Der 1998er Godzilla-Film ist heutzutage legendär, wenn auch nicht gerade aus guten Gründen.
Godzilla goes West
Godzilla und Amerika, das hatte Geschichte. Viele Filme der Reihe, vor allem jene aus der Showa-Ära, wurden teilweise extrem umgeschnitten, erhielten neue Szenen oder eine neue Synchro. Das war bereits beim allerersten Godzilla-Film der Fall, der unter dem Titel Godzilla: King of the Monsters! 1956 in die amerikanischen Kinos kam.
Und trotz aller Unterschiede wurde die Riesenechse auch in den Vereinigten Staaten populär. So widmete ihm die Rockband Blue Öyster Cult einen eigenen Song, der ebenso wie das Monster selbst heutzutage Kultstatus genießt.
Dennoch dauerte es ein Weilchen, bis in den USA jemand den Entschluss fasste, selber einen Godzilla-Film zu drehen. Dieser jemand war Henry G. Saperstein. Er war kein Unbekannter, was Adaptionen von den Filmabenteuern der Riesenechse für den amerikanischen Markt anging, da er durch sein Studio UPA bereits viele Kinofilme der Riesenechse in die USA gebracht hatte. Er hatte schon lange mit dem Gedanken gespielt, einen amerikanischen Film mit dem Monster zu drehen. Es brauchte allerdings etwas, bis Rechteinhaber Toho ihm die Erlaubnis gab. Und noch länger, bis er einen geeigneten Partner fand, der die Finanzierung übernahm.
Der richtige Tipp
Viele Hollywoodstudios lehnten es nämlich ab, einen solchen Film zu finanzieren. Bis Saperstein auf Anraten seiner Frau sich direkt mit Peter Guber, dem damaligen CEO von Sony Pictures, traf und ihm seine Idee vortrug. Der war auch sofort Feuer und Flamme und beauftragte die Produktionsfirma TriStar Pictures mit der Verhandlung bezüglich der Filmrechte. Das Studio wurde mit Toho dann schon bald handelseinig und erhielt umfangreiche Befugnisse, was man nutzen durfte und was nicht. Gleichzeitig bestanden die Godzilla-Eigentümer aber auch darauf, wie man ihre Filmfigur darstellen sollte.
1992 fingen die Produktionsarbeiten dann endlich offiziell an. Es wurde angekündigt, dass man plante, eine Trilogie an Filmen zu produzieren, und erhielt dafür jede Menge moralische Unterstützung von japanischen Filmemachern. Selbst Ishiro Honda, der bei den meisten Godzilla-Abenteuern Regie geführt hatte, meinte, dass der Film vermutlich wesentlich interessanter werden dürfte, als diejenigen, die damals aktuell in Japan produziert wurden.
Im Mai 1993 wurden die Drehbuchautoren Ted Elliot und Terry Rossio angeheuert, das Skript zu schreiben. Wobei allerdings ursprünglich mehrere Anläufe gebraucht wurden, um sie zu davon zu überzeugen. Doch als sie schließlich überzeugt waren, waren sie Feuer und Flamme.
Was ist Godzilla?
Dabei hatten sie für ihr Drehbuch mehrere interessante Ideen. Ihre Geschichte hätte beispielsweise Anleihen an Herbert Melvilles Moby Dick gehabt und ihr Godzilla wäre kein Held, aber ebenso kein Schurke gewesen. Stattdessen sollte er ein Monster sein, wenn auch eins auf der Seite der Engel, des Guten. Ihre Einfälle fanden großen Anklang, sowohl bei TriStar wie ebenfalls bei Toho.
1994 wurde der niederländische Regisseur Jan de Bont (Speed) engagiert und als Releasetermin wurde Sommer 1996 anvisiert. De Bont machte einige Veränderungen am Drehbuch, ehe er das Projekt 1995 wieder verließ. Und während ein neuer Filmemacher gesucht wurde, wurde Don MacPherson angeheuert, um das Skript von Godzilla zu überarbeiten.
