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In Aasgeier zeigt sich Michael Burnham wieder von ihrer schlimmsten Seite, oder?

Zeit für Veränderungen

Seitdem die Discovery die Sternenflotte/Föderation wiedergefunden hat, hat das Schiff einige Upgrades erhalten. Dazu zählt unter anderem, dass die Besatzung die neuen Combadges bekommt, mit denen sie nicht nur kommunizieren, sondern sich auch instanttransportieren und sie als Trikorder nutzen können.

Doch in aller Freude oder Skepsis über die neue Technologie kommt plötzlich die Info, dass das Schiff von Cleveland Booker (David Ajala) im Autopilotmodus und nur mit seiner Katze Groll an Bord in das abgeschirmte Gebiet der Föderation eintrifft. Der eigentliche Eigentümer hat für Michael Burnham (Sonequa Martin-Green) eine Nachricht hinterlassen, laut der er eine weitere Black Box gefunden hat, mit der sich mehr über den Brand herausfinden lässt.

Der erste Offizier der Discovery will sofort los, um Booker zu helfen. Doch Captain Saru (Doug Jones) ist dagegen. Er ist immer noch dabei, für sich und seine Crew das Vertrauen der neuen Sternenflotte zu verdienen, weshalb die Discovery als ein Sondereingriffsschiff dient. Deshalb muss es ständig einsatzbereit im Gebiet des HQs bleiben.

Regeln sind dazu da, um sie zu ignorieren

Doch Michael Burnham akzeptiert dieses Nein nicht. Stattdessen spricht sie die in der letzten Zeit geistig immer öfters abwesende Philippa Georgiou (Michelle Yeoh) an, übernimmt das Schiff von Cleveland Booker und macht sich heimlich auf den Weg, ihn zu retten.

Ihr einstiger Weggefährte ist in der Zwischenzeit ein Sklave in einem Lager der kriminellen Organisation “Smaragdkette” geworden. Doch er hat nicht klein beigegeben, sondern versucht einen Weg zu finden, zu fliehen. Den Andorianer Ryn (Noah Averbach-Katz), der sich gegen die Anführerin der Gruppierung “Osyraa” auflehnte und dafür mit der Abtrennung seiner Antennen bestraft wurde, will er dabei ebenso retten, wie auch die anderen Sklaven. Doch dafür muss ein spezieller Schirm rund ums Lager ausgeschaltet werden, der dafür sorgt, dass der Kopf explodiert, wenn ein Leibeigener ihn durchschreitet, .

Doch dann kommen Michael Burnham und Philippa Georgiou an. Beide geben sich als interessierte Käufer der geplünderten Technik aus und planen insgeheim eine Möglichkeit, wie sie erfolgreich Booker und die anderen Sklaven befreien können. Allerdings behält der oberste Aufseher, ein Orioner mit dem Namen Tolor (Ian Lake), sie im Auge und lässt sie festnehmen, als sie gerade loslegen wollen.

Strafe muss sein

Jedoch war die Verhaftung Teil des Plans der beiden Frauen. Gemeinsam mit Tolor und seinen Leuten begeben sie sich auf das Raumschiff von Booker. Als die Rebellion der Sklaven losgeht, kämpfen sie gegen Tolor. Doch die Auseinandersetzung geht beinahe schief, als die Imperatorin erneut eine Art Anfall erleidet und zeitweise ausfällt. Sie kann sich allerdings im letzten Moment berappeln, den Orioner ausschalten, wodurch das Feld um das Lager ausgeschaltet wird. Und auch wenn Tolor entkommen kann, so richten die beiden Frauen massiven Schaden im Lager und an den Raumschiffen der “Smaragdkette” an, während sie die Sklaven retten.

Zurück bei der Sternenflotte, müssen sich Michael Burnham und Saru dem Admiral Charles Vance (Oded Fehr) stellen. Der kritisiert den Alleingang der ersten Offizierin, auch wenn er dankbar für die Befreiung der Sklaven und für die Informationen ist, die sie und Philippa Georgiou von Cleveland Booker erhalten haben. Doch er hätte er sich gewünscht, dass sie und Saru ihn im Voraus über alle Geschehnisse informiert hätten. Die Bestrafung für Michael Burnham überlässt er dem Kelpianer.

Der beschließt schweren Herzens, sie zu degradieren. Sie ist nicht mehr seine Nummer 1, sondern nur noch leitender wissenschaftlicher Offizier. Eine Entscheidung, mit der sie tränenvoll einverstanden ist.

