Vorsehung ist der neunte und abschließende Band unser Olympus Mons-Reihe von Christophe Bec und Stefano Raffaele.

Olympus Mons Bd 9 - Vorsehung
Cover © Splitter Comics

Aaron Goodwin in der neuen Welt

30 Jahre lang ist Aaron Goodwins Plan, mit Hilfe des Sheppard-Programms seinen Visionen zu entkommen, aufgegangen. Doch nun bricht seine alte Gabe wieder durch und lässt ihn finstere Dinge sehen. Parallel dazu zeigt sich mehr und mehr, dass das vom Sheppard-Programm versprochene Paradies in eine Dystopie zu kippen scheint.

Denn die 87 % der Menschheit, die sich bisher haben behandeln lassen, erweisen sich nun als zeugungsunfähig, während der Teil, der eine Behandlung verweigert, Gerüchten zufolge registriert und in bestimmten Zentren konzentriert wird. Immer wieder ist Militär zu sehen, das anscheinend benötigt wird, um die Gesellschaft zu kontrollieren. Ein Panel zeigt Soldaten mit auf dem Boden liegenden Büchern.

Da kurz zuvor Ray Bradburys Buch Martian Chronicles prominent zu sehen ist, drängen sich Assoziationen mit dem Roman Fahrenheit 451 auf, der vom selben Autor stammt und eine Welt beschreibt, in der Bücher verboten sind und verbrannt werden. Tatsächlich führt das Militär Säuberungsaktionen durch, bei dem es alles vernichtet, was aus der Zeit vor dem Sheppard-Programm stammt.

In seinen Visionen sieht Aaron daher Bilder von entstellten Totgeburten sowie außerdem einen Angriff Außerirdischer. Die Visionen sind so intensiv, dass der Seher Verbrennungen von ihnen davonträgt. Schließlich sieht er den Tod Jelena Schewtschenkos in Kamtschatka voraus, weshalb er sofort nach Russland reist.

Mission Farout

Die Raumfahrerinnen, die auf dem Planeten Farout in Kontakt mit der gelben Flüssigkeit namens Zytoplasma getreten sind, haben sich nicht davon erholen können. Jelena Schewtschenko geht es vergleichsweise gut, doch hat sie ihre gesamten Erinnerungen verloren.

Schließlich gelingt den Raumfahrerinnen die Rückkehr zur Erde, wo die Raumfahrtbehörden sie zunächst in Quarantäne schicken. Jelena scheint sich – abgesehen von ihrem Gedächtnisverlust – gut zu erholen, während die beiden anderen betroffenen Frauen sterben. Doch dann entwickeln sich auch bei Jelena derart viele Tumore, dass sie Sterbehilfe in Anspruch nimmt.

Zur Überraschung der Raumfahrtbehörden erscheint ihr Angesicht nun als eine Art Sternbild am Himmel. Man vermutet, dass diese Erscheinung auf den Androiden Einstein zurückzuführen ist.

Zuvor hatte sie noch Gelegenheit, sich mit Aaron Goodwin auszutauschen, der in militärisches Sperrgebiet eingedrungen ist, um Jelena zu treffen.

Die Sheppard-Organisation und ihre Folgen

Die Sheppard-Organisation, die nach einem der Entdecker des Zwergplaneten Farout benannt ist, übernimmt die Aufgabe, das Zytoplasma zu untersuchen. Es gelingt ihr, die gelbe Flüssigkeit künstlich nachzubilden. Schnell zeigt sich ein Dilemma: Das Zytoplasma verlängert das menschliche Leben signifikant, führt aber gleichzeitig zu einem absoluten Gedächtnisverlust.

Schlimmer noch: Durch das lange Leben von mehreren Hundert Jahren verliert vieles, was das Menschsein ausmacht, an Bedeutung. Und da keine Kinder mehr gezeugt werden können, verlieren auch Partnerschaften für viele ihren Sinn. Die Gehirnkapazität steigt zwar enorm, was zu zahlreichen wissenschaftlichen Erkenntnissen führt, doch bringt dies gleichzeitig mit sich, dass die Menschen jede einzelne ihrer Erinnerungen – die guten wie die schlechten – präzise vor Augen haben. Aufgrund der enormen Flut an Informationen stumpfen Phantasie und Gefühle immer weiter ab, was zu einer zunehmend steigenden Suizidrate führt. Am Ende ist der scheinbare Segen eines langen Lebens zu einem furchtbaren Fluch geworden.

Die Vorsehung

Durch wissenschaftlichen Fortschritt stellt sich heraus, dass menschliche Seelen ihre Körper nach dem Tod verlassen und sich danach auf Reisen durch das Universum begeben. Durch das Sheppard-Programm wird den Seelen dies verwehrt. Denn das unnatürlich lange Leben führt dazu, dass sich der Geist nicht mehr vom Körper trennen kann.

Als eine Flotte der außerirdischen Androiden die Erde erreicht, scheint es der Plan zu sein, die Menschheit zu vernichten. Doch als die Androiden feststellen, was sich die Menschen selbst angetan haben, ziehen sie wieder ab, da sich das Problem aus ihrer Sicht von selbst gelöst hat.

Dass die Androiden bzw. ihre Erbauer das Zytoplasma bereits in der Nähe des Planeten Erde gesammelt haben, als dort gerade die ersten Spuren von Leben entstanden, deutet einerseits darauf hin, dass sie den Einsatz der gelben Flüssigkeit langfristig geplant haben könnten. Andererseits bestrafen die Androiden Einstein aber dafür, dass er Helena vom Zwergplaneten Farout erzählt hat. Vielleicht wollten die Androiden der Menschheit das Mittel bringen, ohne dass ihre Feinde dadurch das Lager entdecken. Sicher ist, dass die Androiden wollten, dass das Mittel verwendet wird, da sie ja ihren Angriff auf die Erde abbrechen, als sie verstehen, dass ein Großteil der Erdbevölkerung am Sheppard-Programm teilgenommen hat.

