Dieser Kurzgeschichtenband von Stefan Wogawa verspricht Verrückte Geschichten über Außerirdische, Roboter und Aliens. Ein Untertitel, den man ernst nehmen sollte.
Das Buch Ein Alien kommt selten allein ist in drei Kapitel mit je drei Kurzgeschichten unterteilt. Den Anfang macht das Thema Außerirdische mit der titelgebenden Geschichte. Diese dreht sich um den unfreiwilligen Diplomaten Mr. Smyth, der aus der Ich-Erzählerperspektive beschreibt, wie er aus Versehen eine intergalaktische Konferenz ruiniert. Er erzeugt einen Eklat nach dem anderen und tritt in wirklich jedes denkbare Fettnäpfchen. Einmal setzt er sich auf ein Sofa, welches in Wahrheit ein Alien ist, ein anderes Mal kippt er einen Drink mit vermeintlichen Eiswürfeln herunter, der sich als Brut eines weiteren Außerirdischen herausstellt.
Zwar erklärt sich die Unerfahrenheit des Protagonisten am Ende damit, dass ein defekter Supercomputer ihn zum Diplomaten erklärt hat, dennoch ist es schon sehr merkwürdig, dass er vor der Mission nicht gebrieft wurde. Die Geschichte ist aber ohnehin total verrückt, wie es der Buchklappentext ankündigt. Sie wirkt, als hätte Douglas Adams sie auf LSD geschrieben, auch wenn der Protagonist nicht per Anhalter durch die Galaxis reist. Wer ein Mindestmaß an Realismus erwartet hat, wird daher wohl enttäuscht werden, aber wer auf völlig Abgedrehtes steht, ist hier genau richtig.
Die Gags zünden nur leider nicht immer, manches ist einfach zu schräg. Dafür gibt es die eine oder andere Hommage. So ist der Chefingenieur des Raumschiffs wie selbstverständlich Schotte und hat an Bord einen guten Whisky gebunkert. Ein Alien kommt selten allein war 2005 für den Deutschen Phantastik Preis in der Kategorie Kurzgeschichte nominiert.
Die zweite Geschichte Nachts sind alle Aliens grün setzt direkt da an, wo die erste aufgehört hat. Der Ich-Erzähler hat durch die vergeigte Mission seinen Job verloren und muss sich beim Arbeitsamt am Schalter Nummer 6 melden, um SHIT (System der Hilfe in Temporärnotlagen) zu beantragen. Die Kritik an Hartz IV ist unverhohlen, zumal der Schroeder-Act Mr. Smyth sogar dazu zwingt, seine Organe zu verkaufen, bevor er vom Staat Sozialleistungen bekommt.
Mit der Ironie sollte man es aber auch nicht übertreiben. Ein US-Präsident Don Ronaldo Trump jr., der Mexiko um Entwicklungshilfe bittet, oder eine Firma mit Namen Darkblackrock sind wenig subtil. Ein Mafiaboss namens Don Exkremente oder ein Planet mit der Bezeichnung Maku-Latur sind ebenfalls keine sehr anspruchsvollen Wortspiele.
Den Job als Kurierfahrer, den Smyth annimmt, versiebt er natürlich genauso wie die diplomatische Mission in der Vorgeschichte. Am Ende macht er noch eine kleine Zeitreise und trifft im Kino auf sich selbst, wo er sich gehörig auf die Nerven geht, indem er sein früheres Ich spoilert. Zumindest der Gag ist wirklich gut. Zusammengefasst ist Nachts sind alle Aliens grün aber genauso verrückt wie Ein Alien kommt selten allein. Der einzig ernste Unterton ist die Gesellschaftskritik.
Die dritte Alien-Kurzgeschichte Erstkontakt ist da schon etwas realitätsbezogener. Ein Kundschafter einer außerirdischen Spezies landet auf einem Planeten, dessen Bewohner offenbar noch in der Steinzeit leben. Das Ende mag als Überraschung gemeint sein, man ahnt es aber bereits. Im Prinzip hätte ein Angehöriger einer hochentwickelten interstellaren Zivilisation den eigenen Fehler jedoch merken müssen. Der Grund, warum der Kundschafter es nicht tut, liegt in der unzuverlässigen Technik seines Raumschiffs begründet.
Dieses ist dermaßen schrottreif, dass es äußerst unglaubwürdig erscheint. Zum einen sollte eine überlegene Spezies mehr zu bieten haben als einen Weltraumtrabbi, der bei der ersten Landung auseinanderfällt. Zum anderen hätte man das Raumschiff vor einer wichtigen Erkundungsmission doch wenigstens warten müssen, statt den Piloten in eine lebensbedrohliche Situation zu bringen. Diese Logiklücke ist leider zu groß, um einfach darüber hinwegzusehen.
