Lesezeit circa: 6 Minuten

Kampf der Kopien gegen die Utopie einer perfekten Welt

Die perfekte WeltTitel: Die perfekte Welt
Autor: Lucy Guth
Titelbild: Dirk Schulz/Horst Gotta
Erschienen: 25. Juni 2021

Zur Handlung

Die SOL wird von einem geheimnisvollen Flimmern eingeschlossen. Schlagartig verwandelt sich das Generationenschiff in einen lebendigen Dschungel, die Besatzung erlebt allerlei völlig absurde Naturphänomene. Nach der gelungenen Flucht aus dem Quantenwall verschwinden auch sofort alle ungewöhnlichen Manifestationen.

Um eine Möglichkeit zur Rückkehr aus der Dunkelwolke und somit ins altbekannte Einsteinuniversum zu finden, entschließt sich Perry Rhodan zur Erkundung einer Zone mit starker Quantenquelle. Auf dem Weg dahin finden sie eine perfekte Kopie des Heimatsystems vor, in dem viele alte Bekannte von Perry Rhodan als Kopien existieren.

Bei der Landung in Terrania stoßen sie auf die Opposition, die gegen den dortigen Dauerprotektor Perry Rhodan II vorgehen will, da dieser regelmäßig sogenannte Schwellensprünge ausführt und Gegner seines Regimes in ein großes Straflager auf dem Merkur sperren lässt. Bei diesen Sprüngen verschwinden immer wieder zufällige Personen und andere tauchen unvermittelt auf, die Angst der Bevölkerung vor dem nächsten Sprung ist allgegenwärtig. Die Perry-Kopie will seine perfekte Welt erschaffen, die Utopie dieses Vorhabens zwingt sie zur ständigen Wiederholung der Vorgänge.

Das Wissenschaftlerduo Waringer und Leyden II findet heraus, dass durch die Quantenverschränkung eine andere Quantenrealität erschaffen wurde, welche die große Vision von Original-Perry verwirklichen soll: Friede, Freiheit und Wohlstand für alle. Um eine galaxisweite Ausbreitung dieser Vision, mit ihren zahlreichen negativen Auswirkungen, zu verhindern, infiltrieren die Originale erneut den Stardust-Tower. Rhodan II lässt sie in die Falle gehen, da er durch eine Verschmelzung mit seinem Alter Ego die endgültige Erschaffung einer idealen Quantenrealität erhofft. Perry gelingt es aus der Chronophasenversetzung heraus, das Produkt seines Geistes von der Unmöglichkeit einer perfekten Welt zu überzeugen und dreht die Verschmelzung zu seinen Gunsten um, der Spuk ist beendet.

Gedanken zu Die perfekte Welt

Vom Prolog weg hat mich der Roman gepackt und nicht mehr los gelassen. Zwischenzeitlich wurden ihm mal die Arme etwas schwer, aber das kommt bei einem Dauerlauf über 160 Seiten beste Unterhaltung halt mal vor. Mit schwarzen Löchern in Raumschiffantrieben kriegt man mich, da bin ich wie ein kleines Kind, dass sich über seinen Klemmbausteine-Technik-Bausatz zum Geburtstag, nun ja … riesige Löcher in den Bauch freut. Mentro Kosum in inniger Verbindung mit der SOL, das war mir ein Vergnügen. Wie gesagt, vom Start weg, direkt ab Seite eins gefesselt. Muss frau erst mal hinbekommen!

Das Titelbild ist ebenso gelungen, Gucky’s Blick allein, göttlich. Auch wenn sich hier ein kleiner Fehler eingeschlichen hat, denn der abgebildete Shaffak-Gucky hat tatsächlich auch nur einen großen Nagezahn im Roman. Jonny Bruck entwarf in den frühen Siebzigern ein ähnliches Titelbild, stand also eventuell Pate für die Grundidee. Die Neuinterpretation kann sich dennoch sehen lassen.

