Die Untersuchung eines Mordes an einem Crewmitglied führt Tuvok zu Fähnrich Suder, der schließlich die Tat gesteht.
Um die Motive für die Tat zu ergründen, begeht Tuvok einen folgenschweren Fehler: Er unternimmt eine Geistesverschmelzung mit Suder. Als Tuvok sich dann vom Dienst zurückzieht, versucht der Doktor eine Behandlung, die Tuvoks Fähigkeiten zur Unterdrückung von Emotionen ausschaltet. Inzwischen entlarvt Chakotay Paris‘ illegale Glücksspiele und Neelix versucht sich als Moraloffizier…
Gewalt – Wenn der Delta-Quadrant zur Therapiesitzung wird
Gewalt ist Voyager in Bestform – eine Folge, die an die Nieren geht, weil sie dort ansetzt, wo’s wirklich weh tut: im Kopf. Statt Borg oder Raumanomalien gibt’s diesmal eine psychologische Achterbahnfahrt mit dunklem Unterton und einem wirklich verdammt intensiven Blick in das, was der Krieg mit uns macht – selbst in den friedensliebenden Weiten der Sternenflotte.
Es ist eine Geschichte über Schuld, Trauma, Identität – und darüber, wie eine Spezies sich selbst zerstören kann, wenn sie das Leid einfach in andere hineinverlagert. Und mittendrin: unser moralischer Fels im All, Tuvok (Tim Russ), der hier mehr durchmacht als in mancher Konfrontation mit den Borg.
Schmerzhafte Erinnerungen – buchstäblich
Tuvok wird in dieser Folge Opfer eines mentalen Übergriffs – und das gleich zu Beginn. Eine unscheinbare Außerirdische, meldet sich an Bord der Voyager – und überträgt Tuvok in einem kurzen Kontakt ein verstörendes psychisches Erleben: Er sieht sich plötzlich als kaltblütiger Mörder, der einen grausamen Amoklauf begeht. Willkommen im Albtraum.
Was auf den ersten Blick aussieht wie ein weiterer Trek-Mind-Meld-Zwischenfall, entpuppt sich bald als viel größere Geschichte. Die Baneaner, eine friedliebende Spezies, haben ihre kriegerische Vergangenheit überwunden – aber auf sehr unheimliche Weise: Sie extrahieren traumatische Erinnerungen von ihren Kriegsverbrechern und übertragen sie auf andere, um den Rest der Bevölkerung von Schuld zu befreien. Klingt wie eine Mischung aus Clockwork Orange und Minority Report – mit der Moralkeule aus dem Roddenberry-Repertoire.
Trivia: Die Episode erinnert an die Schatten der Vergangenheit aus TNG’s Geheime Mission auf Celtris Drei – Teil 2, wo Picard einst gezwungen wird, das Leben eines Folterers zu durchleben. Nur geht es hier noch eine Ecke härter zu, weil es um unauslöschliche Erinnerungen geht, die nicht mal eben „entfernt“ werden können.
Funfact: Tim Russ liefert hier eine seiner intensivsten Darbietungen – stoisch und doch innerlich zerrissen. Seine Kontrolle bröckelt, sein Blick wird leer, seine Stimme flach. Vulkanischer Minimalismus auf maximaler Wirkungsebene.
B’Elanna, der Doc & Co. – Hilfe im inneren Krieg
Es ist vor allem B’Elanna Torres (Roxann Dawson), die erkennt, dass hier etwas nicht stimmt – ihre Empathie für Tuvoks Lage zeigt mal wieder, dass unter der harten Klingonenhülle ein echtes Herz schlägt.
Der Doktor (Robert Picardo) forscht derweil fleißig im Subraum der Seele und versucht, die falschen Erinnerungen zu isolieren. Dabei gibt es eine starke Szene, in der Tuvok erkennt, dass selbst er – der Logik in Person – an seine psychischen Grenzen kommt.
Janeway (Kate Mulgrew) hält sich auffällig im Hintergrund – auch eine Stärke der Folge: Sie lässt den Figuren Raum, statt die Moralkeule zu schwingen.
Easter Egg: Der Aufbau der Szene, in der Tuvok „zurückgeht“ in die Erinnerung, erinnert stark an Star Trek VI: Das unentdeckte Land, wo Spock Valeris per Gedankenzusammenführung zur Wahrheit zwingt.
Wenn Frieden auf Kosten anderer erkauft wird
Die Pointe: Die Baneaner haben ein System geschaffen, in dem der Schmerz der Vergangenheit auf „unbeteiligte“ Dritte übertragen wird. Das ist nicht nur moralisch fragwürdig – es ist auch verdammt gefährlich. Denn so wird kollektive Aufarbeitung ersetzt durch eine Art mentale Müllabfuhr – was bleibt, ist ein falscher Friede.
Tuvok, am Ende geistig schwer gezeichnet, erkennt: Manche Erinnerungen sollte man tragen müssen – als Warnung. Nicht löschen, nicht verdrängen. Und schon gar nicht anderen aufbürden.
Heute relevant: Der Preis des Verdrängens
Gewalt wirft Fragen auf, die auch heute brennen: Wie gehen wir mit der Schuld der Vergangenheit um? Wer darf vergessen – und wer muss erinnern? In Zeiten, in denen Geschichte teils geleugnet, relativiert oder weggedrückt wird, ist die Folge ein klares Statement: Ohne Aufarbeitung kein echter Frieden. Trauma verschwindet nicht, wenn man es verschiebt – es wächst nur im Schatten weiter.
Infos zur Folge
Folgentitel: Gewalt (Meld)
Drehbuch: Michael Sussman & Michael Piller
Showrunner: Jeri Taylor
Regie: Cliff Bole
Folgenbezeichnung: Staffel 2, Episode 16 (deutsche Zählung), Episode 16 (US-Zählung)
Deutsche Erstausstrahlung: 21. Januar 1997 (Sat.1)
US-Erstausstrahlung: 5. Februar 1996 (UPN)
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Warpskala
WarpskalaPositiv
- Tiefgründige, düstere Story mit psychologischem Fokus
- Herausragende Leistung von Tim Russ
- Moralisch relevante Thematik ohne Schwarz-Weiß-Malerei
Negativ
- Etwas langsames Pacing im Mittelteil
- Der Aufbau der Aliens und ihrer Kultur bleibt etwas oberflächlich
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