Mit Vernetzt – Johny Mnemonic wurde versucht, eine berühmte Geschichte von William Gibson zu verfilmen.

Der Versuch einer Verfilmung

Cyberpunk ist und bleibt ein interessantes SciFi-Genre. Hier wird eine zeitnahe Welt dargestellt, in der die Augmentierung des Menschen mit technologischen Mitteln vollkommen normal ist. Die Welt wird von Konzernen beherrscht, die über dem Gesetz stehen und die für ihre dreckige Arbeit Söldner anheuern. Auch das Netz spielt in dieser Realität eine enorme Rolle, da es Leute gibt, die sich mit Hilfe bestimmter Geräte, die in ihr Gehirn eingebaut wurden, in das Internet hineinhacken können.

Einer der Autoren, die Cyberpunk erst so richtig populär machten, war William Gibson. Der 1948 geborene amerikanische Schriftsteller ist vor allem für seinen Neuromancer-Roman berühmt, den er Anfang der 1980er Jahre schrieb und wo er sich unter anderem von dem Blade Runner-Film inspirieren ließ. Das Buch war der erste Triple-Crown-Gewinner, womit gemeint ist, dass er sowohl einen Hugo, einen Nebula und einen Philip K. Dick-Preis, jeweils für die beste Novelle, gewann.

Natürlich wollte der Autor sein Werk irgendwann verfilmen. Gemeinsam mit dem amerikanischen Künstler und Regisseur Robert Longo versuchten sie zuerst einen Kunstfilm mit einem Budget von 1 ½ Millionen Dollar zu erstellen. Doch sie kriegten das Geld nicht zusammen. Bis Sony auf sie aufmerksam wurde und dank der rasant wachsenden Bedeutung des Internets zustimmte, die Verfilmung Vernetzt – Johny Mnemonic zu finanzieren.

Jede Menge bekannter Namen

Die Story des Kinofilms basierte auf der Johnny Mnemonic-Kurzgeschichte des Drehbuchautors. Es gab allerdings deutliche Unterschiede zur Vorlage. So wurde der Titelheld zur zentralen Actionfigur und nicht sein Bodyguard. Auch der Charakter der Jane war neu, da die Rechte für die eigentliche Figur, Molly Million, bei jemand anderem lagen. Ebenso war die NAS-Krankheit nicht in der Story vorhanden.

Und Sony warf sich mit seiner ganzen Marketingmacht hinter den Film. So wurde zum Beispiel ein Videospiel entwickelt und das Internet für das Marketing benutzt. Mit teilweise durchwachsenem Erfolg, da beispielsweise der Autor sich einer Onlinefragerunde stellen musste, obwohl er, ironischerweise, mit dem neuen Medium keine Erfahrungen hatte.

Der Cast war eine Mischung aus internationalen Schauspielern. Die Hauptfigur Johny Mnemonic wurde von Keanu Reeves dargestellt, der sich zu diesem Zeitpunkt als Schauspieler für ernste Rollen etablierte. Für seinen weiblichen Gegenpart, Dina Meyer, war es hingegen die erste Filmrolle überhaupt, nachdem sie zuvor im Fernsehen auftrat. Dolph Lundgren, der den psychotischen Killer Karl Honig darstellte, war bereits ein bekannter B-Movie-Actionstar. Und Ice-T als der LowTek-Anführer T-Bone hatte schon mehrere Jahre an Schauspielerfahrung hinter sich.

Auf der Antagonisten-Seite wurde der japanische Schauspieler Takeshi Kitano in der Rolle des Konzernführers Takashi gecastet. Der Darsteller war zu dem Zeitpunkt unter anderem in Japan der Moderator von Takeshis Castle und ein bekannter Regisseur. Sein direkter Untergebener wurde von dem Kanadier Denis Akayima zum Leben erweckt, der zuvor vor allem als Voiceover-Artist arbeitete.

In den weiteren Nebenrollen von Vernetzt – Johnny Mnemonic wurde der amerikanische Musiker und Schauspieler Henry Rollins zu Spider, derweil Udo Kier einmal mehr als ein fieser Nebencharakter arbeiten konnte und Barbara Sukowa die KI Anna Kalman darstellte.