Das Kapitel über Roboter beginnt mit Golem & Goethe. In dieser Kurzgeschichte behauptet der Bordcomputer eines Raumschiffs, der Urheber eines Goethe-Gedichts zu sein. Tatsächlich taucht Johann Wolfgang von Goethe mit der Zeitmaschine seines Freundes Da Vinci auf und nimmt den Ausdruck des Computers mit. Wer ist also der wahre Urheber des Gedichts?
Ja, auch diese Geschichte verdient das Prädikat verrückt, denn Goethe als Zeitreisender klingt schon sehr nach Doctor Who. Ein Bordcomputer, der lieber Gedichte schreibt als den Kurs des Raumschiffs zu berechnen, hört sich dagegen nach einem gravierenden Programmierfehler an. Golem scheint da etwas mit HAL gemein zu haben.
In der folgenden Kurzgeschichte Golem & der General vergleicht sich der Bordcomputer mit General Ulysses Grant, obwohl er sich überhaupt nicht an die Befehlskette hält. Vom Besatzungsmitglied Steve verlangt er gar, ein Marschlied zu singen, was sowohl unverschämt als auch unlogisch ist. Die beiden Golem-Geschichten sind vielleicht nicht ganz so abgespaced wie die ersten beiden im Kapitel über Außerirdische, der Hinweis auf dem Cover gilt allerdings auch für sie.
Der Held der Galaxis, dessen Sidekick ein Roboter ist, glänzt schließlich wieder durch völlige Verrücktheit. Der Protagonist wird von Gott höchstpersönlich beauftragt, einen Wächter am Rande eines schwarzen Lochs zu beseitigen. Gesagt getan, doch nach erfolgreicher Mission werden zwei Abgesandte Gottes vom schwarzen Loch verschluckt und so entfällt das Honorar. Was soll man dazu noch sagen?
Das Kapitel über Vampire ist tatsächlich noch das bodenständigste. In der ersten Geschichte Schattentanz hat ein Mann eine Autopanne und wird dabei von einem Blutsauger überrascht, bekommt davon aber kaum etwas mit. Die Auflösung ist originell und äußerst ironisch.
Die zweite Vampirgeschichte Das Paket wird aus der Perspektive eines Hundes erzählt. Das sorgt mit Abstand für die besten Gags im Buch, weil der Hund eine völlig andere Sicht auf die Welt hat als sein Herrchen. Als dieser ihm sagt: „Du darfst nicht mehr so viel bellen“, denkt sich der Hund: „Was soll ich sonst machen außer bellen? Klavier spielen vielleicht?“ Trotz des Ärgers über den Menschen rettet der Hund diesen vor einem unheimlichen Paket, welches ein Vampir über den Zaun geworfen hat.
In der letzten Kurzgeschichte Therapie trifft sich der Psychologe Dr. Kaltenborn am Erfurter Hauptbahnhof mit einem Patienten, der sich als Vampir outet. Eigentlich möchte dieser aber ein Mensch sein und bittet um Rat. Der Tipp, den der skeptische Doktor ihm gibt, stellt sich jedoch als äußerst fatal heraus. Interessant an dieser Geschichte ist vor allem, dass hier mit dem Handlungsort Erfurt erstmals ein direkter Bezug zur Thüringer Heimat des Autors hergestellt wird.
Insgesamt lässt sich der Kurzgeschichtenband schwer in einem Wort zusammenfassen. Die Palette reicht von Science-Fiction bis Fantasy, von skurril bis ernsthaft. Auf die meisten Geschichten trifft die Beschreibung verrückt allerdings durchaus zu. Wer Per Anhalter durch die Galaxis oder Doctor Who mag, ist hier gut aufgehoben. Wer es dagegen etwas realistischer mag, sollte den Hinweis auf dem Einband beachten.
Der Schreibstil ist durchgehend flüssig, sodass sich das Buch an einem Tag lesen lässt. Zudem ist durch die verschiedenen Erzählstile für ausreichend Abwechslung gesorgt. Die zahlreichen Gags lassen einen des Öfteren schmunzeln, es gibt aber auch gesellschaftskritische Untertöne. So ist schlussendlich doch für fast jeden etwas dabei.
Info
Autor: Stefan Wogawa
Titel: Ein Alien kommt selten allein – Verrückte Geschichten über Außerirdische, Roboter und Vampire
Verlag: Thüringer Kommunalverlag
Erschienen: Oktober 2020
Einband: Taschenbuch
Seiten: 114
ISBN: 978-3-945068-26-7
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