Kann Marvel mit The Marvels endlich wieder überzeugen?

Probleme über Probleme über Probleme

Wer meine Stand der Dinge-Kolumnen gelesen hat, speziell die zu dem Thema MCU, das Update und die letzte, zu The Marvels, der weiß, dass es bei Marvel gerade nicht rund läuft. Vor allem in diesem Jahr machte sich das bemerkbar mit dem Kinoflop Ant-Man & The Wasp: Quantumania, der der erste Flop des MCUs seit langem war. Und die Serie Secret Invasion konnte ebenfalls nicht überzeugen, sondern sorgte für den mit einer KI erstellten Vorspann für erhebliche Kontroversen. Womit sich der Trend der vierten Phase mit Problemen und mauen oder problematischen Einspielergebnissen auch in der fünften fortsetzte.

Natürlich war nicht alles schlecht. Guardians of the Galaxy vol. 3 war ein Erfolg, der gleichzeitig für die Chris Pratts Charakter Star-Lord weitere Abenteuer andeutete. Und die zweite Loki-Staffel konnte vor allem in den letzten beiden Episoden vollends begeistern. Doch sind dies Ausnahmen, die am Ende nicht wirklich dafür sorgten, dass die Kritiker, die unter anderem eine Müdigkeit bei Superhelden-Verfilmungen wahrnahmen, verstummten.

Weshalb sich auch viele Augen auf The Marvels richteten, der am 9. November hier in Deutschland in die Kinos kam. Würde der Film die Kritiken verstummen lassen? Oder würde es ein weiterer Flop werden, der Wasser auf die Mühlen all jener ist, die meinen, dass das MCU mit dem Ende der dritten Phase gestorben ist und alle weiteren Phasen ein Fehler waren?

The Marvels

Rückkehrer und Debütanten

Man sieht, die Erwartungen an den Film waren hoch. Denn alles andere als ein überzeugendes Filmabenteuer, das sich auch den Kassen finanziell behaupten würde, wäre in nicht gerade wenigen Augen ein Flop. Ob das jetzt gerechtfertigt ist oder nicht, steht dabei nicht zur Debatte.

Die Vorproduktion zu The Marvels fing bereits im Januar 2020 an, als die Drehbuchautorin Megan McDonnel angeheuert wurde, um das Skript zu verfassen. Sie selbst hatte zuvor die Drehbücher zur Wandavision-Serie geschrieben. Auch wurde bekannt, dass Brie Larson ihre Rolle als Captain Marvel wieder aufnehmen würde. Als Regisseur wünschte sich Marvel Studios eine Frau und heuerte im August 2020 die afroamerikanische Regisseurin Nia DaCosta an. Damit war dies der erste Film des MCUs, der von einer farbigen Filmemacherin gedreht wurde.

Für DaCosta war es der erste Bid Budget-Film. Zuvor hatte sie mit dem Krimidrama Little Woods (2018) sowie Candyman (2021) für Aufmerksamkeit gesorgt. Bei allen Kinofilmen war sie auch mit in das Schreiben des Drehbuches involviert. Sie selbst sagte von sich, dass sie ein Comic Nerd sei und dass man ihr bei den Dreharbeiten die nötige Freiheit gab, so dass sie keine Marionette sei.

Guck-Empfehlungen

Ursprünglich sollte The Marvels am 11. November 2022 in die Kinos kommen. Doch im Oktober 2021 wurde der Release nach hinten verschoben auf den 17. Februar 2023. Und im April 2022 wurde der Starttermin auf den 28. Juli geschoben, ehe im Februar 2023 endgültig auf den 10. November gesetzt wurde, da Disney und Marvel Studios ihren inhaltlichen Output und die dazugehörigen Kosten überprüften.

Der Film war dabei nicht nur ein Sequel zu Captain Marvel. Ebenso spielten die Fernsehserien Ms. Marvel und Wandavision eine wichtige Rolle für die Story. Außerdem empfahl es sich Thor: Love and Thunder sowie die Hawkeye-Serie zu sehen, um gewisse Gastcharaktere identifizieren zu können.

