Das Ultimatum der Topsider läuft ab – und der Advisor erwacht.

Mars
© Pabel-Moewig Verlag KG

Titel: Mars
Autor: Christian Montillon
Titelbild: Arndt Drechsler
Erschienen: 21.02.2020

Zur Handlung

Erinnerte Vergangenheit: Wie sich der Konflikt mit den Topsiderinnen zuspitzt und nach Verhandlungen auf dem Mars, Austausch von Botschaftern und Fürsprache durch die Gelegemutter erst relativ beruhigt werden kann und seither nur noch vor sich hinschwelt.

Gegenwart (12.-14.11.2046NGZ): Wie Rhodan und Iwán den durch Vanothen entführten Adams unter Opfern befreien können; Opfer, die es parallel auf Terra in der Klinik massenhaft gegeben hat, von wo sich Farye, TLD-Chef Silverman und Chef-Mediker Ammun-Si gerade so retten können. Diese wiederum versorgen später auf dem Mars Adams, der nach kurzem Erwachen zum Überleben dringend wieder suspendiert werden muss und dabei beinahe einem weiteren Anschlag zum Opfer fällt. Derweil läuft das Ultimatum der Topsiderinnen aus, doch Rhodan verweigert sich seiner Auslieferung ohne Zusatzbedingungen, weshalb ein offener Krieg droht …

Die Drei Ultimaten Beobachtungen

1. Sherlocka Farye Holmes

Ich kann null und nichtig nachvollziehen, wie sich Farye zur Sherlocka Holmes des Dyoversums anhand dreier Aussagen kombiniert hat und nur so Adams vor dem Tod bewahren konnte. Die Aussagen lauten: „Er war TLD-Agent! Wie kann ein TLD-Agent einen so menschenverachtenden Plan entwerfen?“ „Dann also auf diese Weise.“

Die ersten Sätze stammen von Joel Palotta, dem Palotta Junior im TLD-Dienst; Letzterer von Gorin Palotta, dem fanatisch-vanothischen Medior, der doppeltes Spiel trieb, die Maurits-Vangaden-Klinik zu einem blutigen Schauplatz von fast Einhundert „Kollateraltoten“ verwüstete und mit durch Farye durchschautem Plan B mittels TLD-Sprengstoff fast doch noch den Tod des Advisors herbeiführen konnte. Nur war niemand außer Farye ernsthaft misstrauisch, vor allem nicht TLD-Chef Silverman, wenn der dann auch letztsekündlich den Sprengstoff aus Adams‘ Alkoven entfernte. Und nur weil Adams schon im Alkoven und eigentlich betäubt nicht einschlief und Sprechbewegungen machte, bleibt auch Spitzenkraft Ammun-Si desinteressiert am Warum. Farye hingegen fügt A und B zusammen, nachdem sie schon zuvor Argwohn und die Sätze Palotta Juniors befallen hatten.

Für mich führt kein sinnhafter Pfad von den im Entsetzen geäußerten Ausrufen Joels zu den beiläufigen Worten Gorins, die Adams gehört hatte, sie Perry nannte und dieser an Farye weitergab. Was eine Stille-Post-Kette, die sich nur bei Farye zum korrekten Schluss zusammenfügte. Ich gebe es zu: Bei mir wäre Homer von nun an Geschichte.

Davon abgesehen, dass der Weg bis zur Anschlagsvermeidung spannend geschildert und eindrücklich war – nicht immer im Guten, sondern mit den teils grausam umgekommenen Klinik-Patienten durch amoklaufende Roboter zum Schaudern blutig. Dass die zeitlich parallelen, örtlich getrennten Handlungsebenen nicht in eigene Kapitel ausgelagert wurden, sondern mit „Was Perry/Farye/Tergén erlebte“ in einem Kapitel aufeinanderfolgen, hat es für mich richtig mitreißend gemacht.

2. Getrennte Zwillinge – Tergén und Mésren

Zu 3049 „In der Zerozone“ hatte Susan Schwartz zusätzlich zum Exposé noch den Auftrag bzgl. Tergén bekommen, “dass ich ihn einmal durchs Bild laufen lassen sollte, damit er nicht plötzlich »da« ist, sondern der Name schon mal gefallen ist.“ Im montischen Quadruple ist Tergén stets dabei und zweimal formal sogar Hauptperson. Erst diesmal wird er für mich auch zu so einer und hat seine aktiven Momente, in denen wir ihn bis zum Gestänge des Plutos begleiten – an der Seite Sichus.

