Mit Der letzte Widerstand endet die erste X-Men-Filmreihe.

Chaos von Anfang an

Den 2003er X-Men 2-Film kann man getrost als einen der frühen Höhepunkte der Superheldencomicverfilmung der damaligen Zeit bezeichnen. Es war ein grandioser Kinofilm, der von Kritikern und Zuschauern hochgelobt wurde und auch an den Kinokassen außerordentlich erfolgreich war. Weshalb natürlich alle Welt erwartete, dass Regisseur Bryan Singer, der für den Erfolg maßgeblich verantwortlich war, ebenfalls für einen dritten Teil zurückkommen würde.

Doch es kam anders. Die Vorproduktionsphase von X-Men: Der letzte Widerstand war chaotisch, was nicht zuletzt daran lag, dass Bryan Singer sich 2004 entschloss, statt einem weiteren Mutanten-Film lieber Superman Returns für Warner Bros. zu machen. Womit auf einmal unklar war, wer Regie führen würde.

Während nach einem Nachfolger gesucht wurde, schloss man mit den meisten Schauspielern der vorherigen X-Men-Filme einen neuen Vertrag, da die ursprünglichen nur für die ersten beiden Kinofilme galten. Hugh Jackman erhielt dabei die Zusatzklausel, dass er bei der Wahl des Regisseurs ein gewichtiges Wort mitzureden hatte. Was er nutzte, um Darren Aronofsky zu fragen, mit dem er The Fountain drehte. Doch der Filmemacher lehnte ab.

Endlich einen Regisseur gefunden

Jedenfalls wurden mehrere Leute gefragt. Unter anderem klopfte man bei Joss Whedon an, der allerdings mit den Vorbereitungen für den letzten Endes doch nicht gedrehten Wonder Woman-Film beschäftigt war. Zufälligerweise war er einer der Autoren einer der Geschichten, auf deinen X-Men: Der letzte Widerstand basierte. Bei Zack Snyder war es seine Comicadaption 300 und Guillermo del Toro war bereits in Pan’s Labyrinth involviert, weshalb die beiden die Anfrage ablehnen mussten. Und in dieser Zeit verkündete Fox, dass der Film im Mai 2006 in die Kinos kommen würde, wobei die Dreharbeiten im Juli 2005 anfangen sollten.

Am Ende fiel die Wahl auf Matthew Vaughn (Snatch) als Nachfolger von Bryan Singer. Der traf zwei wichtige Castingentscheidungen, ehe er sich aber später wegen familiärer Gründe dann doch aus dem Projekt zurückzog. Er hatte sowieso wegen der drohenden Deadline – wobei die auf den 26. Mai verschoben worden war – Bauchschmerzen bei X-Men: Der letzte Widerstand, da er der Meinung war, dass er so nicht den Film machen könnte, der ihm vorschwebte. Er sollte Jahre später dann seine Chance kriegen.

Und so wurde der endgültige Regisseur niemand Geringeres als Brett Ratner, der am 5. Juni 2005 die Arbeit aufnahm. Er war bekannt unter anderem für den Red Dragon-Film und hatte eigentlich die Befürchtung, dass er wegen des eingestellten Superman: Flyby-Films keine Comicverfilmung mehr machen dürfte. Da er kaum Kenntnisse der Comics besaß, verließ er sich diesbezüglich auf die Drehbuchautoren.

Wenn man für sein Recht kämpft

Das Skript basierte am Ende auf zwei wichtigen Storylines der X-Men-Comics. Das eine war die Dark Phoenix-Saga, die in den 1980ern von Chris Claremont geschrieben und von John Byrne illustriert worden war. In ihr ging um es eine Jean Grey, die bei einem Rettungsversuch starb, nur um als übermächtige Phoenix wiedergeboren zu werden. Allerdings wurde sie größenwahnsinnig, tötete mehrere Lebensformen, ehe sie am Ende ihr eigenes Leben opferte. Bryan Singer hatte diese Geschichte als Grundlage für sein ursprüngliches Story Treatment genommen, was die späteren Drehbuchautoren Simon Kinberg und Zak Penn für ihr Skript mit übernahmen.

Sie fügten allerdings eine weitere Geschichte hinzu. Sie nahmen die Storyline Gifted, die Joss Whedon in den 2000er Jahren bei seinem X-Men-Debüt verfasst hatte und die von John Cassady illustriert wurde. In der geht es um ein Heilmittel für Mutanten, das sie von ihrer Veränderung heilt, und die Auswirkungen, die dies hat.

