Logik unter Beschuss – Vulkan steht in Flammen
Mit Zeit des Erwachens (Originaltitel: Awakening) erreicht die Vulkan-Trilogie in der vierten Staffel von Enterprise ihren emotionalen und politischen Siedepunkt. Die Folge ist kein lauter Kracher mit Warp-Gefechten oder Explosionen – sie ist eine sorgfältig gearbeitete Charakter- und Kulturstudie, ein interner Bürgerkrieg mit leisen Tönen, aber gewaltiger Bedeutung.
Hier wird nicht nur der Geist von Surak entfesselt – hier bricht ein jahrhundertealtes Fundament vulkanischer Gesellschaft auseinander. Und das in bester Star-Trek-Tradition: mit Debatten, Ethik, Charakterentwicklung und einem Hauch Mystik.
Staub, Zweifel, Surak
Nach den Ereignissen von Der Anschlag schlagen sich Archer und T’Pol weiter durch die gefährliche Wüste Vulcans, wo sie auf die echten Syranniten treffen. Darunter eine zentrale Figur: T’Pau – ja, genau die spätere Priesterin aus TOS, hier in ihrer jüngeren Form dargestellt von Kara Zediker. Ein astreines Easter Egg für Fans von Weltraumfieber.
T’Pau ist charismatisch, überzeugt – und ein Symbol dafür, wie eine friedliche Reformation aussehen kann. Kein religiöser Fanatismus, sondern eine Rückbesinnung auf vulkanische Ursprünge. Besonders spannend: Sie erkennt in Archer das „Gefäß“ für Suraks Katra, also quasi die Backup-Seele des großen Lehrmeisters. Der gute Jonathan hat plötzlich einen Philosophen im Kopf – Trek goes Zen.
Parallel erfahren wir mehr über T’Pols Mutter T’Les (Joanna Cassidy), die sich ebenfalls den Syranniten angeschlossen hat. Ihre Beziehung zu T’Pol wird hier feinfühlig weiterentwickelt – emotionale Entfremdung trifft auf den Wunsch nach Versöhnung.
Trivia: Die vulkanische Schrift auf den Wänden der syrannitischen Zuflucht basiert auf echten linguistischen Entwürfen aus der Star Trek-Sprachentwicklung – einige Wörter lassen sich bis auf Star Trek: The Motion Picture zurückverfolgen.
V’Las und der Schatten der Romulaner
Währenddessen zieht Administrator V’Las weiter seine Strippen. Der Kerl – gespielt mit kalter Präzision von Robert Foxworth – plant nichts Geringeres als einen Angriff auf Andoria, unter dem Vorwand, dass dort Terroristen Unterschlupf finden. Klassisches False-Flag-Manöver, in bester Orwell’scher Manier. Und ein subtiler Hinweis auf spätere Entwicklungen im Star Trek-Kosmos, besonders die schwierige Vulkan-Andoria-Beziehung.
Kleine Referenz am Rande: Die Andorianer unter Shran kommen zwar in dieser Folge noch nicht vor, aber der Aufbau ihrer Rolle für das große Finale der Trilogie ist hier bereits spürbar.
Die Essenz von Star Trek
Diese Episode ist eine Liebeserklärung an alles, was Star Trek groß macht: Fragen nach Wahrheit, nach Identität, nach dem Mut zur Veränderung. Archer, der sich sonst auf Phasenpistolen und Diplomatie verlässt, muss hier zum spirituellen Mittler werden. Und er meistert es überraschend gut – Scott Bakula spielt den „unfreiwilligen Propheten“ mit Bodenhaftung und spürbarer innerer Unruhe.
Die vulkanische Gesellschaft wird als das gezeigt, was sie in all den Serien zuvor selten war: eine Kultur im Umbruch, innerlich zerrissen, voller Angst vor sich selbst.
Fazit
Zeit des Erwachens ist nicht laut, aber gewaltig. Eine Folge voller Bedeutung, subtiler Kritik und kultureller Tiefe. Wenn Star Trek zur Meditation über Identität wird, dann sieht das genau so aus.