ODY-C? Ithicaa? Hat dieser Comic mit dem schönen bunten Cover vielleicht etwas mit der Odyssee und Ithaka zu tun? Werfen wir einen genaueren Blick in den ersten Band der ODY-C-Reihe von Matt Fraction und Christian Warp.

Off to Far Ithicaa
© Image Comics

Der erste Eindruck von ODY-C

Wenn man den Comic das erste Mal in die Hand nimmt und einfach mal durchblättert, hat man den Eindruck, sich in einem optischen Drogenrausch zu befinden, der sich aus bunten Farben, Weltraum und Mythologie zusammensetzt. Versuchen wir das Ganze daher zunächst ein bisschen zu sortieren.

Drei Kriegerinnen vor den Ruinen Troiias

Die Erzählung beginnt auf einem Planeten namens Troiia, der gerade von Achaea eingenommen wurde. Die militärischen Führungspersönlichkeiten, die nun ihren großen Sieg feiern, heißen Odyssia, Gamem und Ene. Eine der Frauen führt eine in einen Latexanzug gekleidete Person namens Ene an der Leine mit sich herum. Ein paar Seiten später stoßen wir auf die Götter der griechischen Mythologie, die allerdings alle weiblich sind oder gleichzeitig die Merkmale beider Geschlechter aufweisen. Es stellt sich heraus, dass wir die Kriegerin Odyssia im Folgenden auf ihren Heimweg zum Planeten Ithicaa begleiten werden, wobei sie auf ihrer Reise zahlreiche ebenso gefährliche wie exotische Abenteuer bestehen muss.

Odyssee im Weltraum

Es ist nicht schwer zu erraten, dass wir uns hier in einer in den Weltraum verlegten Variante der homerischen Odyssee befinden, die ursprünglich wohl im 8. oder 7. Jh. v. Chr. entstanden sein dürfte. Knapp zusammengefasst handelt die Odyssee von der Irrfahrt des Odysseus, der 10 Jahre im Trojanischen Krieg gekämpft hat und dann weitere 10 Jahre braucht, um in einer epischen Irrfahrt zu seiner Frau Penelope, seinem Sohn Telemach und seinem Königreich Ithaka zurückzukehren.

Die Macher des Comics haben also nicht nur die Erzählung in den Weltraum gelegt, sondern auch aus Odysseus eine Frau gemacht. Ebenso sind mit Gamem Agamemnon und mit Ene Menelaos gemeint. Tatsächlich hat es in der Welt, in der wir uns befinden, durch einen Beschluss der Göttinnen schon sehr lange keine Männer mehr gegeben. Als dann doch wieder ein Mann geboren wurde, löste die Existenz dieses Mannes den Krieg um Troiia aus. Da der Mann He heißt, ist klar, dass in diesem Fall aus Helena, deren Durchbrennen mit dem Prinzen Paris in der Originalgeschichte den Trojanischen Krieg verursacht, zu einem Mann umfunktioniert wurde. Passenderweise ist auch der Zyklop Polyphem in der Comicvariante eine schreckliche Kreatur mit unzähligen Brüsten.

Der Aufbau der Geschichte

Abgesehen von diesen bemerkenswerten Änderungen folgt die Erzählung ihrem traditionellen Muster. Auf die Einnahme von Troiia (Troja) folgt die Heimreise, bei der Odyssia auf Ciconen (Kikonen), die Lotophagen, Polyphem und den Windgott Aeolus (Ailos) trifft. Nur eine Episode, in der es um einen Tempel des Apollon geht, wird in ODY-C anders angeordnet als in der antiken Vorlage. Zwischen diesen Ereignissen wird immer wieder die Welt der Göttinnen eingeblendet und das dortige Geschehen beschrieben.

Die Idee hinter ODY-C

Es ist in der Phantastik alles andere als ungewöhnlich, antike Motive aufzugreifen und in ein Science-Fiction-, Fantasy- oder Horrorsetting zu verlegen. Der hier vorliegende Comic geht diesbezüglich einen Schritt weiter, da Matt Fraction und Christian Warp ganz bewusst die Geschlechter der Charaktere ändern, um zu sehen, wie sich die Ursprungsgeschichte dadurch entwickelt. Dies wird dann auch ziemlich konsequent durchgezogen. Da klassische Raketen z.B. sehr an Phallussymbole erinnern, sind die Raumschiffe in ODY-C von ihrer Form her an weibliche Geschlechtsorgane angelehnt. Weiterhin versuchen die Macher über viele Kreiselemente in den bildlichen Darstellungen eine feminine Note zu erzeugen. Dass viele Hintergrundbilder entfernt an Wasser und Wellen erinnern, ist hingegen eine Anspielung auf die Bedeutung des Meeres in der homerischen Vorlage.

Mein Eindruck von ODY-C Vol. 1: Off to far Ithicaa

Man kann sagen, dass der Comic ziemlich durchgeknallt ist, was ich in diesem Fall aber positiv meine. Das Spiel mit den Geschlechtern, die großartigen Bilder und Farben und das Weltraumszenario funktionieren in Verbindung mit der wohlbekannten Grundidee der Odyssee erstaunlich gut. Ich bin mir nicht sicher, wie die Geschichte auf Leser*innen wirken mag, die die Odyssee nicht kennen, doch ist Letztere in unserer Populärkultur derart stark verankert, dass die Grundzüge eigentlich allen an der Phantastik interessierten Menschen zumindest im Groben vertraut sein dürften.

Wenn ihr also offen für neue und ungewöhnliche Eindrücke seid, ist es sicherlich lohnenswert, einen Blick in diese Variante der Odyssee zu werfen. Allerdings ist sie bisher nur auf Englisch zu erhalten, wobei die Sprache die homerische Ausdrucksweise zu imitieren versucht, was nicht immer leicht zu verstehen ist.

Wenn ihr mehr über den Comic erfahren möchtet, könnt Ihr hier ein paar meiner weiteren Eindrücke lesen, die sich mehr auf das Verhältnis zwischen der Odyssee und ODY-C konzentrieren. In Kürze geht es an dieser Stelle hier dann weiter mit dem zweiten Band von ODY-C.

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Michael Kleu

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