Mit Thor wird die Ursprungsgeschichte eines ungewöhnlichen Heldens erzählt.

Eine lange Entwicklungsgeschichte

Das Marvel Comic-Universum ist voll von unterschiedlichsten Helden. Die Spannbreite reicht von sogenannten Street-Level-Helden wie Spider-Man, über Heroen wie Iron Man, die ihre Abenteuer global erleben, bis hin zu wahren Göttern, wie eben Thor.

Ursprünglich war der nordische Donnergott in den Comics von seinem Vater Odin für seine Arroganz bestraft und in den Körper des schwächlichen Donald Blake gesteckt worden. Die einzige Möglichkeit, seine wahre Gestalt anzunehmen, war, einen speziellen Stock in den Boden zu rammen. Doch in seiner Göttergestalt durfte er nicht zu lange von seinem Hammer getrennt bleiben, da er sich sonst wieder zurückverwandelte.

Angesichts dieser Historie stellt sich natürlich die Frage, ob und wie es überhaupt möglich sein sollte, Thor zu verfilmen. Erste Versuche gab es schon in den 1980ern Jahren, als eine äußerst freie Adaption des Donnergottes in „The Incredible Hulk Returns“ zu sehen war. Interessanterweise gab es den ersten Adaptionsplan bereits 1990, als niemand Geringeres als Sam Raimi eine Vision hatte und die 20th Century Fox vorstellte, die diese allerdings nicht verstanden. Der Plan wurde 1997 verworfen, ehe dann Marvel auf Grund des Erfolgs von X-Men mit dem Fernsehsender UPN sprach, um die Figur für den Sender zu adaptieren. Doch bis 2004 wurde daraus nichts.

Ein starbesetzter Cast

2004 kaufte Sony Pictures Entertainment die Filmrechte und heuerte David S. Goyer – der bereits durch die Blade-Filme Erfahrung mit Comicverfilmungen hatte – für Drehbuch und Regie an. Ein Jahr später hatte sich das allerdings erledigt, so dass die Rechte weiter wanderten, dieses Mal zu Paramount Pictures. 2007 wurde verkündet, dass Marvel Studios den Film produzieren würden und dafür Mark Protosevich fürs Skript anheuerten. 2007 wurde bekannt, dass Matthew Vaughn Regie führen würde, der das Drehbuch überarbeitete, um das Budget auf 150 Millionen Dollar runterzubringen.

Und während Marvel angesichts des Erfolgs von Iron Man für Thor einen Releasetermin im Jahr 2010 ankündigten, begann in Sachen Regie ein munteres Suchspiel. Matthew Vaughn verließ den Posten 2008, als sein Holding Deal auslief. Danach war Guillermo del Toro im Gespräch, der auch konkrete Vorstellungen hatte, wie der Film aussehen sollte. Doch am Ende entschied er sich für Der Hobbit. Als nächstes war D. J. Caruso im Gespräch, wobei der das Skript nicht gelesen hatte. Letzten Endes fiel die Wahl auf Kenneth Branagh, der in vielen Filmadaptionen von William Shakespeares Werken mitgewirkt oder Regie geführt hatte. Er hoffte, 2010 mit den Arbeiten beginnen zu können, woraufhin der Releasetermin des Films am Ende auf den 20. Mai 2011 verschoben wurde.