Der Grund hierfür war, dass TriStar Pictures sich Sorgen ums Budget machte. Denn das war auf 120 Millionen Dollar angesetzt, bzw. später sogar auf 200 Millionen Dollar. Grund dafür war unter anderem die Tatsache, dass Jan deBont darauf bestand, rein digitale Effekte zu nutzen, was damals natürlich einiges an Geld kostete. Geld, bei dem das Studio Bauchschmerzen hatte, so viel auszugeben.
Freie Hand für den Star-Regisseur
MacPherson las sich das Drehbuch von Elliot und Rossio durch und fand, dass es in vielen Bereichen zu wünschen übrig ließ. So war die Charakterentwicklung verbesserungsdürftig und es gab mehrere Szenen, die nichts zur Storyentwicklung beitrugen. Zwar versuchte er, die seiner Meinung nach Höhepunkte des ursprünglichen Skripts beizubehalten. Aber im Prinzip war das Ergebnis seiner Arbeit schon fast ein komplett neues Drehbuch.
Der originale Releasetermin Sommer 1996 ließ sich nicht mehr halten und die Suche nach einem Regisseur dauerte an. Bis schließlich die Wahl auf Roland Emmerich fiel, der damals kurz vor dem Release seines Blockbusters Independence Day stand. Er und sein Produzent Dean Devlin unterschrieben mit etwas Verzögerung den Vertrag, allerdings nur unter der Bedingung, dass sie freie Hand bei dem Projekt haben sollten.
Und das sollte sich am Ende ziemlich rächen. Denn wie Roland Emmerich später freimütig gestand, war er kein Fan der alten Godzilla-Filme und dass er lieber Hercules oder richtig schlechte Italo-Western mochte. Dementsprechend fand er zwar das Skript in Ordnung, schmiss es aber trotzdem vollständig über Bord, weil er etwas eigenes machen wollte. Und deshalb wurde auch das Aussehen von Godzilla komplett überarbeitet. Hatte er in früheren Konzeptzeichnungen noch Ähnlichkeit mit der berühmten Riesenechse, sah er bei Roland Emmerich anders als gewohnt aus. Für ihn und Devlin war ihr Titelcharakter kein Monster, sondern ein groß geratenes Tier, das die Fähigkeit hatte, sich schnell in der Erde einzugraben. Auch wollten sie auf den berühmten Feuerodem verzichten, was allerdings in der weltweiten Fangemeinde ein Riesenaufschrei auslöste, so dass sie eine Art Kompromiss einbauten.
Gedreht wurde Godzilla unter erheblichen Zeitdruck, denn er sollte 1998 zum Memorial Day in die Kinos kommen. Deshalb wurde auch auf Testvorführungen verzichtet, was eine Entscheidung war, die Roland Emmerich später bereuen sollte.
Als Hauptdarsteller wurden Matthew Broderick (Ferris macht blau) und Jean Reno (The Big Blue) gecastet. Die weibliche Hauptrolle übernahm Maria Pitillo, derweil der Comedian Hank Azaria zum Kameramann Victor „Animal“ Pallotti wurde. Weitere prominente Nebendarsteller waren Kevin Dunn als Colonel Hicks und Michael Lerner als Bürgermeister Ebert. Harry Shearer übernahm den Part des Reporters Charles Caiman, Arabella Field wurde zu Lucy Palotti und Vicky Lewis zur Wissenschaftlerin Dr. Lewis Chapman.
Wer ist Schuld? Na, die Franzosen!
Das Nest eines grünen Leguans wird durch einen Atomwaffentest auf Französisch Polynesien bestrahlt. Eine dieser Echsen wächst dadurch auf Riesengröße an und nimmt Kurs auf New York. Es hinterlässt eine Spur der Verwüstung und sucht schon bald die Stadt heim.
