Auf der letzten Welt der Superintelligenz – die RAS TSCHUBAI in Geiselhaft.

Die VECU
© Pabel-Moewig Verlag KG

Titel: Die VECU
Autor: Michael Marcus Thurner
Titelbild: Dirk Schulz
Erschienen: 06.03.2020

Zur Handlung

Kaum an Bord der RAS TSCHUBAI übernimmt die VECU durch ihren Parolgeber Bru Schaupaard Kommando und Kontrolle über das Schiff. Auch ANANSI wird überwältigt, doch diese kann Widerständlern um Tolotos ein Zeitfenster ermöglichen, den Krisenfall Philippi zu initiieren. Trotzdem gerät selbst Tolot letztlich in Gefangenschaft, doch mithilfe der Posbis und ANANSIS Schatten Oman arbeitet man an der Befreiung.

Diverse Welten werden angeflogen – schlussendlich Vunun, wo die VECU kultisch verwahrte Tote im Totenwald der Vun zur Stärkung in sich aufnimmt und sich so dem Kampf gegen die Kandidatin Phaatom stellen will. Zum Dank entlässt die die übernommene RAS TSCHUBAI aus „ihrem Dienst“. Nach Lecken der Wunden will man Ancaisin verlassen und zurück in die Milchstraße.

Die Drei Ultimaten Beobachtungen

1. Icho, die von der Maschine bekämpfte Kampfmaschine

Enorm starker Auftakt und Einstieg in die Handlung, wie sich Tolotos dem Zugriff durch die VECU übernommener ANANSI entziehen, ja von der RAS TSCHUBAI entkommen will. Nicht nur, dass DER HALUTER an vorausdenkenderer ANANSI scheitert, sondern mit einer völlig unbekannten Waffe kann er sogar paralysiert werden trotz Strukturumwandlung. Gab’s das schon einmal? Haluter sind doch verletz- und besiegbar? Hatte mit einem fließenden Handlungsübergang gerechnet und war so unverhofft mitgerissen.

Auf Umwegen doch aus dem Suspensionsalkoven befreit agiert Tolot dann wohlbekannt als lenkendes Planhirn im Widerstand gegen die VECU. Weniger wohlbekannt jedoch, dass und wie ausschließlich planhirnvoll er einen Phersunenraumer „rückstandslos“(!) vernichtet, damit dieser bei Vunun VECUS Reha-Phase nicht stört. Da musste selbst rigoroser handelnder Onker Dou schlucken und nicht nur der, wie gnadenlos entscheiden Tolot hier agiert.

All das ist stark inszeniert und rückt Tolotos weit in den Vordergrund. Ein anderes Problem habe ich mit dem Haluter dennoch in diesem Zyklus und speziell in der Ancaisin-Handlungsebene: Kann es nicht konkret festmachen, aber er verhält sich von diesem Extremum abgesehen zunehmend menschlich. Bzw. er redet irgendwie „normaler“, hat für mich nicht mehr den rein abgeklärten Haluter-Sprech auf den Lippen. Mehrfach soll er sogar schon „gelächelt“ haben. Auch lässt er sich von jedem Dahergelaufenen inzwischen mit „Icho“ anreden und nicht förmlich mit „Tolot“. Fühlt er sich mehr denn je seinen Kleinen verbunden? Das ist nicht schlimm, liest sich aber jenseits solcher „Haluter-Momente“ so normal, als wäre es gutmöglich auch nur ein kräftiger Ertruser oder Oxtorner, den wir da vor uns haben.

2. ANANSI, die verlor und wen

In Ancaisin fiel ANANSI schon mehrfach durch gewisses „Menscheln“ oder sonstige Eigenarten auf. Diesmal kann sie für ihr Handeln nichts, da sie kurzerhand, wenn auch mit 18-sekündiger Gegenwehrphase von der VECU übernommen wird. Dass irgendwie „außerhalb“ von ihr für die Schiffsführung der „Krisenfall Philippi“ geplant und situativ initiiert wird, mag ja noch sein.