Neben Brie Larson kehrte auch Samuel L. Jackson zurück. Die beiden hatten schon in Captain Marvel zusammen vor der Kamera gestanden. Aus Ms. Marvel kamen Iman Vellani als die Titelfigur, sowie Zenobia Shroff, Mohan Kapur und Saagar Shaikh als ihre Serieneltern sowie ihr serienältester Bruder hinzu. Teyonah Parris nahm ihre Rolle als Monica Rambeau aus Wandavision wieder auf. Vor allem die weiblichen Hauptdarsteller trainierten hart für ihre Rollen. Parris boxte, derweil Vellani viel Parkour übte, da dies mit der Art, wie sich ihre Figur bewegte, eng verbunden war. Neue MCU-Darsteller waren Zawe Ashton (Fresh Meat, Velvet Buzzsaw) als die Kree-Anführerin und Antagonisten Dar-Benn, Gary Lewis (Outlander) als der Skrullherrscher Dro’ge sowie der südkoreanische Schauspieler Park Seo-joon als Prinz Yan, der der Ehemann von Carol Danvers sein sollte.

The Marvels

Es gibt kein Dazwischen

Dar-Benn, die neue Anführerin der Kree, gelangt in den Besitz eines der Quantumbänder und verbindet dieses mit ihrem Stab. Auf diese Weise kann sie ein Sprungpunkt in das Teleportationsnetzwerk reißen, mit dem interstellare Spezies innerhalb kürzester von Ort zu Ort reisen können. Diese Anomalie wird von S.A.B.E.R., der Nachfolgeorganisation von S.H.I.E.L.D. geortet. Woraufhin Nick Fury Carol Danvers bittet, sich das näher anzusehen. Doch in dem Moment, bei dem sie bei der Anomalie ist, untersucht auch Monica Rambeu eine gleiche im Erdorbit. Und als sie sie berührt, wird zeitgleich das andere Quantumband im Besitz von Kamal Khan aktiv, wodurch es zu einem spontanen Ortswechsel der drei untereinander kommt.

Erst nach einigen Turbulenzen und Auseinandersetzungen mit den Kree gelingt es den dreien, alles zu analysieren und sich miteinander abzustimmen. Dabei wird ihnen klar, dass Dar-Been vorhat, anderen Planeten wichtige Ressourcen wie eine atembare Atmosphäre oder Wasser zu stehlen, um so ihren von einem Bürgerkrieg zu Grunde gerichteten Heimatplaneten Hala zu heilen. Dabei nimmt die Kree den Untergang anderer Zivilisation wissentlich in Kauf. Nur zu dritt können die Marvels sie aufhalten.

Vorab eins: The Marvels ist kein Film, der die Kritiker verstummen lässt. Im Gegenteil: Man hat das Gefühl, dass diejenigen, die dem MCU in der letzten Zeit ohnehin schon sehr kritisch gegenüberstehen, sich in ihrer Meinung bestätigt fühlen werden. Wenn man sich in diesen Kreisen umguckt, ist vom endgültigen Ende des MCUs die Rede, von 0 Punkten und einer unterirdischen Story. Auf der anderen Seite sind diejenigen, die sich von der gesamten Vorabberichterstattung und der negativen Vorerwartungshaltung nicht einschüchtern ließen, sondern sich ihre eigene Meinung bilden wollten oder ohnehin schon Hardcore-Fans des MCUs und der Figuren waren. Ein Dazwischen scheint gefühlt nicht zu existieren. Entweder man mag den Film, oder man mag ihn nicht.

Kein Meisterwerk

Dabei ist der Film kein Meisterwerk. Er hat seine Schwächen, seine Schwachpunkte, die dafür sorgen, dass er kein Klassiker ist wie beispielsweise Iron Man 1. Aber gleichzeitig hat er auch seine Stärken, seine positiven Seiten.