Die Zukunft ist jetzt

Im Jahr 2021 wird die Gesellschaft von dem virtuellen Internet angetrieben. Augmentierungen sind an der Tagesordnung, derweil Megacorporations den Planeten beherrschen. Die Krankheit NAS, im Volksmund das Schwarze Zittern genannt, grassiert überall.

In dieser Welt versucht Johnny, der in seinem Kopf einen Speicher eingebaut hat, sensible und verschlüsselte Daten zu von Japan in die USA zu schmuggeln. Doch der Pharmakom-Konzern ist hinter diesen her und scheut sich nicht, über Leichen zu gehen. Johnny läuft die Zeit davon, da er seinen Speicher übervoll geschrieben hat, weshalb sich langsam seine Synapsen zersetzen. Doch weiß er nicht, wem er trauen kann, da er bereits oft verraten wurde.

Jedes Mal ein anderes Seherlebnis

Mich verbindet mit Vernetzt – Johnny Mnemonic eine lange Geschichte. Ich habe den Film im Laufe meines Lebens insgesamt drei Mal gesehen. Und jedes Mal war es für mich ein völlig anderes Erlebnis. Das erste Mal muss irgendwann in den 90er Jahren im Fernsehen gewesen sein. Ich war begeistert, vor allem von den CGI-Sequenzen. Das zweite Mal ist dann irgendwann im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends geschehen. Und meine Meinung drehte sich damals komplett ins Gegenteil. Auf ein Mal war ich von dem Film nicht so sehr überzeugt, sondern empfand ihn sogar eher als schlecht. Auch die Computersequenzen waren in meinen Augen auf einmal grottig. Und jetzt habe ich ihn das dritte Mal gesehen. Jetzt komplett nüchtern und neutral. Was meine Eindrücke nochmal veränderte, wenn auch nicht allzusehr.

Dass die CGI-Sequenzen schlecht gealtert sind, darüber muss man sich nicht großartig unterhalten. Aber das ist eben eine Konsequenz der Zeit. Und wenn man sich in 26 Jahren beispielsweise einen der heutigen Blockbuster mit massiv Computereffekten angucken wird, dann dürfte das Fazit ähnlich ausfallen. Es dürfte nur wenige Filme geben, wo diese Effekte wirklich zeitlos wirken.

Für die damalige Zeit waren die Sequenzen allerdings durchaus beeindruckend. Dazu muss man auch berücksichtigen, dass es gerade mal drei Jahre her ist, seitdem mit Der Rasenmähermann diese komplett am Computer erstellten Szenen langsam mainstreamfähig wurden. Und mit diesem Wissen im Hinterkopf kann man dann die Szenen auch heutzutage nochmal genießen.

Zwei überzeugen, der Rest nicht so sehr

Doch diese Computersequenzen sind eben nur ein Teil des gesamten Films. Der Rest von Vernetzt – Johnny Mnemonic wird von realen Schauspielern bestritten. Und das leider mehr schlecht als recht.

Um präziser zu sein, gibt es genau zwei Darsteller, die in dem gesamten Film problemlos überzeugen können. Der eine ist Dolph Lundgren, dem man wirklich anmerkt, wie viel Spaß es ihm machte, als vollkommen durchgeknallter möchtegernreligiöser Killer Karl Honig mitzuwirken. Mit einem Lächeln taucht er immer wieder auf und tötet Menschen, um an sein Ziel zu kommen. Man kauft ihm diese psychotische Art, diese Gefährlichkeit, wirklich ab.

Der andere ist Takeshi Kitano, der in jeder Szene, in der auftaucht, die anderen Darsteller schier mühelos an die Wand spielt. Er gibt den undurchschaubaren Pharmakon-Chef, der anscheinend, trotz der Tatsache, dass er womöglich seine eigene Tochter an das Schwarze Zittern verloren hat, die treibende Kraft hinter der Jagd auf Johny Mnemonic ist. Nie weiß man, was wirklich in seinem Kopf vor sich geht, bis er gegen Ende des Films eine überraschende Tat macht.