Hatte Jelena vielleicht Recht mit ihrer Vermutung, dass die Androiden Wesen sind, die ihre Seelen oder ihren Geist in mechanische Hüllen übertragen haben? Schließlich deutete bereits ein Vorgängerband darauf hin, dass sie dies getan haben könnten, um sich vor den biologischen Waffen ihrer Feinde zu schützen. Da ihre Seelen auf diese Weise ebenfalls die Loslösung vom Körper verwehrt bleiben dürfte wie den mit Zytoplasma behandelten Menschen, stellt sich die Frage, weshalb die Menschheit ihr Schicksal teilen soll. Denkbar wäre, dass die Schöpfer der Androiden einst ebenfalls durch Zytoplasma gleichzeitig langlebig und zeugungsunfähig wurden und die mechanischen Körper übernehmen mussten, um überleben zu können. Soll die Menschheit ihre Reihen auffüllen?

Können Androiden lieben?

Jelena selbst stellt sich im Comic die Frage, weshalb Einstein ihr von Farout berichtet hat. War es Vorsehung oder ein vergiftetes Geschenk? Die letzten Bände der Reihe erwecken immer wieder den Eindruck, dass Einstein Jelena geliebt haben könnte. Daher ist davon auszugehen, dass er seine Handlungen danach ausrichtete, was seiner Meinung nach das Beste für sie wäre.

Das Ende von Vorsehung

Band und Reihe enden mit dem nun 574 Jahre alten Aaron Goodwin, der die Leser*innen über die bereits oben beschriebenen Langzeitfolgen des Sheppard-Programms aufklärt. Wir sehen ihn mit einem kleinen Raumschiff in den Weltraum fliegen, wo er seinem Leben allem Anschein nach ein Ende setzen möchte.

Das letzte Panel nimmt eine ganze Seite ein und zeigt uns wieder das Portrait Jelena Schewtschenkos in den Sternen. In einer Sprechblase neben ihrem Gesicht sagt Aaron Goodwin, dass sich die Seelen der langlebigen Menschen nicht mehr von ihren Körpern trennen können, wodurch ihnen ewiges Leben in anderen Sphären verwehrt bleibt.

Hat der Androide Einstein vielleicht sicher gehen wollen, dass Jelena unsterblich wird und nicht mit ihr geschieht, was auch immer seine Artgenossen durch ihre Invasion beabsichtigten?

Was möchte uns der Band Vorsehung sagen?

Grundsätzlich verbirgt sich hinter der Geschichte die immer wieder in der Science-Fiction vorzufindende Idee, dass ein sehr langes Leben oder gar Unsterblichkeit kein anzustrebendes Ziel darstelle. Das Zytoplasma kann man in diesem Kontext als Sinnbild für diverse Mittel verstehen, mit denen wir heute schon versuchen, dem Altern Einhalt zu gebieten.

Mein Eindruck von Vorsehung als Abschluss der Reihe

Wie die beiden Vorgängerbände glänzt auch Vorsehung durch großartige Zeichnungen, aber dennoch enttäuscht der Band am Ende etwas. Grundsätzlich ist es bekanntlich ein cleverer Kniff, manches offen zu lassen, damit die Konsument*innen die Lücken mit ihrer eigenen Phantasie füllen können. Hier bleibt aber einfach zu viel ungewiss.

Was hatten die außerirdischen Androiden vor und was waren die konkreten Ideen Einsteins? Hat das verfeindete außerirdische Volk mehr mit der Handlung zu tun, als gelegentlich als Antagonist zu dienen? In Bd. 6 deutet einer dieser Außerirdischen an, es sei das Ziel seiner Kultur, sämtliches Leben auszulöschen, was man ja nun in dem Sinne verstehen könnte, dass alle Seelen in die nächste Existenzstufe weiterziehen sollen, bevor sie zu lange in ihren materiellen Körpern verweilen.

Dazu würde passen, dass er gleichzeitig den Menschen sagt, dass sie die wahre Beschaffenheit ihrer Realität noch gar nicht begreifen würden. In der abschließenden Trilogie heißt es dann aber plötzlich, die Menschheit sei zu unbedeutend, um vernichtet zu werden. Hier wären definitiv genauere Hinweise toll gewesen.

Auffällig ist nebenbei bemerkt weiterhin, dass seit Bd. 6 gar keine historischen Rückblicke mehr in Erscheinung treten, die ja sonst immer typisch für Christophe-Becs-Comics sind.

Mein Fazit

Vorsehung erzählt die Geschichte der Olympus-Mons-Reihe ohne Zweifel zu Ende, doch bleibt der Abschluss ein wenig unbefriedigend. Nachdem die Geschichte problemlos mit der Rettung der Erde in Band 6 hätte enden können, fügt die abschließende Trilogie eine neue Ebene hinzu, die dann aber nicht wirklich auserzählt wird. Ich bin ja grundsätzlich ein Freund von Comic-Reihen, die auch mal ein Ende finden, aber hier geht dann doch plötzlich alles etwas zu schnell.

So bleibt Olympus Mons zwar eine durchaus gute bis sehr gute Reihe mit vielen spannenden Aspekten. Ein richtiger Kracher ist es aber aufgrund des Endes aus meiner Sicht leider nicht geworden.

 

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Michael Kleu

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