Während Captain Picard und seine Crew versuchen, einer heimatlosen Zivilisation eine neue Zukunft zu ermöglichen, lauert im Schatten eine Bedrohung, die alles zunichtemachen könnte.
Dieser Roman bringt nicht nur Spannung und klassische Star Trek-Moral in Einklang, sondern bietet auch starke Charaktermomente und überraschende Wendungen. In dieser Rezension werfen wir einen genauen Blick auf Handlung, Figurenentwicklung und die kleinen, feinen Details, die Fans besonders schätzen könnten.
Ein Neuanfang mit Schatten
Die Handlung knüpft direkt an die Ereignisse aus Aussaat an. Die Enterprise unter Captain Picard ist weiterhin mit der Umsiedlung der Dokaalaner beschäftigt, jener vom Schicksal gebeutelten Spezies, die man noch aus Star Trek: Enterprise kennt. Die Lage bleibt aber angespannt. Die Kolonie in der verlassenen Asteroidenanlage ist instabil – politisch, sozial und sogar ganz wörtlich. Und als wäre das nicht genug, kommt es zu Sabotageakten, die die gesamte Mission gefährden.
Anfangs geht es um logistische Herausforderungen: Wie bringt man tausende Menschen sicher auf einen neuen Planeten? Doch schnell entwickelt sich das Ganze zu einem deutlich düsteren Szenario. Die Crew entdeckt, dass sich unter den Dokaalanern ein fremdes, feindlich gesinntes Wesen eingeschlichen hat – ein Gestaltwandler, der Chaos stiftet und Vertrauen zerstört. Es ist kein Wechselbalg vom Dominion, sondern ein anderer, weniger bekannter Vertreter dieser Fähigkeit – ein schönes Detail, das echten Fans ein Grinsen ins Gesicht zaubern dürfte. Dayton Ward und Kevin Dilmore streuen solche Easter Eggs mit Feingefühl, ohne aufdringlich zu wirken.
Charaktere, wie man sie sehen will
Captain Jean-Luc Picard bleibt der ruhige, kluge Fels in der Brandung, aber auch er zeigt in diesem Roman Ecken und Kanten. Er gerät in ein moralisches Dilemma: Soll er gegen jeden diplomatischen Instinkt mit Härte durchgreifen – oder kann er auf Vertrauen setzen, obwohl alles dagegen spricht? Eine Szene, in der er selbst in ein Feuergefecht gerät, wirkt auf den ersten Blick übertrieben. Aber sie zeigt auch: Picard ist bereit, sich selbst in Gefahr zu bringen, wenn es um das große Ganze geht. Und das ist tief in seiner Figur verwurzelt.
Dr. Beverly Crusher hat in Ernte einen der emotionalsten Handlungsstränge. Sie steht vor einer großen Entscheidung: Bleibt sie an Bord der Enterprise oder wechselt sie ins Hauptquartier, um in der medizinischen Leitung der Sternenflotte zu arbeiten? Ihre innere Zerrissenheit ist greifbar. Man merkt, dass sie sich mit dieser Entscheidung nicht nur beruflich, sondern auch emotional auseinandersetzt – sie kämpft mit der Angst, ihre Crew, ihre zweite Familie, zu verlassen.
Worf bleibt der typische Worf – loyal, stoisch, bereit zum Kampf –, aber auch bei ihm blitzen Momente der Selbstreflexion durch. Er fragt sich zunehmend, ob sein Platz wirklich noch auf der Brücke eines Föderationsschiffes ist. Das deutet bereits vorsichtig in Richtung seiner späteren Entwicklung in der Romanreihe und verleiht dem Charakter mehr Tiefe.
Auch Geordi La Forge darf ein paar starke Szenen abliefern – nicht nur als Technik-Genie, sondern auch als Vermittler in angespannten Momenten. Leider bleiben manche Nebenfiguren wie z. B. Commander Vale etwas blass, obwohl sie Potenzial hätten.
Was das Buch stark macht
Der Roman punktet besonders durch seine Atmosphäre: Die Mischung aus Hoffnung und Bedrohung zieht sich wie ein roter Faden durch die Kapitel. Der Aufbau der Spannung – von kleinen Zwischenfällen hin zu einer offenen Bedrohung – ist gut getimt. Dass sich die Autoren Zeit nehmen, die politischen und sozialen Spannungen innerhalb der Dokaalaner zu beleuchten, verleiht dem Buch Tiefe. Die Einbindung von bekannten Serienelementen wie dem gestörten Vertrauen nach dem Dominion-Krieg oder Picards philosophischer Führungsstil fühlt sich vertraut und gleichzeitig frisch an.
Und ein bisschen Fanservice ist auch drin: Wer genau hinschaut, entdeckt kleine Andeutungen an vergangene Missionen der Enterprise und eine Verbeugung in Richtung der Enterprise-Prequel-Serie. Selbst die deutsche Übersetzung von Björn Sülter bleibt dabei angenehm flüssig – man merkt, dass hier jemand übersetzt hat, der die Materie liebt.
Wo es hakt
Ein paar Entscheidungen der Charaktere wirken fragwürdig – etwa warum ein enttarnter Verräter weiter ungehindert handeln kann, oder warum Picard unbedingt selbst in gefährliche Situationen geht, wo man einen Außenteamleiter schicken könnte. Das sind typische „dramatische Zuspitzungen“, die etwas aufgesetzt wirken. Auch hätte man sich gewünscht, dass andere Figuren der Crew mehr Raum bekommen – besonders, da man bei einer Serie wie Star Trek immer das große Ganze im Blick hat.
Fazit
Ernte ist ein würdiger Abschluss der Dokaalaner-Handlung. Es ist kein reines Actionbuch, sondern ein Roman, der sich Zeit nimmt – für Gespräche, für Nachdenken, für Diplomatie, aber auch für Spannung. Wer Star Trek wegen seiner ethischen Tiefe und seiner nachdenklichen Figuren liebt, wird hier definitiv auf seine Kosten kommen. Für alle, die mehr Explosionen wollen, mag’s zwischendurch zu ruhig sein – aber echte Trekker werden sich zu Hause fühlen.
Warpskala
Warpskala- Star Trek Enterprise – 077 – Sturmfront Teil 1 - 14. Juni 2025
- Star Trek Voyager – 037 – Die Verdoppelung - 13. Juni 2025
- Star Trek Voyager – 035 – Lebensanzeichen - 7. Juni 2025