Schafft es die Filmadaption von V wie Vendetta der Comicvorlage gerecht zu werden?
Alles auf Anfang
Alan Moore hat im Laufe seiner Comickarriere viele Meisterwerke erschaffen, die teilweise verfilmt wurden, wobei die entsprechenden Ergebnisse qualitativ nicht so ganz überzeugen konnten. Man denke beispielsweise an Die Liga der Außergewöhnlichen Gentlemen, der mit der Vorlage nahezu nichts gemeinsam hatte und auch allgemein eine Riesenenttäuschung war.
Als dann bekannt wurde, dass mit V wie Vendetta die nächste Filmadaption eines Meisterwerkes von Alan Moore in Arbeit war, war dementsprechend die Skepsis vieler Comicfans groß. Wobei die Namen der Leute, die im Hintergrund der Verfilmung aktiv waren, durchaus vielversprechend waren. Denn niemand Geringeres als die Wachowskis, die Macher der legendären Matrix-Reihe, waren involviert. Gemeinsam mit Joel Silver und Grant Hill wurden sie die Produzenten des Films.
Und eine der ersten Maßnahmen, die die Geschwister vornahmen, war das ursprüngliche Drehbuch von Hilary Henkin (Wag the Dog) komplett zu überarbeiten. Denn sein Skript hatte nur wenig mit der Vorlage zu tun und enthielt viele satirische und surrealistische Elemente, die in dem Comic nicht vorhanden waren. Gleichzeitig heuerten sie mit James McTeige jemanden an, mit dem sie auch bei der Matrix-Trilogie zusammengearbeitet hatten. Dort war er Assistant Director, dies wurde seine erste eigene Regiearbeit.
Ein rundum gelungener Cast
Alan Moore selber distanzierte sich allerdings von dem Projekt. Auf Grund seiner negativen Erfahrungen, was die Verfilmungen seiner Werke From Hell und Liga der außergewöhnlichen Gentlemen anging, wollte er nichts mit der neusten Adaption zu tun haben. So kritisierte er beispielsweise die Tatsache, dass seine Geschichte zu einer Konfrontation zwischen dem amerikanischen Neokonservatismus und dem amerikanischen Liberalismus umgeschrieben worden sei. Der Künstler des Comics, David Lloyd, unterstützte hingegen den Film und meinte, dass sein Kollege nur dann zufrieden sei, wenn es sich wirklich um eine buchstabengetreue Adaption handeln würde. In jedem Fall erwirkte Alan Moore, dass sein Name komplett aus der Verfilmung herausgenommen wurde.
In Sachen Casting wurde zunächst James Purefoy als V, die männliche Hauptfigur des Films, gecastet. Doch nach sechs Drehwochen verließ er das Projekt wieder, wohl weil er Probleme mit dem ständigen Tragen der Maske der Titelfigur hatte. Sein Nachfolger wurde schließlich niemand Geringeres als Hugo Weaving, den Fans als Agent Smith aus der Matrix-Trilogie kannten.
Beim restlichen Casting wurde nicht gekleckert, sondern geklotzt, und zahlreiche namenhafte Schauspieler angeheuert. So übernahm niemand Geringeres als Natalie Portman, die man damals vor allem aus der zweiten Star Wars-Trilogie kannte, die Rolle der Evey Hammond. Für ihre Darstellung trainierte sie sich sogar einen englischen Akzent an. Der Ire Stephen Rea (Interview mit einem Vampir) erhielt die Figur Eric Finch, derweil der legendäre englische Darsteller und Comedian Stephen Fry zu dem Talk Show Gastgeber Gordon Deitrich wurde. John Hurt (Hellboy) schlüpfte in die Rolle des diktatorischen Anführers Adam Sutlers. Als Anführer der britischen Geheimpolizei, Peter Creedy, wurde Timothy Piggot-Smith (Gangs of New York) gecastet. Rupert Graves (Sherlock) wurde zur rechten Hand Finchs, Dominic Stone, derweil Roger Allam (Game of Thrones) zum Fernsehagitator Lewis Prothero wurde.
Erschreckend aktuell
England in der nahen Zukunft. Das Land wird von einer faschistischen und autoritären Partei regiert, deren Anführer: Präsident Adam Sutler. Geheimpolizisten bevölkern die Straße und können nach Belieben agieren. Die Bevölkerung wird mit Propaganda und Lügen ruhig gehalten.
Evey Hammond hält sich eines Tages nach Inkrafttreten einer Ausgangssperre auf den Straßen auf und wird prompt von Geheimpolizisten festgenommen, die mit ihr nichts Gutes vorhaben. Der geheimnisvolle V, ein Mann, der eine Guy-Fawkes-Maske trägt, rettet sie und nimmt sie mit in seinen Unterschlupf. Dort erfährt sie, dass er vorhat, die Regierung zu stürzen. Und sie wird seine Komplizin und Assistentin, etwas, was sie zunehmend in Gewissensprobleme stürzt.
V wie Vendetta ist ein Film, der mitunter erschreckend tagesaktuell erscheint. Wenn man die Hasstiraden, die Lewis Prothero regelmäßig im Fernsehen abfeuert, sieht, kommen einem unbewusst Parallelen zu gewissen amerikanischen Fernseh- und Onlinepersönlichkeiten, die ihren Hass ungefiltert abfeuern können. Dies ist wohl mit Grund, wieso diese Comicverfilmung so einflussreich geworden ist. Denn nicht ohne Grund hatte das Hackerkollektiv Anonymus die Guy-Fawkes-Maske von V als ihr Markenzeichen adaptiert.
Weichgespült?
