In Tale City von Zuzanna Zalewski kämpft ein Berater gegen seinen Schweinehund und will seine Exfrau und seine Tochter zurückgewinnen.

Handlung

Edward Rooker ist Berater in der Agentur “Hire a Hero”. Zu ihm kommen Superhelden mit allerlei Problemen, die er sich anhören und lösen soll. Dabei hat er selbst mit diversen Problemen zu tun. Seine Ehe ist zerbrochen, Frau und Tochter haben ihn verlassen, sein Leben frustriert ihn und er neigt dazu, seine Sorgen in Alkohol zu ertränken. Schuld an allem ist sein Fleisch gewordener Schweinehund, der ihm auf Schritt und Tritt folgt, egal wohin er geht.

Während Rooker versucht, seinen Schweineköter loszuwerden, um seine Ex zurückzugewinnen, verschwindet seine Tochter Tula, nachdem er eine Verabredung mit ihr vergessen hat. Tulas Schicksal ist eng verflochten mit dem bereits früher verschwundener Kinder. Rooker begibt sich auf die Suche nach ihr und wird dabei unterstützt von Freunden und Superhelden.

Rezension

Tale City ist eine ungewöhnliche Geschichte. Jeder kennt natürlich Superhelden. Personen mit fantastischen Fähigkeiten, die fliegen, sich gummiartig verbiegen, unfassbar stark sind oder mit ihrem Blick alles durchschauen. Superhelden gehören fast schon zum Alltag, auch oder gerade in Tale City. An dieser Stelle muss ich einmal die Namen und Fähigkeiten der Superhelden anerkennend erwähnen. Spiralman, ein Typ mit Elvistolle, der sich in einen Tornado verwandelt, das quietschebunte Fräulein Fantastic Plastic oder Lady Kaboom, welche mit Dynamit um sich wirft. Herrlich ist sie, diese Fülle an irren Typen, Erscheinungsbildern und speziellem Können, welche das Superheldenthema offenbar ein wenig auf die Schippe nimmt.

Die Stadt selbst erscheint sehr plastisch. Die Menge an Superhelden, die sich mit Sicherheit gegenseitig auf den Füßen herumstehen und doch ordentlich zu tun haben, bevölkern eine Großstadt, welche latent gefährlich zu sein scheint. Es verschwinden Kinder, Frauen fühlen sich im Dunkeln unwohl. Alles zusammen ergibt vor meinem inneren Auge eine Art düsteres New York.

Es stehen nicht die Superhelden im Fokus, sondern Edward Rooker. Und… D-I-S-H. Rookers Schweineköter, eine Begleitung, auf die man liebend gern verzichten würde.

Rooker

Rooker ist single, Vater einer Teenager-Tochter und mehr- oder mindermittelmäßig erfolgreicher Berater bei einer Agentur für Superhelden. Er lebt bescheiden und arbeitet mehr schlecht als recht, was seinen Partner dazu bringt, ihm nahezulegen, die Partnerschaft und somit die gemeinsame Praxis aufzugeben. Rookers langsame Verwahrlosung und wachsende Motivationslosigkeit sind regelrecht greifbar. Beim Lesen kam es mir vor, als würden sogar die Buchstaben aufseufzen, besonders, wenn Rooker versucht, seine Exfrau zurückzugewinnen. Ich weiß nicht, wie Zuza Zalewska es geschafft hat, dessen Stimmung so deutlich fühlbar in die Sätze einzuflechten, aber ich bin fasziniert. Später ist es Rookers Verzweiflung über Tulas Verschwinden, welche einen regelrecht aus der Geschichte anschreit. Die Autorin hat ein Händchen für Stimmungen. Sie macht sie sehr deutlich, findet dazu die passenden Worte, ohne zu übertreiben und flechtet sie in den sonst eher schnodderigen Sprachstil gekonnt ein.

