In Der Gottkaiser des Wüstenplaneten verlässt Frank Herbert eine gewohnte Zeit.

Der Gottkaiser des Wüstenplaneten
Cover © Heyne Verlag

Auf in unbekannte Gefilde

Seit über 3.500 Jahren herrscht nun schon Leto II. über die bekannte Galaxie. Der Sohn von Paul „Mua’dib“ Atreides hat dabei jegliche Ähnlichkeit mit einem Menschen verloren. Äußerlich ist er zu einem Sandwurm mit menschlichen Armen und einem menschlichen Gesicht geworden. Innerlich ist er zu einem Wesen geworden, dass die Menschen nur als Bausteine seines goldenen Pfads sieht und sie dementsprechend manipuliert und beherrscht.

Doch selbst ein solch übermächtiges Wesen braucht Vertraute. Und so lässt er seit Jahrtausenden immer wieder Duncan Idaho klonen, wohlwissend, dass diese Klone immer früher oder später gegen ihn rebellieren und er sie dann umbringen muss. Dieses Mal möchte er den neusten Klon mit der Nachfahrin seiner Schwester Ghanima, Siona, paaren. Obwohl Letztere gegen ihn rebelliert und seinen Tod plant. Wobei sie nicht die Einzige ist, die an seinem vorzeitigen Ableben arbeitet. Doch kann man einen Gott überhaupt töten?

Mit Der Gottkaiser des Wüstenplaneten verlässt Frank Herbert gewohnte Gefilde. Indem er die Handlung 3.500 Jahre nach den Ereignissen von Die Kinder des Wüstenplaneten stattfinden lässt, erschafft er eine unglaubliche zeitliche Distanz. Zum ersten Mal hat man einen Roman vor sich, in dem die direkten Freunde und Verwandten von Paul Atreides keine Rolle mehr spielen. Zwar ist Leto II. der Sohn des Protagonisten von Der Wüstenplanet, doch hat er sich so sehr verändert, dass er im Prinzip fast eine komplett neue Person ist.

Ein schier unvorstellbares Wesen

Man hat es hier mit einem Wesen zu tun, das die Vorstellungen des Lesers schier sprengt. Wobei die Mischung aus Sandwurm und Mensch sich nicht nur aufs Äußere beschränkt, sondern ebenso innerlich ist. So erfährt man, dass sich das Gehirn von Leto schon vor Urzeiten aufgelöst hat und er sozusagen mit vielen Nervenzentren im Körper denkt. Was eine Idee ist, die beim Lesen Unbehagen auslöst, wie so vieles andres auch, was man über den titelgebenden Gottkaiser mitkriegt.

Frank Herbert beschreibt dabei einen Leto, der langfristig denkt, der scheinbar allen menschlichen Gelüsten abgeschworen hat und der mit eiserner Faust über das Imperium regiert. Es herrscht Frieden, aber es ist ein Frieden, der durch den Verlust von Freiheit entstanden ist. Er kontrolliert das Gewürz und verteilt gerade genug, dass nicht alles völlig zusammenbricht. Und doch, so liest man es in Der Gottkaiser des Wüstenplaneten, ist dies nicht ausreichend, um beispielsweise die interstellare Raumfahrt aufrechtzuerhalten.

Leto ist ein Wesen, das die Zukunft sehen kann und entsprechend handelt. Das eigentlich nicht lieben kann. Und das sich dann ausgerechnet in eine Frau verliebt, die bewusst so geschaffen worden ist, dass er an ihr Wohlgefallen findet. Die für ihn einen blinden Fleck darstellt. Und für die er trotzdem alles über den Haufen wirft, was er in all den Jahren zuvor erschaffen hat, inklusive einiger Traditionen.

Antagonisten, die unter anderen Umständen Protagonisten wären

Es ist diese Widersprüchlichkeit, die Leto in Der Gottkaiser des Wüstenplaneten zu einer interessanten Figur macht. Ihm geht das Tragische seines Vaters ab, stattdessen ist er eine Art Monstrum. Er neigt zu Wutausbrüchen und gibt sich gleichzeitig über den Dingen schwebend. Er ist ein Charakter, dem man so nicht näher kommt.

Wohl aus diesem Grund hat Frank Herbert dann auch die Tagebücher eingebaut, aus denen zu Beginn eines jeden Kapitels immer wieder zitiert wird. Sie erhellen für den Leser die Figur von Leto, bauen sie aus und bringen einem seine Gedankengänge näher. Auch wenn man als Durchschnittsleser dann noch immer manchmal Probleme hat, denen zu folgen.

Hinzu kommt dann auch noch, dass die Antagonisten von Der Gottkaiser des Wüstenplaneten Figuren sind, deren Motivationen man nachvollziehen kann und die unter anderen Umständen vielleicht Helden wären. Siona hasst ihren unsterblichen Vorfahren, weil er indirekt für den Tod ihrer Freunde gesorgt hat und weil er sie und ihren Vater wie Spielfiguren nutzt. Duncan Idaho hingegen wird in eine Welt wiedergeboren, die für ihn komplett fremdartig ist. Arrakis ist mittlerweile ein grüner Planet geworden und die Wüste mit den Sandwürmern ist nur noch in kleinen Reservaten vorhanden. Die Fremen sind ein Abklatsch ihres früheren Selbst und kein Vergleich mehr zu dem stolzen Wüstenvolk, die sie zu Idahos ersten Lebenszeiten waren. Und vor allem mit den Fischsprecherinnen, der persönlichen Leibgarde Letos, hat der frühere Kampfgefährte Paul Atreides’ Schwierigkeiten.

Ein sehr geistiges Buch

Wer jetzt aber erwartet, dass man hier einen Roman liest, der wie beim ersten Teil von einem heroischen Widerstandskampf handelt, der wird enttäuscht sein. Stattdessen ist dies ein schon fast philosophisches Buch, bei dem viel innegehalten und geredet wird. Es sind geistige Gespräche, die sich mit ebensolchen intellektuellen Themen beschäftigen. Dennoch sind sie interessant und nachvollziehbar geschrieben, sodass man sie selbst als Durchschnittsleser verstehen kann.

Am Ende zeigt sich, dass Leto wirklich für alles geplant hat. Dass er in dem Moment seines größten Scheiterns gleichzeitig auch seinen größten Triumph erreicht hat. Wenn man dann als Leser so weit gekommen ist, wird man geplättet sein.

Denn mit Der Gottkaiser des Wüstenplaneten hat Frank Herbert einmal mehr bewiesen, wie vielfältig seine Romanserie ist. Dieses Buch lässt sich von der Handlungsweise nicht mit den ersten drei Bänden vergleichen. Es ist etwas anderes, etwas Fremdes und doch auch Faszinierendes. Und am Ende fragt man sich, was jetzt noch kommen soll, jetzt wo am Ende eine Zukunft angedeutet wird, in der die Protagonisten der ersten drei Teile der Romanreihe keine Rolle mehr spielen werden. Es wird spannend werden.

Womit dies ein weiteres großartiges Werk ist.

 

Autor: Frank Herbert
Titel: Der Gottkaiser des Wüstenplaneten
Originaltitel: God Emperor of Dune
Übersetzer: Jakob Schmidt
Verlag: Heyne
Erschienen: 12/2021
Einband: Klappenbroschur
ISBN: 978-3-453-32044-4
Sonstige Informationen:
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