Dass in einer Art Backup-Programm ganz ohne ihr sonst allschiffumfassendes Wissen ihr „Schatten“(-Programm) namens Oman aktiviert werden kann, das alleine dem Schiffswohl verpflichtet mit den Philippi-Widerständlern im Schatten von ANANSIS Wahrnehmung konspiriert, ist … Ja, das ist schon konsequent redundant angelegt und für solcherart Krisenfälle klug vorausgedacht. Das ist aber auch (für uns Unbedarfte) „Deus ex Machina par excellence“. Am Ende soll er, Oman, wieder in ANANSI aufgehen, ihr auch bei der entstandenen Verwirrung helfen, bevor es in die Milchstraße zurückgehen kann. Ob er also nochmal auftaucht, ist fraglich, was ihn nur umso mehr zum bloß nützlichen Deus machen würde.

Meins ist das letztlich nicht, ohne zu wissen, wie es sinnvoll anders zu konzeptionalisieren wäre. So versuchen wir, mit ANANSI warm zu werden im Zuge ihrer Veränderungen (sie zeigt sich ja auch längst nicht mehr als etwa 5-jähriges naives Kind, sondern als junge Frau), um urplötzlich mit ihrem Alterego klarkommen zu müssen. Der ist dann auch entgegengesetzt ein eher älterer er, obwohl er doch gerade erst „programmiert“, als Backup gezogen wurde. Erinnert etwas an ES und Anti-ES, auch wenn jetzt niemand verbannt und abgespalten wird.

3. VECU – vécu

Fragen? Antwort: Totschlagargument: „VECU war geschwächt.“

Damit sei gleich kritisch formuliert, womit ich meine Probleme rund um die VECU resp. ihr Agieren habe. Ich kann einfach null und nichtig ab- und einschätzen, wann, wieso VECU was situativ eigentlich kann, können sollte und doch nicht vermag. Einerseits derartige „Schwundstufe“, dass bloß 6 Wesen als Gefäßanker ausreichen, sie an Bord zu holen, wo man sie zuerst medizintechnisch überhaupt nicht erfassen kann. Andererseits so stark, ANANSI zu überwältigen und mit ihr unter Kontrolle und durch zunehmend überlasteten Parolgeber Bru Shaupaard die RAS TSCHUBAI befehligen und manövrieren zu können. Und weder ANANSI noch psimental VECU bekommen dann irgendwas vom Lug und Trug der Widerständler mit?

Sodann nach Vunun, die letzte Welt der VECU (NICHT: Vecuia wie in Vorwoche), um „aufzutanken“. Zwar will Autorenheit MiMaThu sich die „grauslichen Dinge“ der Vun nicht ausgedacht, sondern von der Expo aufgezwungen bekommen haben. Alles auf Vun mutet mit den für die VECU kultisch angelegten Totenwäldern mit doch noch irgendwie neuroelektrisch aktiven Totenschädeln sowohl gruselig als auch eher fantasyesk an. Das finde ich erst einmal in Ordnung, die Kultur der Vun in ihrer rigorosen Ausrichtung auf die VECU sogar sehr spannend. Weil mir hier viel zu kurz abgehandelt, würde ich gerne eine ethnologische Miniserie hierzu lesen von vor und vor allem von nach diesem VECU-Erweckungs-Ereignis.

Und dennoch stört mich auch hier, wie wenig das für mich nachvollziehbar ist, auf welches psimentale Level sich VECU damit hievt, wie nahe sie ihrer ursprünglichen Konstitution damit gekommen ist und was sie in dem neuen Zustand bewirken kann. Und mich echt überrumpelnd: Hiernach sind die Galaktiker aus dem (zeitweisen Zwangs-)Dienst der VECU entlassen und können, wollen aber auch schnellstmöglich in die Milchstraße zurück. BITTE? NICHTS ist in Ancaisin gewonnen, Status der VECU vage bis unklar trotz allem und dann düst man flugs wieder ab, um mit nichts als Unwissen in der Heimat aufzuschlagen? Nichts konkret gegen die Kandidatin Phaatom in der (cairanischen Außen)Hand, Perry & Co. im Nirgendwo ausgesetzt und zurückgelassen …

Wer übrigens dachte, VECU wäre xenolinguistisch sauber ersonnen worden von der feinen Expokratie, irrt! VECU sehr sicher von Frz. „vécu“, was so viel wie „erlebt“ bedeutet und von „vivre =leben“ kommt. Eine lebenswohlwollende Superintelligenz schon dem Namen nach, die sich gegen die phantomhaften, alles, das Leben, das Universum und den ganzen Rest verschlingende Grauschleier der Kandidatin Phaatom stellt!