Für die Titelrolle stand ursprünglich Daniel Craig zur Debatte, der allerdings am Ende absagen musste, weil er bereits beim James-Bond-Franchise in der Pflicht stand. Am Ende fiel die Wahl auf den damals 25jährigen Chris Hemsworth, wobei der beim ersten Vorsprechen noch abgelehnt worden war. Andere Personen, die für die Rolle zur Wahl standen, waren Chris’ Bruder Liam und der Schauspieler Kevin McKidd. Auch Tom Hiddleston hatte für die Rolle vorgesprochen, wurde aber stattdessen als Loki gecastet. Natalie Portman übernahm den Part der Wissenschaftlerin Jane Foster, derweil Jaimie Alexander als Sif und Colm Feore als Laufey, König der Eisriesen, angeheuert wurden. Der berühmte schwedische Darsteller Stellan Skarsgård wurde zu Jane Fosters väterlichem Freund Erik Selvig, während Kate Dennings die Rolle der Darcy übernahm. Auch die Warriors Three, eine Gruppe von mit Thor befreundeten asgardischen Kriegern wurde gecastet. Ray Stevenson wurde zu Volstagg, der im Vergleich zu den Comics zwar immer noch fett war, aber längst nicht mehr so extrem. Hogun wurde von Tadanobu Asano übernommen und Fandral ursprünglich von Stuart Townsend, der allerdings später wegen kreativer Unterschiede durch Joshua Dallas ersetzt wurde. Den Part des Göttervater Odins sollte Anthony Hopkins übernehmen, den der Göttermutter Frigga Rene Russo. Und Idris Elba wurde als Heimdall gecastet. Samuel L. Jackson und Clark Gregg nahmen ihre Rollen aus den früheren MCU-Filmen wieder auf.

Shakespeare lässt grüßen

In der Vergangenheit konnte Odin, Anführer der Asgarder, die Eisriesen besiegen und die Truhe des ewigen Winters, deren Kraftquelle, an sich nehmen. In der Gegenwart steht sein Sohn Thor kurz davor, seine Nachfolge anzutreten, als einige der Riesen sich in Asgard einschleichen und in die Schatzkammer eindringen können, wo sie allerdings vom Zerstörer vernichtet werden. Der Allvater will die Sache auf sich beruhen lassen, doch sein Sohn will nicht stillsitzen. Stattdessen schleicht er sich mit seinem Bruder Loki und seinen Freunden nach Jotunheim, wo ihre Aktionen dafür sorgen, dass der fragile Frieden zwischen Jotunen und Asgarder bricht. Zur Strafe für seine Arroganz nimmt Odin Thor all seine Macht und verbannt ihn nach Midgard – der Erde.

Dort angekommen entdeckt die Wissenschaftlerin Jane Foster ihn und nimmt sich seiner an. Gemeinsam mit ihrer Praktikantin Darcy und Erik Selvig führt sie ihn in die irdischen Sitten ein, was allerdings nicht sehr erfolgreich ist. Als Thor erfährt, dass sein Hammer gefunden wurde, lässt er alles stehen und liegen, um diesen zu holen. Doch auf Grund einer Verzauberung Odins kann er die Waffe nicht bewegen, da er ihrer nicht würdig ist; was sein Halbbruder Loki nutzt, um in Asgard auf den Thron zu kommen und dafür zu sorgen, dass der Donnergott auf der Erde bleibt, am besten tot.

Thor ist ein Familiendrama von fast shakespearehaften Ausmaßen. Man hat zwei Brüder, von denen der eine den anderen insgeheim verachtet. Man hat einen Thronfolger, der in seiner Arroganz eine Katastrophe auslöst. Man hat einen Vater, den die Fehler seine Vergangenheit einholen. Und man hat einen Krieg, der nach langer Zeit wieder aufflammt. Garniert wird das Ganze mit jeder Menge Larger-than-Life-Figuren, die teilweise auf normale Menschen treffen, sowie jeder Menge augenzwinkendernem Humor, bei dem klar gemacht wird, dass man das Geschehen nicht so ernst nehmen darf, wobei dieser gleichzeitig auch weiß, wenn er sich zurückhalten muss, damit der Film unterm Strich immer noch eine gewisse Ernsthaftigkeit besitzt.

Eine großartige Entwicklung

Hier macht sich die Expertise von Kenneth Branagh bemerkbar. Zu keinem Zeitpunkt verliert er seine Figuren aus den Augen, auch nicht in den Momenten, wo sie sich in den überbordenden Kulissen Asgards bewegen. Denn diesen Szenen setzt er die profane Wüstenkulisse der Erde entgegen oder die eisige Einöde Jotunheims.