Der Nuklearwissenschaftler Dr. Niko „Nick“ Tatopoulos (Matthew Broderick) wird vom US State Department herangezogen, die Angelegenheit zu untersuchen. Derweil versuchen die Franzosen mit ihrem Agenten Philippe Roaché (Jean Reno) zu vertuschen, dass das Riesenvieh durch ihr Verschulden entstanden ist. Und die angehende Journalistin Audrey Timmonds, eine ehemalige Freundin von Tatopoulos, will ihre Beziehung dazu nutzen, um Karriere zu machen. Doch der Riesenleguan, welcher Godzilla getauft wird, sorgt dafür, dass all ihre Pläne anders verlaufen, als gedacht.
Die Größe ist von Bedeutung
Ich erinnere mich noch gut daran, als der Film 1998 in die Kinos kam. Die Werbekampagne mit dem Spruch Size Matters ist mir dabei in guter Erinnerung geblieben. Und damals kannte ich die früheren Godzilla-Kinofilme allerhöchstens vom Hörensagen her. Also allerbeste Voraussetzungen, um diesen Film zu „genießen“.
Tatsächlich wurde ich damals gut unterhalten, auch wenn mir natürlich erhebliche Mängel aufgefallen waren. Aber zu jener Zeit war ich eben noch jung und mein kritischer Blick längst nicht so geschärft, wie er heute ist. Ich hatte meinen Spaß, das war die Hauptsache.
Wie sich Eindrücke verändern können
Ein paar Jahre später sah ich dann Godzilla im Fernsehen wieder und meine Meinung änderte sich ein wenig. Mir fielen immer mehr Mängel auf, doch auch damals wurde ich noch gut unterhalten. Solange ich nur das Gehirn ausschaltete, war alles in Ordnung.
Jetzt sind wieder viele Jahre vergangen. Und seit damals habe ich angefangen, die alten Godzilla-Filme anzugucken. Es war eine Achterbahnfahrt der Gefühle. Es gab Klassiker, es gab aber ebenso Flops. Und auch, wenn ich von vielen Entscheidungen Tohos, wie beispielsweise der jährlichen Produktion der frühen Kinofilme, nichts halte, so bin ich doch ein Fan der alten Kinofilme geworden.
Mit diesem Wissen im Hinterkopf habe ich mir erneut Godzilla angeguckt. Und ich muss sagen, dass mein Eindruck im Vergleich zum ersten Kinogang sich komplett gewandelt hat. Dieser Kinofilm ist grauenhaft, mit nur wenigen Elementen, die ihn am Ende vor einer Niedrigsbewertung retten.
Wer ist cool? Na, der Franzose!
Eine der wenigen positiven Aspekte des Films ist Jean Reno. Der Franzose ist so etwas wie ein Lichtschein im Dunkeln. Er spielt seine Rolle als französischer Agent, der sich als Versicherungsvertreter ausgibt, grandios und auf eine coole Art und Weise. Er bleibt die ganze Zeit stoisch und ernst, aber auf eine Art, die gleichzeitig ironisch wirkt. So als ob ihm bewusst ist, in was für einem Schrott er mitwirkt. Er hat stets einen coolen Spruch auf den Lippen und spielt damit alle anderen Figuren völlig an die Wand.
Auch der Soundtrack ist cool. Er hatte jede Menge großartige Musik, von damals namenhaften Künstlern wie Jamiroquai. Wobei natürlich Höhepunkt der Titelsong „Come with Me“ von Sean Combs und Jimmy Page war.
Womit die positiven Aspekte durch sind. Der Rest ist, man ahnt es schon, negativ.
Wen schert schon die Logik?
Es rächt sich meiner Meinung nach komplett, dass Roland Emmerich sich nicht mit der Vorlage beschäftigt hat, sondern völlig sein eigenes Ding gemacht hat. Dass er keinen Respekt vor dem Original beweist, sondern einen Film gedreht hat, der vor Logiklöchern nur so strotzt. Klar, das war auch bei seinem Klassiker Independence Day so. Doch das wurde durch die exzellente Schauspielerriege und die Action aufgefangen. Was hier einfach nicht der Fall ist.
