Was ist Die Tugend der Bösartigen?
Es spitzt sich zu
Lewis Wilson (Daniel Webber) verübt ein Attentat auf den Senator Stan Ori, der eine Spendenkampagne für Opfer seiner Bombenanschläge plant. Wilson, der sich für das Recht auf freien Waffenbesitz ausspricht, tötet dazu zuvor einen Anvilwachmann und schleicht sich in dessen Arbeitskluft in das Hotel, wo der Staatsmann von Karen Page (Deborah Ann Woll) interviewt.
Doch was genau davor und danach geschehen ist, das bleibt lange unklar. Weshalb der ermittelnde Polizist den Ablauf der Ereignisse durch diverse Zeugenaussagen zusammenbastelt. Auch wenn diese sich teilweise zu widersprechen scheinen.
Mit Die Tugend der Bösartigen beendet die Punisher-Reihe leider den Lewis Wilson-Plot. Was insofern schade ist, als dass ja bereits Front Toward Enemy bewiesen hat, dass dies die beste und unterhaltsamste Handlung der Serie ist. Immerhin werden die Ereignisse der Folge dazu genutzt, um auch die andere Haupthandlung, das Rätsel um die Vorkommnisse in Kandahar und die Verschwörung innerhalb der US-Behörden, signifikant voranzutreiben.
Verschiedene Aussagen, verschiedene Perspektiven
Das Besondere an dieser Folge ist ihr Aufbau. Denn sie wird überwiegend in der Form von Rückblenden erzählt. Man sieht am Anfang der Episode das Endergebnis. Aber man weiß nicht, was wirklich vorgefallen ist.
Und dabei kommen in Die Tugend der Bösartigen allerlei Leute zu Wort. Der Senator versucht sich natürlich als Held darzustellen und beschuldigt den Punischer, Lewis Wilson geholfen zu haben. Karen Page widerspricht. Madanis Aussagen unterstützen Karen Pages Aussagen, derweil Billy Russo sehr daran interessiert ist, den Ruf seiner Firma zu schützen.
Welche Personen nicht interviewt werden, sind Frank Castle und Lewis Wilson. Aus Gründen, die dann im Laufe der Episode klar werden. Aber hierdurch wird die nötige Spannung erzeugt, die wichtig ist, damit man als Zuschauer dranbleibt.
Es ist noch Empathie über
Und das lohnt sich in Die Tugend der Bösartigen durchaus. Eben dadurch bedingt, dass man nur nach und nach erfährt, was vorgefallen ist. Dass sich das wahre Geschehen erst aus den einzelnen Aussagen zusammensetzt, die sich teilweise nur geringfügig überschneiden oder gar komplett erlogen sind, wie die des Senators.
Für Lewis Wilson ist diese Folge der Endpunkt seiner Entwicklung. Es ist interessant zu sehen, wie kaltblütig er mittlerweile jemanden umbringt, nur um an dessen Uniform zu kommen. Er aber auch gleichzeitig dessen Haustiere, zwei Wellensittiche, den Weg zur Freiheit ermöglicht. Das zeugt von einer gewissen Empathie, er will sie nicht umkommen lassen, nur weil er ihr Herrchen getötet hat.
Es ist in Die Tugend der Bösartigen eine interessante Beobachtung, ein kleiner Lichtblick bei einer Figur, die ansonsten eher negativ auffällt. Die mittlerweile komplett zu einem Terroristen geworden ist, zum Kämpfer für eine, seiner Meinung nach, wichtigen und gerechten Sache. Und dabei vollkommen rücksichtslos über Leichen geht. Was für eine Entwicklung, wenn man bedenkt, in welchem Zustand er sich noch zu Beginn der Serie befand, wo er orientierungslos war, traumatisiert. Jetzt hat er seine Traumata besiegt, aber leider auf eine fatale und bedenkliche Art und Weise.
Die finale Konfrontation
Es ist dabei auch die finale Konfrontation mit Frank Castle. Wo ein Mal mehr die Unterschiede zwischen den beiden deutlich werden. Wo Lewis Wilson mittlerweile über Leichen geht, um ans Ziel zu kommen, tut Castle alles, um Leben zu schützen. Denn, wie ja in „Front Toward Enemy“ klar gemacht wurde, tötet er nur die absolut Schuldigen. Weshalb er ja ebenfalls Karen Page schützt und es vermeidet, die Wachleute zu töten, auch wenn sie ihn jagen.
Die Entwicklung bei Madani ist in Die Tugend der Bösartigen ebenso interessant. Es scheint so, als ob ihre Theorien über die Verschwörung endlich die richtigen Ohren erreicht hat, weil ein Vorgesetzter sie wieder in den Dienst versetzt. Und hier zeigt sich, dass sie langsam keinen Nerv mehr für irgendwelchen Bullshit hat. Sie lässt Billy Russos Avancen ins Leere laufen und betont gegenüber dem Punisher, dass sie bereit ist, mit ihm zusammenzuarbeiten.
Dabei erlebt sie im späteren Verlauf der Folge mit, dass Russo bewusst auf einen Frank Castle schießt, der wehrlos ist, der die Hände erhoben hat. Noch gibt es in dieser Episode keine Konsequenz davon. Aber es dürfte die Beziehung zwischen den beiden völlig verändern. Wie sehr, muss sich dann noch zeigen.
Hoffnung fürs Finale?
Und es sind eben diese Ereignisse, die einem Hoffnung für die noch ausbleibenden Episoden machen. Lewis Wilson mag tot sein, er sprengt sich spektakulär selber in die Luft, nachdem ihm klar geworden ist, dass er sich in eine Ecke manövriert hat, aus der es kein Rauskommen mehr gibt. Doch die Konsequenzen seiner letzten Tat sind enorm. Madani hat jetzt eine Vermutung, dass Russo Dreck am Stecken hat, genauso wie Frank Castle. Und wie Russo darauf reagieren wird, ist noch offen. Aber vermutlich wird er über kurz oder lang den Befehl kriegen, Madani zu töten.
Lewis Wilsons Plot ist mit Die Tugend der Bösartigen vorbei. Doch die Spannung bleibt erhalten. Hoffentlich wird es ein gelungenen Staffelfinale.
Info
Drehbuch: Ken Kristensen
Showrunner: Steve Lightfoot
Regie: Jim O’Hanlon
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