Das Duo hatte sieben Monate Zeit, um das Skript zu schreiben und hatte bereits nach der ersten Woche zwei Drittel des Plots fertig. Dabei sollte die Phoenix-Story für den emotionalen Part sorgen, derweil die Heilmittel-Geschichte für den politischen Anteil sorgte. Fox wollte den Phoenix-Plot aus dem Kinofilm raushaben, wogegen die Drehbuchautoren sich jedoch wehrten und damit auch erfolgreich waren. Allerdings mussten sie dafür der Figur in der zweiten Hälfte des Films weniger zu tun geben.

Bekannte und Neulinge

Der Cast von X-Men 2 blieb überwiegend unverändert. Der Einzige, der nicht zurückkehrte, war Alan Cumming, der sich zwar wegen der langen Zeit, die es brauchte, um sein Make-up aufzutragen, unwohl fühlte, aber trotzdem Interesse an einer Rückkehr hatte. Allerdings wäre seine Rolle (Nightcrawler) in X-Men: Der letzte Widerstand so gering gewesen, dass letzten Endes darauf verzichtet wurde.

Ein Großteil seines Parts wurde an den noch von Bryan Singer gecasteten Kelsey Grammer übertragen, der Hank McCoy aka Beast darstellte. Eliot Page erhielt die Rolle von Kitty Pryde, der durch Wände gehenden Shadowcat. Er wurde von Brett Ratner überredet, das Casting anzunehmen, obwohl er damals eher zurückhaltend war. Der Ex-Footballer Vinnie Jones übernahm die Rolle des unaufhaltsamen Juggernauts, derweil Daniel Cudmore ein Mal mehr zu Piotr Rasputin aka Colossus wurde. Und Ben Foster wurde zu Warren Worthington III aka Angel, einem geflügelten Mutanten, der der Sohn eines superreichen Industriellen war.

Tote leben länger

Jean Grey (Famke Janssen) gab ihr Leben, um das ihrer Freunde und von Unschuldigen zu retten. So jedenfalls der Glaube. Doch sie erweist sich eines Tages als quicklebendig, hat sich aber enorm gewandelt. Für Charles Xavier (Patrick Stewart) ist klar, dass der Phoenix zurückgekehrt ist, eine Persönlichkeit von ihr, die äußerst mächtig ist und deshalb von ihm vor Jahren unterdrückt wurde. Und schon bald ist klar, dass sie sich durch nichts und niemanden aufhalten lässt, weder von Freunden, wie Logan (Hugh Jackman) und Storm (Halle Berry), noch von Xavier. Und zur Not geht sie über Leichen.

Gleichzeitig stellt Warren Worthington II (Michael Murphy) ein Heilmittel für Mutationen vor. Die Reaktionen sind vielfältig. Es gibt solche wie Erik Lehnsherr aka Magneto (Ian McKellen) und seine Leute, die das Gegenmittel ablehnen und alle Verantwortlichen töten wollen. Es gibt solche wie Hank McCoy (Kelsey Grammer), die ihm eher skeptisch gegenüber stehen. Und für einige ist es die letzte Hoffnung, auf Normalität. Schon bald ist klar, dass ein gewalttätiger Konflikt unausweichlich ist.

Er hat sich redlich bemüht

Man merkt X-Men: Der letzte Widerstand an, dass er ein ambitionierter Film ist. Brett Ratner versucht innerhalb von 104 Minuten, nicht nur eine, sondern gleich zwei große Plots zu erzählen. Das Endergebnis dieses ehrgeizigen Vorhabens ist ein Film, der sich nicht entscheiden kann, worauf er sich konzentrieren möchte: eine tragische, persönliche Story. Oder das große, politische Drama. Am Ende wird er keinem der beiden Elemente gerecht.

Wobei man dem Regisseur nicht vorwerfen darf, dass er es nicht wenigstens versucht hat. Man merkt ihm an, dass er sich bemüht, sowohl persönliche Momente in dem Film unterzubringen, wie auch die großen Dramen. Und es gibt durchaus Szenen, in denen er überzeugen kann.