Aber beschäftigen wir uns mal mit Quanten und … Neuter(n)? Wer da nicht auf doofe Wortspielchen kommt!?! Das englische Verb wörtlich übersetzt lässt der männlichen Leserschaft aber direkt das Lachen wieder im Gesicht gefrieren. Hört sich zudem auch verdächtig nach neun und damit Nonagon an. Passend! Und dazu wird eine interessante Quantentheorie aufgestellt.

Der Ideenreichtum des Romans lässt sich nicht nur an der Neuterschöpfung fest machen. Allgemein strotzt die Autorin vor tollen Einfällen. Gucky’s unheimliche Verwandlung mit Alice im Wunderland in einer Geschichte zu verknüpfen, das hatte was! Die Idee der perfekten Welt und die Ereignisse auf der Erdkopie konnten mich ebenfalls komplett mitreißen. Auch hier stand wohl der Hutmacher als Ideengeber parat. Das Unmögliche hat Perry Rhodan II ja tatsächlich versucht zu schaffen, auch wenn es letztlich eine Utopie blieb. Aber unser Perry hat halt daran geglaubt und seine eigene Realität erschaffen. Ein Märchen, verpackt in eine tolle Story im NEOversum. Hat mich begeistert!

Aber genug gelobt, nicht alles gefiel mir an der, ach so, perfekten Welt. In Terrania II muss sich Gucky selbst mit Para-Handschellen fesseln, die nur bei Einwilligung des Gefangenen überhaupt erst angelegt werden können. Gucky legt die auch noch widerspruchslos an, ach kommt schon! Der Retter des Universums wird den Teufel tun! Nee, der Part war mir zu skurril. Auch dass die Opposition anschließend zwei Mal kinderleicht in den Stardust-Tower eindringen und sich bis zum Ziel unbedrängt durch das Gebäude bewegen kann, ist mir eine Idee zu viel James Bond, mit abschließendem tödlichen Massenkopiensterben auf großer Bühne.

Die Ereignisse auf der perfekten Welt sind, davon ab, ein Schaulaufen der Superstars und damit ein Wiedersehen mit vielen geliebten und verstorbenen Charakteren der NEO-Historie. Bestie und Haluter werden leider aber nur in einem kleinen Absatz erwähnt, die Regenerationsfähigkeiten von Icho Tolot sind indes legendär. Da bin ich etwas enttäuscht, dass nicht einmal solch gravierende Ereignisse der erzählerischen Einbindung dieses genialen Wissenschaftlers bedurften.

Der Autorin kann ich das stellenweise schlampige Lekorat nicht anlasten. Aber ein kleiner Lapsus hat mich dafür richtig amüsiert. Die General Comic Company kann durchaus real existieren in einer Milliardenstadt und dort ihre galaktisch guten Heftchen vertreiben. Dass dafür ein riesiges Gebäude in der Nähe des Stardust Towers notwendig ist, bezweifle ich stark. Da hätte wohl ein gutes, altes Lufttaxikiosk gereicht.

Wer suchet, der findet. Wie immer ist es letztendlich eine Frage des persönlichen Geschmacks. Darauf ein Möhrentörtchen … oder lieber auch nicht!

Fazit mit Wertung

Mir hat diese phantastische Ideenexplosion hervorragend gefallen. Der wilde Ritt durch allerlei Filmgenres und bekannte Buchklassiker war mir eine willkommene Abwechslung zu den sonst üblichen Raumschlachten und Bösewichtsduellen. Dabei hat die Autorin sich aber nicht nur willkürlich an Altbekanntem bedient, sondern ihren eigenen Stil liebevoll mit eingebracht. Letztlich ist negative Kritik mit der Lupe zu suchen und ein minimaler Durchhänger im Mittelteil schadet dem hervorragenden Gesamteindruck nicht. Lucy Guth’s Beitrag kommt der Utopie des perfekten Romans schon ziemlich nahe! In einer ganz und gar nicht perfekten Welt würde ich hier galaktische 9,5 von 10 Punkten vergeben. Nur, wenn man nicht daran glaubt!

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