Thor ist ein sehr guter Film, der allerdings besonders dann exzellent ist, wenn Tom Hiddleston als Loki auftritt. Von allen Antagonisten des damals noch jungen MCU ist er einer der nachvollziehbarsten. Er ist jemand, der auf der Suche ist, nach Anerkennung, aber auch seinem eigenen Schicksal. Er ist ein Lügengott, dessen wahren Plan man bis zuletzt nicht durchschaut, weil er immer wieder einen neuen Twist einbaut. Er sorgt dafür, dass sein Bruder auf die Erde verbannt wird, besteigt den Thron Asgards, sorgt dafür, dass Eisriesen in die Schlafgemächer Odins eindringen, nur um diese zu töten und die Zerstörung Jotunheims in die Wege zu leiten. Das sind so viele Wendungen, dass einem fast schwindelig wird, den Überblick zu behalten.

Es ist auch ein Vergnügen zu sehen, wie Tom Hiddleston die Rolle spielt. Wie er zu Beginn noch unsicher wirkt, schüchtern und zurückhaltend. Dann aber, ab dem Moment, in dem er seine Herkunft herausfindet, immer mehr und mehr an Selbstbewusstsein und Gerissenheit hinzugewinnt. Kein Wunder also, dass er am Ende der einzige Gegenspieler des MCUs ist, der seine eigene Serie erhielt und dessen Reise bis dahin unglaublich gut geworden ist.

Eine unglaubliche Präsenz

Das komplette Gegenteil zu Loki ist natürlich Thor. Chris Hemsworth spielt diesen als einen schon fast launischen Göttersohn, der zu Beginn bombastisch, aber auch egoistisch auftritt. Der zwar auf seine Freunde achtgibt, allerdings gleichzeitig sehr kampfhungrig ist. Der nicht weiß, wann er sich zurückhalten muss und wann nicht. Weshalb es kein Wunder ist, dass er von Odin verstoßen wird.

Die Begegnung mit der Erde und den dortigen Menschen wird zunächst humorvoll präsentiert. Doch im Laufe des Films mischen sich dabei immer ernstere Töne, etwa, als er entdeckt, dass er seinen Hammer nicht bewegen kann. Oder als Loki ihm vom Schicksal ihres Vaters erzählt. Auch in diesen Momenten zeigt sich, dass er immer noch ein Gott ist, wobei seine Larger-than-Life-Attitüde immer mehr abnimmt, bis er am Ende schon fast normal wirkt.

Anthony Hopkins als Odin ist ohne Zweifel allen überlegen. Der Schauspieltitan schafft es, trotzt der extremen Special Effects und Make-up seine Figur wie einen alten Mann, den die Fehler der Vergangenheit einholen, wirken zu lassen. Er wirkt weise, aber auch alt und gebrechlich, was daran liegt, dass er kurz vor seinem kraftspendenden Odinsschlaf steht. Schon allein die Szene, wo er und Thor sich streiten und er seinen Sohn dann verbannt und den Hammer verzaubert, ist ein Highlight.

Eine starke Frau

Auch die übrigen Asgarder erhalten in Thor gute Szenen. Sowohl Sif wie auch die Warriors Three haben Szenen, in denen sie glänzen können. Jaimie Alexander kann zeigen, dass ihre Figur eine intelligente Kriegerin ist, und auch die anderen haben gute Momente, wobei es hier zu Abstufungen kommt. Ray Stevenson erhält die meisten Szenen, Josh Dallas danach, während Tadanobu Asano gefühlt praktisch untergeht, was aber auch an seiner Figur liegen mag. Denn die ist, wie in den Comics, sehr schweigsam. Ein Highlight ist auch Idris Elba als Heimdall. Der Schauspieler stellt seinen Charakter überwiegend stoisch und sehr auf seine Pflicht fokussiert dar. Dabei strahlt seine Figur eine Art Gravitas aus, die ihresgleichen sucht und die nur Odin gleichkommt. Sehr schön ist, wie man er im Laufe des Films seine Aufgabe immer freier definiert, um Thor und seinen Freunden zu helfen.