Bis auf Jean Reno bleiben alle Schauspieler blass und kommen in ihrer Darstellung nicht über das Mindestmaß an Charakterentwicklung hinaus. Es sind holzschnittartige Charaktere, die brav ihre Funktion ausüben. Aber ihnen mangelt es erheblich an Charisma und Chemie.
Das macht sich besonders bei Matthew Broderick und Maria Pitillo bemerkbar. Dafür, dass beide ursprünglich ein Paar waren, wirkt ihr Wiedersehen und gemeinsamer Umgang danach merkwürdig gehemmt und nicht sehr überzeugend. Was vielleicht daran liegt, dass der Funke zwischen ihnen nicht überspringt. Sie interagieren miteinander, sagen ihre Textzeilen auf, mehr aber auch nicht.
Logiklöcher so groß wie Titelfigur
Was ebenso für die anderen Charaktere gilt. Bürgermeister Ebert, dargestellt von Michael Lerner, soll als Comedy Relief dienen. Doch die Gags, die um ihn aufgebaut werden, fallen müde und lahm aus. Ebenso bei Reporter Charles Caiman, dessen Charakterentwicklung, oder Mangel daran, sehr vorhersagbar ist.
Kommen wir zur Titelfigur selbst. Sie ist Quelle und Ursache der meisten Logiklöcher in Godzilla. So will der Film einem ernsthaft verkaufen, dass das Vieh, dass ja riesengroß ist, einfach so ungesehen durch New York laufen kann, derweil es jede Menge Zerstörung verursacht, ohne gesehen zu werden? Sind denn alle Charaktere blind? In einer bevölkerungsreichen Stadt, wie es eben New York ist, müsste es doch mehr als ausreichend Personen geben, die das Vieh sehen und entsprechend agieren!
Auch scheint die Größe der Echse sehr variabel zu sein. Mal ist sie riesengroß, so groß, dass sie problemlos ganze Wolkenkratzer erklimmen kann. Dann ist das Monster geschrumpft, gerade groß genug, um einen Fischhaufen zu essen, der, wenn man von der ursprünglichen Körpergröße ausgeht, eigentlich zu klein für es ist. Mal ganz abgesehen davon, dass der ewige Regen, der um diesen Godzilla herum existiert, nie wirklich erklärt wird.
Kein Bekenntnis zu den Wurzeln
Was mich jedoch als Godzilla-Fan am meisten stört, ist die Tatsache, dass der Film sich an keiner Stelle zu seinen Wurzeln bekennt. Stattdessen wird der Feuerodem des echten Godzillas an einer Stelle nur schamhaft angedeutet und ansonsten nie wirklich eingesetzt.
Und die Special Effects? Man muss wissen, dass die Figur größtenteils am Computer entstanden ist. Praktische Effekte gab es nur eine Handvoll. Weshalb vermutlich aus gutem Grund das Wesen nie in vollem Licht gezeigt wurde, weil dann auffallen würde, wie schlecht die Effekte gealtert sind. Leider gilt das nicht für dessen Kinder, die am Ende auftauchen und im Vergleich zu Jurassic Park wie billige Mini-T-Rexe aussehen.
Der Film war zwar ein Erfolg, er spielte bei einem Budget von maximal 150 Millionen US Dollar 379 Millionen ein, doch das war nicht genug, um eine Fortsetzung zu produzieren. Weshalb sich auch Toho entschloss, wesentlich früher selber wieder anzufangen, Godzilla-Filme zu drehen. Die dann qualitativ hoffentlich besser ausfallen, als der US-Godzilla, der übrigens in kommenden Produktionen des Studios durch die Mangel gedreht wird. Es sollte noch lange dauern, bis sich wieder ein amerikanisches Studio an diese Riesenechse wagen sollte. Dieses Mal mit mehr Erfolg…
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Warpskala
WarpskalaPositiv
- Jean Reno
- Der Soundtrack
Negativ
- Jede Menge Logiklöcher
- Charaktere ohne Profil
- Miese Special Effects
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