Sehr eindrücklich seine Briefe an seinen verstorbenen in Raum (Standarduniversum) und Zeit (vor 500 jahren) zurückgelassenen Zwillingsbruder Mésren. Um seine Gedanken zu sortieren, die verstärkte Aufmerksamkeit durch ihn protegierenden Rhodan zu verarbeiten, schreibt er – am Anfang jedes der vier Romane – an Mésren, als könne er die Briefe je abschicken und obwohl im bewusst ist, dass er nie Antwort bekommt. Damit zeichnet Monti vor allem Tergén zutiefst menschliche Seite, während seine Fähigkeiten als geisteswissenschaftlich ausgerichteter vergleichender Historiker so noch kaum zum Tragen kamen. Bzw. er in der Flut an historisch unsortierten Daten manch sympathischen Fehlgriff tat und bspw. Rhodan eine ausgeprägte Vorliebe für Schokolade mit ganzen Nüssen aus den Quellen nachgewiesen zu haben glaubte.

Ich lese Tergén und seine Rolle – bisher – vielmehr symbolisch; soll heißen: Er und sein Zwillingsbruder stehen für die Zwillingsuniversen. Diese sind formal noch durch die Zerozone nabelschnurartig verbunden, Mésren und Tergén schon lange nicht mehr. Die siamesischen Zwillinge wurden voneinander getrennt, doch schmerzt die Operationswunde Tergén noch immer. Ein Trennungsschmerz, der im Dyo-Solsystem auf anti-/vanothische Weise nachhallt.

Letztlich sind diese wie jene Zwillinge voneinander getrennt und mussten den/das jeweils andere/n zurücklassen. Und so wie Tergén nicht wirklich einen finalen Schlussstrich gezogen hat, sondern Mésren als Adressat seiner Briefe lebendig in Erinnerung hält, so uneindeutig verhalten sich auch die Dyo-Galaktiker. Das Standarduniversum unerreichbar, mit Vanothen und Irreversibilisten auch viele gegen eine (sowieso nicht mögliche) Rückkehr oder auch nur die Erforschung hierzu. Und doch erinnerungsträchtige Namen an allen Orten, als wäre man zum Teil mitten unter Terra-Nostalgikern, die sich durch ausgesprochene Namen am Vergangenen im gegenwärtig Neuen ausrichten.

Umso symbolträchtiger das Ende von Kapitel 7 und des Romans: Tergén „zog einen Strich unter die letzte Zeile, quer über die gesamte Folie.“ Einen Schluss- statt bisher brieflichen Bindestrich? Er sinniert dann über einen Kommentar Sichus, der m.E. sehr viel auch für die kommende Handlung verheißt: „Aber er ist gestorben, damit du lebst.“ Er Mésren, du Tergén – genauso gut aber: Er, der standarduniversale Zwilling ist gestorben für die Dyo-Galaktiker, damit sie leben (können, ohne Zugriffe sie wie Schachbrettfiguren lenkender höherer Mächte).

Steht ein endgültiger Schlussstrich an, etwa gar das Ende der verbindenden Zerozone und nach Phase Neuland und VASCO für die Dyo-Galaktiker die Phase AUTONOM? FALLS irgendetwas daran richtig wäre, wäre das größtmöglicher Nährboden für meine mehrfach geäußerte Statuspassagen-Theorie: Ein rigoroser, losgelöster Neubeginn im Dyoversum für … wen dann eigentlich alles? Doch nicht auch die Gestrandeten um Rhodan?

3. Der Zerozone-Vierteiler

Das war er also – der Zerozone-Vierteiler, der mit einem so nicht im Exposé stehenden, offenen Schluss endete und in dem es nicht um die Zerozone, sondern den kleinen Bereich des Dyoversums ging, der dem Solsystem so zwillingsähnlich ist. Da der Begriff Dyoversum zuvor schon durch die Medien gewandert war, wäre damit der Viererblock trefflicher bezeichnet gewesen.

Und dann erfahren wir aber doch und zwar Erstaunlichstes über die Zerozone: Mehrfach ausdrücklich, dass sie die „Nabelschnur“ zwischen den beiden Zwillingsuniversen sei und ohne sie nicht denkbar wäre, was da in vielfach konvergenter Entwicklung entstanden ist. Und in ihr sei es so, „als blickte man in zwei unterschiedliche Richtungen gleichzeitig.“ Daher geht das favorisierte kosmologische Modell der Dyo-Galaktiker davon aus, dass es sich um ein „Janus-Universum“ handle: Dies- und jenseits der Zerozone blicke man demnach sozusagen in verschiedene Richtungen. Prinzipiell gleicher Standpunkt (identische Startbedingungen der Zwillinge beim Urknall), dann aber perspektivenbedignte Änderungen im Laufe der Zeit.