Die Erdenhandlung wird von Natalie Portman als Jane Foster bestimmt. Man lernt eine Frau kennen, die weiß, was sie will. Sie ist eine Wissenschaftlerin, die anfänglich Thors Aussagen bezüglich seiner Herkunft nicht glauben will, diese aber immer mehr akzeptiert, auch weil sie sich zu ihm hingezogen fühlt, was durchaus auf Gegenseitigkeit beruht. Unterstützt wird sie dabei von Doktor Selvig, der ihr als väterlicher Mentor wissenschaftlich zur Seite steht und so etwas wie ein Elder Statesman in dem Trio ist. Darcy hingegen sorgt für Comedy Relief, ohne dass sie einem auf die Nerven geht.

Interessant ist, dass der Kinofilm einen lange auf die Folter spannt, wenn es um die Frage nach dem Gegenspieler geht. Selbst dann, als Loki sich als Hauptantagonist zu erkennen gibt, pusht der Film immer noch Laufey als durchaus glaubwürdige Bedrohung. Nur um anschließend mit dem Zerstörer eine weiterer Gefahr einzuführen, die anders als der Jotune, stumpf ihren Befehlen folgt und sich durch nahezu nichts aufhalten lässt.

Eine gute Einbettung

Das wirkt sich auch spannungstechnisch aus. Gerade diese Unvorhersehbarkeit von Lokis Aktionen sorgt dafür, dass man sich ständig fragt, was der Gott der Lügen als nächstes tun wird und wie sich das auf die anderen potentiellen Antagonisten auswirkt. Dachte man zu Beginn des Films noch, dass Laufey groß aufspielen wird, zeigt sich schon bald, dass er nur ein weiterer Baustein in dem großen Plan des Halbbruders von Thor war. Ebenso wie auch der Zerstörer am Ende nur ein Werkzeug für diesen ist, damit Thor getötet werden kann und die Warriors Three ihm nicht in die Quere kommen können.

Doch auch die Auftritte von Clark Gregg und Samuel L. Jackson sind gelungen. Sie betten Thor ins größere MCU ein, ohne dass es forciert wirkt. Wobei der Auftritt von letzterem vom Regisseur von Avengers gedreht wurde, weil diese Szene für seinen Film wichtig ist.

Erwähnenswert ist auch die Kulisse. Damit ist weniger die der Erde oder von Jotunheim gemeint, als vielmehr die von Asgard. Die Stadt der asgardischen Götter wird größtenteils bombastisch dargestellt, golden und doch gleichzeitig nicht kalt oder abweisend, sondern warm und anheimelnd. Sie scheint jede Menge Platz zu besitzen, wie man in der Anfangssequenz erkennen kann, die mit einem Großaufgebot an Personal aufwartet. Diese Darstellung kennt man so nicht aus den Comics.

Was wurde übernommen, was nicht?

Dabei beantwortet der Film nie die Frage, was die Asgarder eigentlich sind. Es wird angedeutet, dass sie eine technologisch hochentwickelte Spezies sind, wenn man sich beispielsweise den Bifrösttransporter anguckt. Aber ganz genau erfährt man es nie.

Thor übernimmt vieles aus der Vorlage, vor allem viele Design- und Kostümelemente. Einige von Lokis Outfits, wie beispielsweise der gehörnte Helm sind in der Welt der bunten Bilder ein Markenzeichen Gottes der Lügen. Und auch Thors Rüstung, die auch seine Arme bedeckt, wurde in der Comicserie eingeführt. Was bei ihm fehlt bzw. nur am Anfang gezeigt wird, ist sein markanter geflügelter Helm. Aber vermutlich wäre es schwierig gewesen, das glaubwürdig in die Realverfilmung zu bringen. Was ja auch für die Figur des Donald Blake gilt, die hier nicht vorkommt, den man allerdings auch nicht vermisst.

Es ist ein grandioser Film. Einer, der von Anfang bis Ende Spaß macht und einige super Kampfszenen besitzt. Definitiv einer meiner Lieblingsfilme der Anfangsphase des MCUs.

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Götz Piesbergen

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