Und zu den Stärken gehört unbestreitbar die Harmonie zwischen den drei Hauptdarstellern von The Marvels. Man spürt förmlich, wie gerne die drei zusammengearbeitet haben und sich wunderbar ergänzt haben. Vor allem für Iman Vellani dürfte es das reinste Vergnügen gewesen sein, da sie ein bekennender MCU-Fan ist. Man spürt in jeder Szene ihren Enthusiasmus, ihre Freude über die Arbeit. Was sich ebenso auf die anderen Darsteller überträgt.

Ihre Figur ist in dem Film immer noch dasselbe Fangirl wie in ihrer Serie. Gleichzeitig wird sie in The Marvels ein wenig erwachsener, sie trifft eigenständig Entscheidungen und verteidigt diese dann auch gegen ihre Familie. Sie lernt den Wert von Teamwork kennen, was dann der Motivator für eine Entscheidung am Ende des Films ist, die vielversprechend ist.

The Marvels

Die Chance für mehr Emotionen

Für Brie Larson ist dies die Gelegenheit, ihrer Figur neue Facetten abzugewinnen. In ihrem Erstauftritt in Captain Marvel war sie noch die coole, überlegende, wenn auch manchmal etwas übermütig agierende Heldin, was sich bei ihrem Auftritt in Avengers: Infinity Wars nicht geändert hatte bzw. nicht geändert werden konnte. Hier erlebt man eine Frau, die mehr Emotionen zeigt, die Gewissenbisse hat, die Sachen getan hat, die sie insgeheim bereut. Und die Teamwork erstmal wieder erlernen muss, nachdem sie lange Zeit solo unterwegs war!

Teyonah Parris wiederum kann ihrem Charakter in The Marvels mehr Profil verleihen, da sie sie ihre Figur bislang „nur“ in Wandavision darstellen konnte. Hier erlebt man jemanden, der über außergewöhnliche Fähigkeiten verfügt, aber ins Heldendasein erst hineinwachsen muss. Was sie ja im Laufe des Films auch macht, inklusive einem grandiosen Ende.

Allen drei Hauptfiguren gemein ist, dass sie am Ende des Films ihre jeweils eigenen Plots haben, die sie in Zukunft beschäftigen werden. Wo sich Monica Rambeau befindet, wird in der Mid-Creditszene gezeigt, die gleichzeitig auch ein grandioser Callback zu einem anderen Filmfranchise von Marvel ist, dass erst seit ein paar Jahren Teil von Disney ist. Sehr schön ist dabei der Gastauftritt eines Schauspielers, der damit seine Rolle, die er in jenem Franchise vor Jahren bereits spielte, wieder aufnimmt. Bei Kamala Khan wird hingegen eine berühmte Szene aus Iron Man 1 nachgeahmt, wodurch ggf. auf die gerüchteten Young Avengers hingearbeitet wird? Nur bei Carol Danvers ist der weitere Plot nicht so offensichtlich. Aber es würde nicht wundern, wenn die Skrulls eine wichtige Rolle bei ihren weiteren Filmabenteuern spielen werden. Womit gleichzeitig auch die Geschehnisse von „Secret Invasion“ aufgegriffen werden dürften.

Zu kurz?

Mit 105 Minuten ist The Marvels einer der kürzesten MCU-Filme überhaupt. Dementsprechend fühlt sich der Film zeitweise sehr gehetzt an bzw. wurde bei einigen Figuren die Charakterisierung aufs Knapp-übers-Nötigste herabgebrochen, was man vor allem bei Dar-Benn merkt.

Zawe Ashton macht einen grandiosen Job als neue Kree-Hauptdarstellerin. Man merkt ihr ihre Doppelzüngigkeit an, mit der sie unter anderem den Skrulls einen Friedensvertrag anbietet, im Gegenzug für die Atmosphäre ihrer neuen Heimatwelt, die sie dann trotz Abbruch der Gespräche an sich reißt. Sie hat genau das nötige Quentchen Charisma, um eine glaubhafte Gegenspielerin darzustellen, deren Motive bzw. deren Ursprung lange Zeit unklar bleiben und immer nur angedeutet werden. Das, und sie kann sich im Kampf behaupten, weil sie intelligent und klug agiert.

