Tuvok als Beschützer drayanischer Kinder – so scheint es zumindest.
Das Shuttle mit Tuvok und Bennet muss an einem heiligen Ort der Drayaner notlanden. Diese haben jahrzehntelang jeden Kontakt mit anderen vermieden. Während Bennet im Sterben liegt, wagen drei drayanische Kinder den Kontakt. Tuvok erfährt, dass die drei ausgestoßen wurden und nun auf die Ankunft des „Morrok“ warten, den Boten des Todes. Tuvok soll ihnen helfen. Während der Nacht verschwinden zwei der Kinder. Inzwischen hat Janeway Kontakt mit der Drayanischen Führerin Alicia hergestellt …
Die Unschuld – Kinder, Klone, Katastrophen?
Was wie eine Mischung aus Herr der Fliegen und Das Dorf der Verdammten beginnt, entpuppt sich in Die Unschuld als einer dieser typischen Voyager-Momente, bei denen du am Ende dastehst und denkst: „Moment mal – was zur Hölle hab ich da gerade gesehen?“
Die Prämisse: Tuvok (Tim Russ) strandet mit einer Gruppe Kinder auf einem abgelegenen Mond, nachdem ein Shuttle-Unfall (was sonst?) ihn dort notlanden lässt. Klingt wie ein Kindergeburtstag mit Sicherheitsprotokoll – ist aber deutlich düsterer.
Kindermond mit bitterem Beigeschmack
Die Kleinen wirken verängstigt, verloren, hilfsbedürftig – und Tuvok wird, ganz in vulkanischer Ruhe, zur Vaterfigur wider Willen. Klingt eigentlich ganz rührend, oder? So ein bisschen wie „Tuvok entdeckt seine weiche Seite“ meets „Pfadfinderlager in der Apokalypse“.
Doch die Idylle trügt. Und wie.
Denn diese Kinder sind keine typischen Knirpse. Sie altern nicht einfach, sie verwandeln sich. In Wahrheit sind sie Mitglieder der Drayan-Spezies – und ihre „Kindheit“ ist das letzte Stadium ihres Lebens. Ein brillanter, morbider Dreh, der mal eben das ganze Thema „Lebensende“ auf den Kopf stellt.
Witziges (oder eher makabres) Detail: In der Star Trek-Chronologie haben wir schon öfter das Motiv der altersumgekehrten Spezies gesehen – etwa bei den Ocampa (Kes, gespielt von Jennifer Lien), deren Lebenszeit nur neun Jahre beträgt. Hier aber wird’s besonders existenziell: Diese Kinder wissen, dass sie sterben. Und akzeptieren es.
Trivia: Die Drayan sind eine reine Frauen-Spezies, mit einer religiös-mystischen Führung. Ihre oberste Vertreterin wird gespielt von Samantha Paris, die ansonsten vor allem als Synchronsprecherin aktiv ist (z. B. in Animaniacs).
Tuvok als Vaterfigur? Logisch!
Die Folge lebt von Tuvoks stiller, stoischer Art, mit Kindern umzugehen. Er erzählt ihnen vulkanische Fabeln, beruhigt sie mit Logik, baut Strukturen – ein bisschen wie ein pädagogischer Fels in der Brandung.
Das ist eine schöne Erinnerung daran, dass vulkanische Logik nicht gleich Gefühlskälte ist. Im Gegenteil: Tuvok handelt mit Respekt, Geduld und Weitsicht.
Als sich am Ende herausstellt, dass die Kinder freiwillig auf dem Mond sterben wollten – als Teil eines rituellen Übergangs – steht er nicht im Weg. Er akzeptiert ihren Weg. Und das ist vielleicht die bewegendste Szene der Episode.
Easter Egg: In der Kinderschar finden sich Namen, die subtil auf klassische TOS-Folgen anspielen – z. B. „Elani“, ähnlich klingend wie „Elas“ aus Brautschiff Enterprise.
Was wir daraus lernen können: Kindheit ist keine Garantie für Unschuld
Die Folge spielt bewusst mit unseren Assoziationen: Kinder = unschuldig, schutzbedürftig, „gut“. Aber hier wird klar: Alter ist keine moralische Kategorie. Und unser Blick auf Leben und Tod ist nicht universell.
Gerade in unserer heutigen Zeit, in der wir kulturell so unterschiedlich mit Sterben und Altern umgehen – von Sterbehilfe bis zur Angst vorm Älterwerden –, wirft Die Unschuld wichtige Fragen auf: Was, wenn wir akzeptieren würden, dass das Ende nicht das Ende ist, sondern ein Teil des Kreises?
Ein bisschen was von Logan’s Run, ein Hauch Midsommar, alles eingepackt in den Trek-Gedanken: Vielfalt ehren, auch wenn sie schwer zu begreifen ist.
Fazit
Die Unschuld ist kein Actionkracher und auch keine klassische Moralfabel – aber sie ist ein stilles, nachdenkliches Kammerspiel mit einem bizarren, aber tiefsinnigen Konzept. Tuvok brilliert in ungewohnter Rolle, das Worldbuilding der Drayan ist kreativ und der Plot twistet sich charmant aus der Kindheitsklischee-Falle.
Am Ende bleibt ein leicht mulmiges, aber ehrliches Gefühl: Leben ist Veränderung – manchmal auch, wenn’s keiner erwartet.
Infos zur Folge
Folgentitel: Die Unschuld (Innocence)
Drehbuch: Lisa Klink
Story: Anthony Williams
Showrunner: Jeri Taylor
Regie: James L. Conway
Folgenbezeichnung: Staffel 2, Episode 22 (deutsche Zählung), Episode 22 (US-Zählung)
Deutsche Erstausstrahlung: 4. März 1997 (Sat.1)
US-Erstausstrahlung: 8. April 1996 (UPN)
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Warpskala
WarpskalaPositiv
- Überraschender Storytwist
- Tiefgründiges kulturelles Thema
- Tuvok in starker Charakterrolle
Negativ
- Kinderschauspiel etwas holprig
- Drayan-Kultur bleibt etwas vage
- Wenig Spannung auf der Voyager-Seite
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