Luft nach oben

Doch was ist mit dem Rest der Schauspieler von Vernetzt – Johnny Mnemonic? Die können leider nicht annähernd überzeugen.

So ist bei der schauspielerischen Leistung der Hauptdarsteller deutlich Luft nach oben, um es mal milde zu formulieren. Keanu Reeves versucht die Lücken, die das Drehbuch bei seinem Charakter hinterlassen hat, zu überspielen, schießt dabei allerdings über das Ziel hinaus. Vor allem die Momente, wo er sich aufregt, wirken unglaubwürdig. Dina Meyer durfte als Jane ein paar Granaten durch die Gegend werfen und ein paar Leute herumschubsen. Aber ein Kettenhemd zu tragen, macht sie nicht zu einem glaubwürdigen Bodyguard, was allerdings auch daran liegt, dass sie ständig von der Person, die sie eigentlich schützen soll, in den Schatten gestellt wird. Und Denis Akiyama ist einfach nur der böse Handlanger, über dessen Hintergründe man nur wenig erfährt, und der einem herzlichst egal ist. So cool seine Laserprothese sein mag, sorgt sie nicht dafür, dass er als realistische Bedrohung wahrzunehmen ist. Ice-T als LowTek-Anführer J-Bone ist präsent, mehr aber auch nicht. Was übrigens ebenso für Udo Kier gilt, der gefühlt im Automatikmodus arbeitet, und Barbara Sukowa, deren Potential als rätselhafte KI vergeudet ist.

Als Romanautor Hui, als Drehbuchautor Pfui

Es hilft auch nicht, dass William Gibson ein großartiger Romanautor sein mag: Als Drehbuchautor liefert er keine sonderlich gute Arbeit ab. Man hat einfach das Gefühl, dass er hier im Prinzip nur irgendwelche Szenen aneinandergereiht hat und dabei die Charaktere und ihre Motivationen vergisst. Dinge geschehen, weil sie zu geschehen haben. Wie etwa, dass der Titelcharakter Johny Mnemoinic einfach so mir nichts, dir nichts beschließt, in einen Laden einzubrechen, um über das Internet mehr über die Hintergründe der Jagd auf ihn herauszufinden. Oder dass am Ende aus dem Nichts eine Liebesbeziehung zwischen ihm und Jane besteht. Oder dass das Hauptquartier von Pharmakon eine wundersame Teleportation von Japan nach Amerika durchführt, damit man es in den letzten Einstellungen in Flammen sehen kann. Ganz zu schweigen davon, dass das Schwarze Zittern wohl nur Jane betrifft, obwohl es ja angeblich viele augmentierte Leute befallen hat.

Immerhin eins macht Vernetzt – Johnny Mnemonic gut: Es erstellt eine glaubwürdige Cyberpunk-artige Zukunft. Die starke japanische Präsenz in der Kultur, die Yakuza, das Cybernet und so weiter und so fort … All dies passt zu der Realität, wie man sie beispielsweise aus Shadowrun und so her kennt. Doch das rettet den Film nicht davor, enttäuschend zu sein.

Interessanterweise gibt es eine alternative Schnittfassung für den japanischen Markt. So erhält Takeshi Kitano mehr Szenen, mehr Screentime. Ebenso wurde ein anderer Soundtrack eingespielt. Leider ist unklar, ob es davon auch eine englisch- oder deutschsprachige Version gibt.

Ein Flop ohne große Auswirkungen

Vernetzt – Johnny Mnemonic spielte zwar das Doppelte seines Budgets weltweit ein. Aber trotzdem war er ein Flop, der allerdings den Karrieren der Schauspielern nicht schadete. Vor allem Keanu Reeves konnte mit der Matrix-Trilogie diese Cyberpunk-Scharte wieder gut machen.

Dennoch bleibt am Ende das Fazit, dass der Film trotz guter Voraussetzungen an mehreren Fronten scheiterte.

Götz Piesbergen

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