Wer den Namen Robert Wise lediglich mit Star Trek in Verbindung bringt, sollte einmal ein Auge auf The Andromeda Strain werfen, denn mit diesem Film gehört der Regisseur und Produzent zu den Mitbegründern des wichtigen Subgenres der Öko-Science-Fiction. Ein Rückblick …

Eine kurze Vorgeschichte von The Andromeda Strain

Was haben die Filme Westworld (1973), Jurassic Park (1993), Rising Sun (Die Wiege der Sonne, 1993), The Lost World (1995) und Sphere (1998) gemeinsam? Die Antwort dürfte Fans guter Thriller-Literatur kaum Mühe bereiten: Sie lautet kurz und knapp Michael Crichton.

Der am 23. Oktober 1942 in Chicago geborene und am 4. November 2008 viel zu früh verstorbene Star-Literat gehört bis heute zu den meist gelesenen Vertretern seiner Zunft – und das zu Recht. Seine Romane waren stets gut recherchiert, spannend geschrieben und vermittelten der erwartungsvollen Leserschaft eine Message. Oft erzählte der Schriftsteller Geschichten, die den verantwortungslosen Umgang von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern mit diversen Erkenntnissen zum Thema hatten. So auch in The Andromeda Strain aka Andromeda: Tödlicher Staub aus dem All, in dem es um einen außerirdischen Organismus geht, der mit einer Raumkapsel auf die Erde kam und nun sträflich unterschätzt wird.

Crichton schrieb den als Vorlage für den späteren Film dienenden Roman 1969. Die Inspiration zu seinem Erstlingswerk fand der spätere Erfolgsautor in der Len-Deighton-Story The IPCRESS File von 1962 (in Deutschland 1988 unter dem Titel: IPCRESS: Streng geheim erschienen), aus der er einige Ideen übernahm.

Die Produktionsgeschichte

Wie oben bereits erwähnt, bedeutete die Veröffentlichung von The Andromeda Strain für Michael Crichton den Durchbruch und Universal Pictures zeigte sich von dem Stoff so begeistert, dass das Studio den Stoff bereits im Veröffentlichungsjahr für 350.000 Dollar erwarb. Weitere 6,5 Millionen Dollar flossen kurz darauf in das Budget, mit dem Robert Wise einen denkwürdigen Film schuf, der zwei Oscar-Nominierungen für den besten Schnitt und die beste Art Direction erhielt.

Wise trommelte für den Film ein bunt zusammengewürfeltes Team zusammen, darunter den bis dato überwiegend für das Fernsehen tätigen Drehbuchautor Nelson Gidding. Der brachte allerdings gleich eine der interessantesten Ideen ein. So wurde aus dem in der Literaturvorlage vorkommenden männlichen Wissenschaftler Dr. Peter Leavitt eine Frau namens Dr. Ruth Leavitt. In einem späteren Interview erinnerte sich Wise daran, dass er zunächst nicht sehr begeistert von Giddings Vorschlag war, da er mit Schrecken an seine Erfahrungen mit Raquel Welch im Jahr 1966 zurückdachte, die im heutigen Klassiker Fantastic Voyage die Rolle der Cora verkörpert hatte.

Eine weitere skurrile Geschichte dreht sich um eine Szene, in der ein Laboraffe auf dramatische Weise stirbt. Um die Sequenz zu verwirklichen, wurde das luftdichte Set direkt vor dem Käfig des Tieres eigens mit Kohlendioxid gefüllt. Als sich die Käfigtür öffnete, hatte es daher keine Luft zum Atmen und brach zusammen. Glücklicherweise stand die ganze Zeit über ein Universitätsveterinär zur Verfügung, der den Affen sofort mit Sauerstoff versorgte. Obwohl das arme Tier letztlich unverletzt blieb, scheint eine derartige Vorgehensweise heute zum Glück aller Beteiligten und Unbeteiligten natürlich undenkbar.

Abschließend zu dieser Einführung werfen wir noch einen kurzen Blick auf das Einspielergebnis, das sich mit rund 12,4 Millionen Dollar Gesamteinnahmen und dem 16. Rang in der Bestenliste von 1971 als moderater Erfolg beschreiben lässt. 2008 erschien last but not least ein Remake von Produzent Ridley Scott. Der 169-minütige Zweiteiler konnte allerdings nicht annähernd mit dem Original mithalten und fuhr dementsprechend überwiegend negative Kritiken ein.

Das passiert in The Andromeda Strain

In einem kleinen Dorf in New Mexiko stürzt eine Raumkapsel ab. Als sie von einem zweiköpfigen Team in einem Spezialfahrzeug geborgen werden soll, durchquert der Wagen ein Dorf, in dem alle Lebewesen tot sind. Der Fahrer ist per Funk mit der Zentrale verbunden. Plötzlich hört er ein gequältes Schreien aus dem Funkgerät, dann herrscht Stille. Als kurz darauf ein Armee-Jet das betreffende Gebiet überfliegt und fotografiert ist klar: Eine unbekannte außerirdische Seuche muss ausgebrochen sein!

Schnell wird ein Team aus Spezialisten, bestehend aus Dr. Jeremy Stone (Arthur Hill), Dr. Charles Dutton (David Wayne), Dr. Mark Hall (James Olson) und Dr. Ruth Leavitt (Kate Reid), über das Codewort „Steppenbrand“ verständigt und in ein fünf Stockwerke tiefes, hermetisch abgeriegeltes Labor gebracht. Bei der ersten Untersuchung des Dorfes durch Stone und Dutton stellt sich heraus, dass das Blut in den Adern der Opfer pulverisiert ist. Doch zwei Menschen haben überlebt, ein Alkoholiker und ein Baby. Was haben die beiden Menschen gemeinsam? Was schützt sie vor den Auswirkungen des fremden Organismus? Und was ist dieser Organismus überhaupt, ein Virus, eine Bakterie oder vielleicht sogar eine intelligente Lebensform?