Und gleichzeitig kann man aber auch verstehen, wieso Alan Moore sich von dem Werk distanziert hat. Denn im Vergleich zur Comicvorlage wurde es doch gewissermaßen „weichgespült“. Das macht sich besonders bei der Figur V bemerkbar, der in der Verfilmung ein klassischer Held ist, der keine Unschuldigen tötet. Doch in der originalen Geschichte, die in den 1980ern das erste Mal im britischen Comicmagazin Warrior erschien, hatte er keinerlei Skrupel, diejenigen umzubringen, die zwischen ihm und seinem Ziel standen. Auch passte die ursprüngliche Story besser zum damaligen Thatcherismus, der zwar einerseits Großbritannien modernisierte, aber andererseits für zahllose soziale Verwerfungen sorgte.
Trotzdem ist V wie Vendetta eine großartige Comicadaption, trotz oder gerade wegen der Veränderungen der Ursprungsstory. Es mag sein, dass die Story des Films im Vergleich harmloser wirkt. Doch das raubt ihrer Kernaussage nichts an Wucht. Es handelt sich eben um Anpassungen an die Gegebenheiten des Filmgeschäfts, die im Vergleich zu „Meisterwerken“ wie der schon oft in dieser Rezi erwähnte Liga der außergewöhnlichen Gentlemen harmloser und nicht so gravierend wirken.
Es gelingt den Machern dabei, die dystopische Realität der Comicvorlage gekonnt in den Film zu übertragen. Es ist kein “Big Brother is Watching You”, wie man es aus George Orwells Meisterwerk 1984 her kennt. Aber alles wirkt irgendwie grau oder schwarz, mit nur wenigen Farbtupfern, die auch nur wie gedämpft wirken. Die Staatsmacht wirkt allgegenwärtig und eine Person, der man auf der Straße begegnet, kann ein Undercover-Cop sein, der einen nur allzu gern einbuchtet und dabei seine Macht missbraucht.
Der Körper spricht
Dabei muss man vor der Arbeit der Schauspieler den Hut ziehen. Vor allem Hugo Weaving kann als V brillieren, obwohl man nie sein Gesicht sieht. Es gibt nur eine einzige Szene, in der er ohne die Guy-Fawkes-Maske, die ja sonst sein komplettes Antlitz verdeckt, agiert. Und selbst da trägt er eine Maske, so dass man nie weiß, wie das Gesicht des Charakters aussieht. Man kann nur vermuten, dass es wie der Rest seines Körpers vernarbt und entstellt sein muss.
In jedem Fall muss der Darsteller in V wie Vendetta auf Grund der nicht sichtbaren Mimik sehr viel durch seine Körpersprache ausdrücken, was Hugo Weaving problemlos gelingt. Durch kleinste Gesten drückt er Mitleid, Selbstbewusstsein oder Glücksgefühle aus. Man erfährt über ihn im Film, dass er ein hoffnungsloser Romantiker ist, der vor allem Gefallen an den Douglas-Fairbanks-Filmen gefunden hat. Und er ist ein meisterhafter Planer, der den Fall der Regierung von langer Hand vorbereitet.
Natalie Portman bildet als Evey Hammond den perfekten Gegenpart. Sie geht in einigen Szenen wirklich bis zur darstellerischen Schmerzgrenze und macht eine unglaublich gute Arbeit dabei. Ihre Figur ist auf Grund ihrer Familiengeschichte vom Regime quasi schon vorverurteilt und durchläuft im Laufe der Story eine Wandlung von einer unschuldigen Frau hin zu einer Rebellin, die gleichberechtigt an der Seite von V agiert. Sie ist der heimliche Star von V wie Vendetta – die Person, um die sich im Prinzip alles dreht und die auch oft Auslöser von wichtigen Geschehnissen ist.
Mankos? Vorhanden.
Doch auch der Rest des Casts kann begeistern. Sei es Stephen Rea, der nach und nach entdeckt, was für eine grauenvolle und verborgene Geschichte der Staat hat, für den er arbeitet. Und der trotz aller Anweisungen aufzuhören weitermacht. Sei es Stephen Fry, der, inspiriert von Vs Taten, im falschen Moment meint, Freiheit zu haben. Oder natürlich auch John Hurt, der im wahrsten Sinne des Wortes von seinen Untergebenen distanziert ist, mit ihnen nur über einen großen Bildschirm kommuniziert und im Prinzip davon ausgeht, dass die Realität sich seinen Wünschen beugt. Und dabei zunehmend frustriert wird, als klar wird, dass diese das aufgrund von Vs Taten eben nicht tut.
V wie Vendetta ist ein grandioser Film, mit nur wenigen Mankos. Zum einen hätte die Behinderung der Ermittlungsarbeiten von Eric Finch noch ein wenig mehr ausgearbeitet werden können, denn allzu oft hat man den Eindruck, dass er zu sehr freie Hand hat, obwohl dem Regime klar ist, dass er in Richtungen ermittelt, die den Herrschenden gefährlich werden können. Und zum anderen würde man sich auch mehr an Reaktionen auf den Tod eines Kindes wünschen. Das Geschehen an sich wurde super vorbereitet, da das Kleinkind wiederholt auftauchte und genügend Szenen erhielt, in denen der Charakter sich hätte verändern können. Aber die Reaktionen auf dessen Ableben wirken etwas zu plötzlich, zu passend, so, als ob die entsprechenden Personen nur darauf gewartet hätten, dass etwas geschieht.
Doch das sind nur zwei geringe Kritikpunkte. Denn abgesehen davon ist dieser Film ein Werk, der an Wirkung und Aussage bis heute nichts verloren hat.
Warpskala
WarpskalaPositiv
- Hugo Weavings Schauspielarbeit
- Grandioser Cast
- Alle Schauspieler können begeistern
Negativ
- Behinderung von Eric Finchs Ermittlungsarbeiten hätten mehr ausgearbeitet werden können
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