Und zurück in die eigentliche Zerozone: Bei der Verfolgung entführten Gershwins per Transmitter nimmt Iwán Perry via Schmerzensteleportation mit. Nur von da an nichts, wie wir es kennen. Nicht nur, dass beide mittels Iwáns „Sendetelepathie“ einwandfrei kommunizieren können und sie beide somit bei Bewusstsein bleiben, nein, Perry kann auf einmal sogar von Iwán dort zurückgelassen, zeitweise „stationiert“ werden. Durch eine Art „Impfung“ sei das möglich, ohne dass Perry vom Zerozonenwind verweht wird. Perry hat sogar intensive Eindrücke eines konkreten Raums mit Türen, durch die er nur schreiten müsste. Auch findet Iwán den Geimpften „an Ort und Stelle“ wieder und kann ihn von hier an problemlos wieder mitnehmen.

Der Hammer aber der Grund des Zurücklassens: Mit Perry sei Iwán langsamer, käme nicht rechtzeitig bei Adams‘ Materialisierungsendpunkt an, der ohnedies für ihn zunehmend verblasse. MOMENT! Ein schneller in der Zerozone? Ereiferte ich mich nicht über Gucky, als dieser in 3042 „Gucky und der Sternenkonsul“ nur 2m 7s pro Schmerzensteleportation benötigte? Und in 3049 „In der Zerozone“ vergingen wiederum an erlebter Zeit für Donn & Co. Tage, außerhalb aber nur übliche 2m 9s. Und nun gibt es ein schneller und langsamer mit und ohne Passagiere – zumindest für Zerozonenkind Iwán? Ein „exponentieller Möglichkeitsraum“ diese Zerozone – viele Überraschungen uns da noch erwarten werden. Faszinierend!

Fazit zu Mars

In dyoversaler Vergangenheit und Gegenwart der „Mars“ von großer Bedeutung, die uns in einer Art Parallelhandlung ausgebreitet wird. Nicht nur, dass er ohnehin der Planet mit den größten Abweichungen innerhalb des Dyo-Solsystems ist (paradiesisch belebbar statt karger roter Wüste), im Laufe der 4 Jahrhunderte war er mindestens dreimal Wendepunkt. Noch zu Zeiten jüngst gegründeter „Mars“-Kolonie, die von den Dyo-Topsidern beschossen und beinahe als Zeichen der Macht zerstört worden war; daran anschließend Ort der Begegnung kaum auf Augenhöhe zwischen topsidischer Gesandter und Dyo-galaktischen Stellvertretern rund um Advisor Adams und als Beginn relativer Ruhe; ganz aktuell als Ort der Wiedersuspendierung Adams‘ in nun wirklich allerletztem Suspensionsalkoven-Ausweichstation, die beinahe zum Grab des treuen Advisors Dyo-Terras geworden wäre.

Und selbst am Pluto bzw. dessen Gestänge-Neukonstruktion fanden wir uns ein im dortigen Institut. In den vier zurückliegenden Romanen lernten wir im Kontrast zur kosmischen handlungsebene Ancaisin in einer Mischung aus Agenten- und historischen Roman für mich gut dosiert und genügend offenlassend einige Bereiche des Solsystems kennen. Vieles scheint vertraut, vieles ist aber auch schlicht ganz anders und neu für Perry und Co. wie für uns Lesende. Damit entfaltete sich für uns zur zweiten Zyklushälfte ähnlich dem Zyklusbeginn ein „bekanntes Neuland-Panorama“, wo jeder Stein zu prüfen war, ob er nicht doch ganz anders geworden ist, als wir ihn in Erinnerung haben und er doch zu sein hat.

Vorerst verlassen wir das Dyoversum und mehr Fragen sind offen oder jetzt erst gestellt, als dass wir handfeste Antworten bekommen hätten. So soll’s sein und ich freue mich, wenn wir zu den bekannten und noch nicht kennengelernten „Dyos“ zurückkehren. Dass alle drei Handlungsebenen mindestens mal durch die Zerozone ohnehin verbunden sind, scheint klar; wie auch immer man das Wissen buchstäblich gangbar machen kann. Vielleicht mithilffe Atlans und durch die Bleisphäre? Wird VECU Rat wissen, wenn sie befreit sein wird?

Dann nur noch zwei kurze Hinweise: Zuerst auch hier unbedingt erwähnen, dass der unterbeschäftigte Expokrat Monti als Christoph Dittert im April einen eigenständigen SF-Roman „Fallender Stern“ rausbringt; sowie Hüter des GESETZES Klaus Enpunkt Frick fragendurchlöchert Stellung zur ersten Zyklushälfte aus chefredaktioneller Sicht nimmt.


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Dominic Schnettler
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