Rezension

Andromeda, tödlicher Staub aus dem All von Robert Wise (The Day the Earth Stood Still, 1951, Star Trek: The Motion Picture, 1977) ist ein grandioser Film, der vor allem durch seine intelligente Kameraführung auffällt. Dank geschickter Einstellungen und der klug geschriebenen Dramaturgie erfährt das Publikum in den ersten Szenen zwar, dass etwas Schreckliches geschehen ist, nicht aber was. Es dauert über 20 Minuten, bis die gebannt Zuschauenden endlich einen Blick in das Dorf erhaschen, in dem alles Leben vernichtet wurde.

Wir erleben das Geschehen quasi so, als säßen wir an einem Teich, durch dessen Wasser man nur verschwommen den Grund zu erahnen vermag. Die eigentliche Tiefe des Gewässers erschließt sich indes nicht. So wie in jenem metaphernhaften Beispiel wird das eigentliche Ausmaß der Situation erst offenbar, als Dr. Stone und Dutton das Dorf näher untersuchen. Ab hier setzt Wise vermehrt einen Splitscreen ein, der den Blick in Räume ermöglicht, ohne die Helden aus den Augen zu verlieren. Eine derartige Kameraführung wird heute leider nur noch selten eingesetzt, verfehlt aber ihre Wirkung nicht, weil der Spannungsbogen auf diese Art schon recht früh in die Höhe getrieben wird.

Dabei kommt The Andromeda Strain fast gänzlich ohne überbordende Action aus. Im Grunde folgt das geneigte Publikum vier Wissenschaftlern und einer Krankenschwester, die verzweifelt versuchen, einer außerirdischen Seuche Herr zu werden und herauszufinden, wie der fremde Organismus funktioniert.

Die vier Protagonisten sind in der Geschichte einem enormen Stress ausgesetzt. Sie dürfen sich auch nicht den winzigsten Fehler erlauben, sind übermüdet und haben Angst um ihr Leben. Sie arbeiten rund um die Uhr, bis sie schließlich herausfinden, worum es sich handelt. Das mag zunächst vielleicht langweilig klingen, zieht aber eine extrem dichte Handlung nach sich, die vornehmlich auf den Schultern des starken Ensembles ruht.

Die überaus guten Schauspielerleistungen werden zudem durch tolle Spezialeffekte und Setbauten unterstützt. Ein Großteil der Handlung spielt in einem fünf Stockwerke tiefen Laboratorium und treibt auf ein spannendes Ticking-Clock-Event zu. Kurz vor dem Ende des Streifens wird die Einrichtung kontaminiert und der Selbstzerstörungsmechanismus gestartet. Dr. Dutton hat den Schlüssel, doch das fünfte Stockwerk, in dem geforscht wird, ist bereits verriegelt. Es gibt nur den Weg durch den Aufzugschacht. Um von dort aus von oben nach unten filmen zu können, hat Wise den Studioboden durchbrechen lassen und kurzerhand die komplette im Film zu sehende Struktur bauen lassen, eine Mammutleistung.

Was die Spezialeffekte anbelangt, waren diese für ihre Zeit nicht weniger spektakulär. Der Special-Effects-Pionier Douglas Trumbull, der maßgeblich an 2001: A Space Odyssey mitgearbeitet hatte und nur ein Jahr später den Klassiker Silent Running (Lautlos im Weltraum) drehte, legte später auch die Effekte für Close Encounters of the Third Kind (Unheimliche Begegnung der dritten Art, 1977) und den bereits erwähnten Star Trek: The Motion Picture vor.

James Olson stars in The Andromeda Strain.

Die kongeniale rotierende rote Computerdarstellung des Labors in Andromeda, tödlicher Staub aus dem All gilt übrigens tatsächlich als erster je in einem Film verwendeter CGI-Effekt. Und der so unscheinbar wirkende außerirdische grüne Organismus unter dem Mikroskop ist eine nicht minder erstaunliche ingenieurtechnische Meisterleistung. Man halte sich nur vor Augen, dass die Fachleute mit Computern arbeiteten, die weit weniger Leistung als ein Commodore 64 brachten. Das für die entsprechenden Szenen verwendete Verfahren existierte zum Zeitpunkt des Drehs noch nicht und musste erst entwickelt werden. Die Macher tauften es schließlich auf den klangvollen Namen „Computercontrolling-Motion Control for Microfotografie“.

Rein Genre-technisch gehört das Werk last but not least zum kleinen Subgenre der Öko-Science-Fiction, das sich mit Problematiken wie Überbevölkerung, Verseuchung durch biologische Waffen, Klimakatastrophen oder der Vernichtung der natürlichen Lebensräume befasst. Was also heute unter dem Oberbegriff Climate-Science-Fiction läuft, ist in Wahrheit ein altes Phänomen, das einige der besten Genre-Filme zwischen den späten 60ern und 70er-Jahren hervorbrachte. Und genau in diese Kategorie ist auch The Andromeda Strain einzuordnen, denn der Film ist auch heute noch atmosphärisch dicht, filmhistorisch wertvoll, fantastisch gespielt und innovativ gedreht.

 

Andromeda, tödlicher Staub aus dem All/The Andromeda Stramin
Produktionsjahr: 1971
Genre: Science-Fiction, Öko-Thriller
Länge: 131 Minuten
Regie: Robert Wise
Produktion: Robert Wise
Drehbuch: Nelson Gidding
Kamera: Richard H. Kline
Schnitt: Stuart Gilmore, John W. Holmes
Musik: Gil Mellé

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Reinhard Prahl

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