Gut in den persönlichen Momenten

Am besten ist X-Men: Der letzte Widerstand dann, wenn er sich auf die Figuren fokussiert, die nicht erst in diesem Teil ihren Erstauftritt feiern. Die intimen, persönlichen Momenten, zum Beispiel zwischen Storm und Charles Xavier können überzeugen. Wenn er ihr beispielsweise sagt, dass sie sein Vertrauen genießt und er sie sich durchaus als seine Nachfolgerin bei der Leitung seiner Mutantenschule vorstellen kann, dann merkt man hier die Historie zwischen den beiden.

Auch das Beziehungsdreieck zwischen Bobby Drake, Rogue und Kitty Pryde kann überzeugen. Überhaupt ist die von Eliot Page dargestellte Mutantin eine der wenigen in diesem Film eingeführten Figuren, die restlos begeistern können. Hier wird vor allem thematisiert, dass Bobby Rogue nicht berühren kann, weil sie sonst seine Fähigkeiten und Persönlichkeit absorbieren könnte. Shadowcat kann er hingegen anfassen. Die Tatsache, dass diese auch eine gute Freundin von den beiden ist, macht die Situation nicht unbedingt besser.

Doch auch, wenn X-Men: Der letzte Widerstand bei diesen persönlichen, intimen Momenten glänzen kann, versagt er ausgerechnet bei der Dark Phoenix-Storyline, die dies ja ebenfalls ist. Wobei der Anfang durchaus überzeugt. Famke Janssen als mysteriöse und unheimliche Jean dominiert jede Szene, in der sie auftritt. Zu sehen, wie sie sich immer mehr und mehr in dieser Macht verliert, tut im positiven Sinne weh. Und der Höhepunkt, wo sie vor Logans Augen Charles Xavier umbringt, haut einen um.

Schlecht, wenn es politisch wird

Allerdings muss man hier kritisieren, dass bei diesem Plot mit dem frühen Tod von Cyclops viel Storypotential verschenkt wurde. Vor allem, weil das Ableben der Figur im Laufe des Films keine Auswirkungen hat. Es ist ein billiger Schockmoment.

Umso schlimmer, dass dann daraus nichts gemacht wird. In der zweiten Hälfte des Films spielt Phönix im Grunde genommen nur Blümchen an der Wand und taucht ab und an auf, als sie sich Erik Lehnsherr Truppen anschließt. Wobei sie im finalen Kampf nicht eingreift und ihr Auftritt am Ende so wirkt, als ob den Machern erst nachträglich eingefallen ist, dass sie noch existiert. Dementsprechend wirkt der Abschluss ihres Plots unbefriedigend.

Wenn der Sympathieträger nur sporadisch auftritt

Wobei es dem Heilmitteplot in X-Men: Der letzte Widerstand nicht viel besser geht. Er genießt zwar die Dominanz der zweiten Hälfte und hat auch einige gute Momente. Wie etwa die, wo der von Eric Dane dargestellte Multiple Man die Regierungstruppen an der Nase herumführt. Oder, wo Erik Lehnsherr unter den Morlocks genannten Mutanten neue Streiter für seine Armee sucht.

Doch ausgerechnet im persönlichen Bereich schwächelt der Film, was vor allem daran liegt, dass der eigentliche Sympathieträger der Storyline, Warren Worthington III. nur sporadisch aufkreuzt und ansonsten gefühlt keine Rolle spielt. Stattdessen sieht man nur, wie Erik Lehnsherr sich gegenüber seinen Untergebenen wie ein arroganter Feldherr aufführt. Er nennt die meisten Mutanten, die unter ihm dienen, nur Fußvolk und schickt sie bewusst in den Kampf, damit sie dafür sorgen, dass die Verteidiger Verluste erleiden, ehe er eingreift, um den Sieg zu garantieren. Und als Mystique zu einem normalen Menschen wird, wendet er sich völlig von ihr ab, so als ob er sie nur als Mutantin schätzt und nicht ihre Persönlichkeit als treue Helferin. Durch solche Aktionen wirkt er oberflächlich und eingebildet, so als ob ihm sein Ruf zu Kopf gestiegen ist.

Am Ende hätte es X-Men: Der letzte Widerstand gut getan, wenn er sich mehr auf einen der beiden Hauptplots konzentriert hätte. So war es ein mittelmäßiger Abschluss der Trilogie, der allerdings an den Kinokassen durchaus erfolgreich war.

Warpskala

Warpskala
5 10 0 1
5/10
Total Score

Positiv

  • Gut in den persönlichen Momenten

Negativ

  • Kann sich nicht zwischen zwei großen Plots entscheiden
Götz Piesbergen

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