D-I-S-H

Obendrein kämpft Rooker mit seinem Schweinehund, einem grässlichen Vieh, geboren aus Rookers persönlichen menschlichen Abgründen und seinem gut verborgenen dunklen Geheimnis, von dem nicht einmal seine (Ex-)Frau etwas geahnt hat. D-I-S-H, wunderbar scheußlich von Zalewska beschrieben, bringt Rookers Leben komplett durcheinander. Richtig genial ist das Überraschungsmoment, dass D-I-S-H für andere sichtbar ist und ein hausgemachtes Problem: Es ist der eigentliche innere Schweinehund, der hier als exorbitant widerwärtiger, stinkender Schweineköter Rookers in sich verborgene schlechten Eigenschaften und Gedanken deutlich werden lässt. Sehr deutlich, denn jeder hört und sieht ihn. D-I-S-H ist auch einer der Gründe für die Trennung des Ehepaars. Mit diesem Viech hat Zuza Zalewska eine Figur geschaffen, welche abstoßend, faszinierend und nachdenklich machend zugleich ist, denn… Hat nicht jede/r von uns einen Schweineköter in sich, der mal mehr, mal weniger stark die Herrschaft übernimmt?

Änderungen

Plötzlich verschwindet Tula, Edwards Tochter, mit der er eigentlich verabredet war, was er völlig vergessen hat. Hier beginnt Rookers langsame Veränderung: Er muss Verantwortung auf sich nehmen, seine Schuld anerkennen und seine Tochter wieder finden.

An der Stelle wandelt sich auch das Buch langsam. Kam Tale City mir zu Beginn noch vor wie ein verschriftlichter Comic, so schlägt es irgendwann regelrecht um und wird düsterer und ernster. Anfangs waren noch Rookers Lustlosigkeit, Gleichgültigkeit und Resignation spürbar, worauf dann Unruhe und schließlich nackte Angst um Tula folgten. Schließlich muss Rooker über seinen Schatten springen und aus seiner Blase herauskommen. Glücklicherweise ist er nicht allein, auch wenn seine Ex schlecht auf ihn zu sprechen ist und das Vertrauen in ihn verloren hat. Ihm stehen Freunde zur Seite und gehen mit ihm und für ihn nicht unerhebliche Risiken ein.

Auch sein Geheimnis offenbart Rooker am Ende, indem er sich, angespornt von seinem eigenen Schweineköter, überwindet und die Erlebnisse aus seiner Kindheit ausspricht. Dies ist eine der Stellen des Romans, bei der ich einen “Woah, das hätte ich jetzt nicht erwartet!”-Effekt erlebt habe, genau wie bei der Offenbarung von Tulas besonderen Fähigkeiten.

An sich ist Tale City ein Feuerwerk an Überraschungsmomenten, die ich auf keinen Fall alle aufzählen möchte, um nicht alles zu spoilern.

Stil

Ich gebe zu, ich war überrascht. Ich bin kein Fan von Erzählungen aus der Ich-Perspektive. Das ist persönlicher Geschmack. Hier hat es mich jedoch kein bisschen gestört, dass Rooker die Rolle des Erzählers inne hat. Es passt zur Geschichte und den Charakteren. Die Geschehnisse wirken plastischer als bei einer Erzählung aus Sicht des Beobachters. Es ist Rookers Geschichte aus seinem ganz persönlichen Blickwinkel. Gerade in Hinsicht auf sein berufliches Versagen, den Schweinehund und seine familiären Probleme hat diese Erzählart einen positiven Einfluss auf die Glaubwürdigkeit, sofern man diesen Begriff bei einer fiktiven Story überhaupt nutzen kann.

Auch der Schreibstil selbst, so hingerotzt manche Dinge klingen, passt vorzüglich zur Geschichte. Da tauchen auch schon einmal ordentliche Kraftausdrücke auf. Dadurch hebt sich Tale City noch einmal deutlich ab von der Masse an Romanen. Dieser hinreißend unkonventionelle Stil macht einfach Spaß.

Fazit

Tale City ist ein Leseerlebnis, welches man nicht alle Tage hat: ein Plot um den verlodderten Berater, der mit scheinbar alltäglichen Problemen zu kämpfen hat, seine Klientel aus Superhelden, welche ihrerseits ihre Schwierigkeiten haben, die verschwundenen Kinder, garniert mit einem personifizierten, aufdringlichen Schweinehund und gekrönt mit einer Wende nach der anderen und einem Finale, das mich sprachlos zurück gelassen hat.

Tale City

Autor: Zuzanna Zalewska
Format: eBook
Produktseite


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