Fazit zu „Die VECU“

Der Roman „Die VECU“ war für MiMaThu „nicht ganz leicht zu konstruieren“, es gab Diskussionen zur Kapitelbenennung und zu wenig Platz für Zwei-Romane-Inhalte obendrein. Ich wiederum fand den Einstieg inmitten der Tolot-Handlung richtig stark und mitreißend. Die nachträgliche Hinführung, wie es zu seinem wilden Ausbruchversuch kommen musste, geschickt plaziert, bevor es ab Kapitel 5 dann handlungsgegenwärtig linear weiterging.
Zusätzliche Fleißarbeit kam dann noch wegen extra angepasster Romanpassagen für Dirk Schulzens Titelbild hinzu, das auch der Chefredakteur „immer noch stark“ findet.

„Rings um Tolot gruppiert der Autor eine Reihe anderer Figuren, sodass der Leser unterschiedliche Blickwinkel erhält. Schöne Kombination!“ Dem ich nur zustimmen kann trotz zuvor genannter Fragezeichen. So gefällt besonders Onker Dou als „sperrige Figur“, die gleich einem „hochrangigen Mitarbeiter des Innenministeriums“ der RAS TSCHUBAI nicht zum letzten Mal auftritt. Wie es der Autor am trefflichsten selber sagt: „Solche Leute müssen – und dürfen – keine strahlenden Optimisten sein, die überall nur Glückseligkeit verbreiten. Wer für Sicherheitsfragen zuständig ist, muss misstrauisch, ja, fast neurotisch sein.“ Check – das war er!

Im weiteren Nebenfiguren-Ensemble noch erneut Pen Assid, die viel staunt, aber ihre Stärken m.E. wieder nicht umgesetzt bekommt; und wackerer Posbi Gustav, auch der wiedergekehrt worden sein wird. All diese gefielen, genug Zug war in der Handlung, nur echt Aktion für zwei Romane in einem. Hätte auch so viel mehr über die Vun-Kultur erfahren mögen, v.a. wie es ohne ihren Lebens- und Totensinn für sie nun weitergeht. Auf keinen Fall würde ich es aber so kritisch wie der Autor in seinem Blog über „Die Vecu“ sehen: „Ich sollte endlich mal dafür sorgen, dass meine Figuren rascher auf den Punkt kommen und nicht so viel schwafeln.“ Nö, im Großen und Ganzen bloß weiter so machen!

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Dominic Schnettler
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2 Gedanken zu „[Perry Rhodan 3055] Die VECU“
  1. Gegrüßt.
    Danke für die oxtornischen Vulkansturmrosen.
    Wie fandest du denn den Roman als solchen?
    Und dass die Ancaisin-Ebene nach bloß zwei weiteren heften (nach zuvor 6+4) so kurzerhand vollendet wurde – vermutlich auf Dauer?
    Aus dem sagenhaften Galaxien-Geviert der VECU ist damit nur Ancaisin geworden, für den Rest hat man sich an keiner Stelle interessiert, hat (wenn ich es richtig im Kopf habe) weder Infos hierzu erhalten (genau so / schlimmer / ignorierte Gegenden) noch sich drum bemüht.
    Fraglich auch, weil so losgelöst von allem, was mit dem Telekinetischen Imperium ist, dem Zweisamen Herzogtum. Ob es irgendwann heißt, die hätten sich doch aus dem Wasser “erhoben” und sind der VECU zur Hilfe wider Phaatom gekommen?
    Einen Überblick über die Galaxis haben wir so nicht erhaltne, nur schlaglichtartig einige Systeme angeflogen, die vielfach ja vektormaterialisiert wurden.

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