheit sind es eben jene hochqualifizierten Forscher, denen wir es zu verdanken haben, dass viele Infektionskrankheiten, die früher den sicheren Tot bedeutet hätten, ihren Schrecken verloren haben, und die es daher sicher nicht verdient haben, von selbsternannten Querdenkern als verantwortungslose Scharlatane diffamiert zu werden …

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Sven Wedekin

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