Eine typische Michael Burnham-Episode?

Während dieser Ereignisse versucht die Crew der Discovery mit den Veränderungen fertig zu werden. Parallel dazu arbeitet Adira Tal (Blu del Barrio) an dem Sporenantrieb und verbessert ihn. Und obwohl sie immer noch Gray (Ian Alexander) sieht und sich mit ihm unterhält, freundet sie sich auch gleichzeitig mit Paul Stamets (Anthony Rapp) an, der darüber seinem Ehemann Hugh Culber (Wilson Cruz) berichtet.

Aasgeier ist wieder eine dieser Episoden, bei denen ich nicht weiß, ob und wie ich sie für mich einsortieren soll. Auf der einen Seite wirkt es wie eine typische Michael Burnham-Folge, wie man sie aus den ersten beiden Seasons schon zur Genüge her kennt. Sie gibt einen Dreck auf die Regeln und Befehle ihrer vorgesetzten Offiziere, zieht los, vollbringt eine Heldentat und kehrt anschließend voller Reue zurück, um dann am Ende auch noch für ihre Taten belohnt zu werden. Wobei der letzte Teil dieses Mal nicht stimmt. Denn dieses Mal haben ihre Taten für sie negative Konsequenzen, was zuletzt in Das Urteil geschah.

Gehen wir am besten der Reihe nach. Denn Aasgeier bietet viel Material, womit man sich beschäftigen kann. Da ist zu aller erst die Aufrüstung der Discovery mit der Technologie aus der Zukunft. Dies lässt sich als ein eindeutiges Signal interpretieren, dass das Schiff so schnell nicht wieder zurück in die Vergangenheit reisen wird. Der Umgang der Crew mit der neuen Technik wird dann noch kurz vorgestellt, bzw. im Falle von Linus dafür genutzt, um ihn als Comedy Relief in der gesamten Episode über einzusetzen.

Hat da jemand Probleme?

Danach bekommt man mit, was für eine Rolle und Funktion die Discovery in der zukünftigen Sternenflotte hat. Sie ist sozusagen ein Joker, ein Ass im Ärmel. Weshalb man auch verstehen kann, dass Admiral Charles Vance nicht bereit ist, dass Schiff einfach so fliegen zu lassen.

Und was dann geschieht, ahnt man als langjähriger Zuschauer der Serie schon: Michael Burnham setzt sich fröhlich über die Anordnung ihrer kommandierenden Offiziere hinweg, weil sie es besser weiß und weil sie meint, moralisch dazu verpflichtet zu sein. Mit Philippa Georgiou nimmt sie eine Person mit, die sowieso auf die Gepflogenheiten der Sternenflotte nicht viel gibt.

Doch bereits hier kriegt man einen ersten Hinweis darauf, dass Aasgeier vielleicht nicht so verlaufen wird, wie es solche Episoden früher immer taten. Zum einen zieht die ehemalige Imperatorin ihren Lieblingsoffizier ein wenig darauf auf, dass diese wohl in Cleveland Booker verliebt ist. Und zum anderen erlebt man wiederholt im Laufe der Folge mit, dass sie Aussetzer und Flashbacks hat, Erinnerungen an eine früheres, blutiges Ereignis aus ihrem Leben. Allein dadurch wird schon dafür gesorgt, dass man als Zuschauer an der Episode dranbleibt., weil man wissen möchte, was mit ihr geschieht. Es wirkt ein wenig so, als ob sie PTBS hat. Aber wieso jetzt erst? Und nicht schon früher? War das Gespräch aus Die Bewährungsprobe der Auslöser? Was es auch immer war, es wirkt sich auf ihre Leistung negativ aus und führt am Ende der Folge beinahe zu einer Komplettkatastrophe.

Das passt nicht so ganz

Beim Davonschleichen von Michael Burnham und Philippa Georgiou kommt man bei näherem Nachdenken ins Grübeln. Denn woher wusste Booker, wo sich seine ehemalige Reisegefährtin aufhielt? Und wie ist es den beiden Frauen möglich, sich mit dem Schiff von Cleveland Booker davonzuschleichen, ohne dass die Sternenflotte dies bemerkt?