Auf der Erdenseite hält Nick Fury die Stellung und darf sich mit der Familie von Kamala beschäftigen. Der Plot dient hauptsächlich als Comedy Relief, wobei die Ereignisse von Secret Invasion ignoriert werden. Die Interaktion zwischen Samuel L. Jackson und den anderen Schauspielern ist harmonisch und gut gelungen. Vor allem, wenn Goose noch mit ins Spiel kommt.

The Marvels

Es geht Goose nicht gut

Die Figur des Flerken wird im Verlauf von The Marvels noch wichtig und sorgt einerseits für Gruselgefühle, aber andererseits ebenso für Humor, weil dieses felide Wesen einen regelrechten Heißhunger in dem Film aufweist, wobei er allerdings auch wiederholt gegessene Sachen wieder rauswürgt. Es ist interessant zu sehen, wie sich dieser Plot entwickelt und welches wunderbares Chaos dann im Finale entsteht.

Für Kontroversen dürfte die Szene auf der Welt Aladna sorgen, die sehr disneyhaft wirkt. Es wird gesungen und es wird getanzt. Das kann irritierend wirken, wird aber gleichzeitig mit einem solchen Augenzwinkern rübergebracht, dass man es einfach nicht ernst nehmen kann und auch nicht sollte. Es ist nur ein weiterer Beweis dafür, wie vielfältig das Universum sein kann, in dem das MCU stattfindet.

Von den Figuren her kann der Film überwiegend überzeugen, doch gleichzeitig hat er auch Schwächen. Erhebliche Schwächen, die das Sehvergnügen entsprechend trüben.

Wenn die Erklärung nicht lange glaubwürdig bleibt

Das fängt schon mit der Tatsache an, dass zwar erklärt wird, wie der Platztausch der Marvels untereinander in The Marvels funktioniert bzw. was ihn triggert. Doch gefühlt kommt diese Regel nur dann entsprechend der Erklärung zum Einsatz, wenn es der Plot verlangt. Mal tauschen sie die Plätze bei der geringsten Aktivierung ihrer jeweiligen Fähigkeiten. Dann wiederum dauert es ein Weilchen, bis der Tausch geschieht. Und das ist etwas, was man nicht übersehen kann.

Auch wirken einige Szenen in dem Film nicht glaubhaft dargestellt. Als Captain Marvel unter Tränen gesteht, was sie auf Hala angerichtet hat, wird das sehr hölzern geschauspielt. Da fragt man sich, wieso ausgerechnet diese Aufnahme so in den Film kam und nicht ein weiterer Take gemacht wurde, der glaubwürdiger wirkt, denn auch das zieht das Sehvergnügen nach unten.

Und dann ist da noch das leidige Thema Special Effects. Zwar enttäuscht The Marvels hier nicht so sehr, wie die ersten She-Hulk-Episoden. Aber einige Computereffekte sehen nicht sonderlich überzeugend aus. Vor allem eine Szene, in der Captain Marvel auf Hala und seine Sonne blickt, sieht sehr künstlich aus.

The Marvels

Kritik auf hohem Niveau

Auch hätte man sich mehr Zeit gewünscht, damit beispielsweise der Bürgerkrieg auf Hala gezeigt wird. Es ist zwar die Rede davon und man sieht die Konsequenzen, aber das würde noch besser wirken, wenn man wüsste, wer gegen wen angetreten ist. Hier hätte auch wunderbar ein Auftritt von Jude Law gepasst, der seine Rolle als Yon-Rogg wieder hätte aufnehmen können. Allerdings ist dieser Kritikpunkt eher Jammern auf hohem Niveau.

Am Ende ist The Marvels kein grandioser Film, aber immer noch ein unterhaltsames und gutes MCU-Abenteuer. Vor allem die künftigen Entwicklungen bieten viel Potential und sorgen dafür, dass man als Fan auf die Zukunft gespannt ist.

 

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