Die Szenen in dem Gefangenenlager bieten nicht allzu viel Material. Man lernt die Gegebenheiten kennen, sieht, wie die Arbeiter als Sklaven gehalten und unterdrückt werden und beobachtet die Rettungsaktion. Das ist zwar durchaus abwechslungs- und actionreich inszeniert. Doch trägt es zum bereits sattsam bekannten Narrativ der überlegenen Michael Burnham bei, wobei der einzige Kratzer daran die eben erwähnte Aussetzer von Philippa Georgiou sind.

Anscheinend haben die Waffen der Wachen ebenfalls ein Upgrade erfahren. Denn in Ein Zeichen der Hoffnung Teil I waren sie absolut tödlich. Ein Treffer und der Getroffene wurde augenblicklich desintegriert. In Aasgeier konnten die Waffentreffer zwar auch letal sein. Aber sie zersetzen den Betroffenen nicht, sondern fügen „nur“ Wunden zu. Wie man es anhand des Andorianers Ryn sehen kann.

Lernfähig?

Übrigens wird der erfahrene Trekkie auch über ihn bei Aasgeier stolpern. Es wird ausgesagt, dass ihm die Antennen abgeschnitten worden sind. Und es wird der Eindruck erweckt, dass dies wohl schon längere Zeit her ist. Wieso sind die dann nicht nachgewachsen? Man erinnere sich an Star Trek – Enterprise, an die Figur Shran, der ebenfalls eine seiner Antenne verlor und wo es hieß, dass diese nachwachsen würden. Haben die Andorianer im Laufe der Jahrhunderte die Fähigkeit der Regeneration verloren?

Und dann ist da das Finale der Folg, wo für Michael Burnham Freud und Leid nahe beieinander liegen. Einerseits hat sie Booker gerettet, der deutlich wahrnehmbar ihre Liebe ist. Aber auf der anderen Seite hat sie erneut ihren Kapitän bloßgestellt, der, wie bereits in Bewohner der Erde, von ihr und ihren Taten enttäuscht ist. Nur, dass es dieses Mal nicht bei der bloßen Enttäuschung bleibt, sondern zum ersten Mal seit Serienauftakt spürbare Konsequenzen nach sich zieht. Sie wird degradiert und ist „nur“ noch leitender wissenschaftlicher Offizier. Was zwar immer noch eine verhältnismäßig milde Bestrafung ist. Aber es sind immerhin endlich Konsequenzen, was angesichts der Tatsache, dass sie für vergleichsbare schwerere Taten nicht bestraft wurde, keine Selbstverständlichkeit ist.

Ob sie daraus lernen wird? Bereits in Bewohner der Erde hatte sie ja am Ende eingestanden, dass sie hätte anders vorgehen sollen. Wie man anhand von Aasgeier erkennt, hat sie daraus nichts gelernt. Denn erneut trifft sie Fehlentscheidungen, nur extremer, weil sie dabei ihre Tränen nicht unterdrücken kann. Man kann für Discovery nur hoffen, dass sie es wirklich endlich mal lernt.

Wie beurteilen, wie beurteilen?

Parallel zu den Erlebnissen von Michael Burnham gibt es auch ein paar nette Szenen mit Adira Tal, Gray Tal und Paul Stamets. Diese Abschnitte sind mit die besten der Episode, eben weil man hier sieht, wie die Charaktere wachsen und sich verändern. Man erlebt sogar eine andere Seite des ansonsten eher überwiegend arroganten Stamets, wenn er einfühlsam Verständnis dafür äußert, dass die weibliche Symbiontenträgerin immer noch ihren geliebten Vorgänger sieht und mit ihm spricht.

Es fällt mir zugegeben schwer, Aasgeier richtig zu beurteilen. Einerseits ist dies seit Das Urteil das erste Mal, dass die Aktionen von Michael Burnham für sie schwere Konsequenzen nach sich ziehen. Aber andererseits ist es erneut eine weitere Episode, wo der erste Offizier der Discovery sich über alle Regeln hinwegsetzt, um ihren eigenen Kopf durchzusetzen. Es wird vermutlich viel davon abhängen, ob die Folgen ihrer Taten jetzt auch hängenbleiben, oder ob in Zukunft nicht schon wieder eine solche Episode auftauchen wird, wo klar gemacht wird, dass Michael Burnham nicht lernfähig ist!

Aasgeier ist eine passende Übersetzung des Originaltitels Scavengers. Man hätte es auch mit Plünderer ins Deutsche übertragen können. Nur hätte dies zu den Aktionen der “Smaragdkette” wenig gepasst.

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Götz Piesbergen
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