Mia und Aaryan wollen ein Kind, doch dazu müssen sie sich erst einer Prüfung unterziehen.
In einer Welt knapper Ressourcen
Durch den Klimawandel ist die Erde zu einem großen Teil unbewohnbar geworden und obendrein gibt es noch radioaktive Verstrahlung. Damit einher geht eine Verknappung der Ressourcen, allem voran Nahrung und sauberes Trinkwasser. In einer solchen Welt, die kaum die vorhandenen Menschen versorgen kann, darf nicht einfach jeder so Kinder bekommen. Der Staat entscheidet darüber in einem strengen Auswahlverfahren. Un die Kinder werden nach erfolgreichem Eignungstest nicht etwa auf natürlichem Wege gezeugt, sondern künstlich in einem Labor gezüchtet.
Die Botanikerin Mia (Elizabeth Olsen) und ihr Ehemann Aaryan (Himesh Patel), der holografische Haustiere designt, genießen bereits einige Privilegien in ihrem abgeschiedenen Strandhaus. Als erfolgreiche Karrieremenschen rechnen sie sich gute Chancen auf ein Kind aus. Ob sie als Eltern etwas taugen, soll die Gutachterin Virginia (Alicia Vikander) feststellen, die eine Woche in ihrem Haus verbringt.
Zunächst arbeitet sie einen Fragenkatalog ab, doch am zweiten Tag schlüpft sie in die Rolle eines Kindes, welches mit dem Essen spielt und die Wohnung verwüstet. Nebenher müssen die Anwärter auf eine Elternschaft eine extra angelieferte Kinderkuppel errichten und von der Gutachterin eingeladene Freunde bewirten. Dabei wirft ihnen Virginia so viele Steine wie nur möglich in den Weg, benimmt sich absichtlich daneben und bringt sich mehrmals sogar selbst in Gefahr, u .a. bei einem Ausflug an den Strand.
Extreme Übergriffigkeit
Einerseits konfrontiert Virginia das Paar mit dem typischen Verhalten eines Kindes, um die Eignung der beiden als Eltern zu testen. Das hätte natürlich auch mit einer Puppe oder einem Hologramm bewerkstelligt werden können, denn wie sich die Gutachterin verhält, lässt schnell Zweifel an ihrer Zurechnungsfähigkeit aufkommen. Außerdem ist es nicht nur unverschämt, sondern direkt schon strafbar, die fremde Wohnung zu verwüsten. Doch das kindische Gebaren ist fast schon harmlos im Vergleich zu der immer drastischer werdenden Übergriffigkeit.
Das fängt bereits mit den teils sehr intimen Fragen an, die auch die Sexualpraktiken des Paares umfassen. Sperma- und Scheidenflüssigkeitsproben müssen Aaryan und Mia direkt vor der Gutachterin abgeben, die sie dann auch noch nachts beim Kopulieren beobachtet. Was das alles mit dem erhofften Baby zu tun haben soll, das ja eben nicht auf natürlichem Wege gezeugt wird, erschließt sich nicht.
Es wird aber noch krasser. So lädt Virginia mal eben so Verwandte und Freunde des Paares ein, um sie vor diesen zu blamieren. Einer Dame pinkelt sie gar auf den Schoß. Bei der nächsten Gelegenheit lockt die Gutachterin Mia aus dem Haus, indem sie vortäuscht, ihre Schwester wäre in ein Krankenhaus eingeliefert worden. Mias Abwesenheit nutzt Virginia aus, um Aaryan des Nachts zu vergewaltigen. Als er sich wehrt, sagt sie ihm, dass er damit beim Test durchfallen würde. Später stellt sie es dann so dar, als wäre er bereit, seine Tochter zu missbrauchen, obwohl eindeutig er das Opfer eines Missbrauchs ist.
Zu guter Letzt randaliert Virginia in Mias Gewächshaus und fackelt die Bude ab. Damit zerstört sie das Lebenswerk der Anwärterin, was obendrein einen herben Rückschlag für die Lebensmittelforschung und damit für die gesamte Gesellschaft darstellt. Virginia riskiert dabei ihren eigenen Tod, da sie fast im Gewächshaus verbrennt. Dass Mia sie rettet, nach allem, was sie ihr angetan hat, sollte eigentlich beweisen, dass sie eine gute Mutter wäre. Doch am Ende fällt das Paar gnadenlos durch.
Mia sucht daraufhin Virginia in deren Apartment auf und stellt sie zur Rede, was eigentlich ein Verstoß ist. Die Gutachterin offenbart ihr aber schließlich, dass der Test so angelegt ist, dass niemand ihn bestehen kann. Darum war bei der Kuppel auch ein Bauteil zu viel, obwohl in der Anleitung stand, dass keines übrig bleiben darf. Seit sechs Jahren hat kein Paar mehr die Erlaubnis für ein Kind erhalten, womit die Freunde von Mia und Aaryan, die bei ihrem Besuch eine Tochter dabei hatten, zu den letzten Glücklichen gehören.
Der Grund, warum weiterhin Assessments durchgeführt werden, ist psychologischer Natur. Die Menschen sollen weiterhin hoffnungsvoll in eine trostlose Zukunft blicken. Doch die Hoffnung wird den einzelnen Paaren mit drastischen Methoden gleich wieder geraubt, was dieses Konzept ad absurdum führt. Virginia, die in dem Spiel zunächst als psychopathische Täterin erscheint, macht dabei nur ihren Job, den sie alles andere als toll findet. Immerhin hat sie selbst ihr Kind verloren. Sie zerbricht an der perversen Rolle, die sie zu spielen hat, was schlussendlich in ihrem Suizid gipfelt.
Die Ehe von Mia und Aaryan zerbricht derweil. Er glaubt, die Beziehung mit einem holografischen Baby retten zu können, welches seine Frau wie einen Müllsack auf den Boden fallen lässt. Eine ziemlich krasse Szene, auch wenn das Kind nicht echt ist. Mia entschließt sich danach, freiwillig ins Exil in die verbotene Zone zu gehen, um dort ihre Mutter zu suchen, die einst aufgrund ihrer politischen Einstellung verbannt wurde.
Interessantes Worldbuilding
Das Konzept eines Elternführerscheins ist durchaus eine interessante hypothetische Überlegung, wenn man sich beispielsweise anschaut, wie viele Fälle von Kindesvernachlässigung es gibt, die möglicherweise so hätten verhindert werden können. Der Film negiert dieses positive Motiv jedoch, indem potentiell gute Eltern mittels übergriffigem Verhalten zu Fehlverhalten provoziert werden. Was sich dabei abspielt, ist der reinste Psycho-Thriller.
Es sind allerdings nicht nur die psychologischen Aspekte, welche The Assessment auszeichnen. Immer wieder werden geschickt Aspekte der dystopischen Gesellschaft aufgegriffen, wodurch eine in sich schlüssige Welt aufgebaut wird. Der Grund für die angestrebte Bevölkerungsreduktion ist die kaputte Umwelt. Allen voran der Klimawandel, womit der Film in dem Bereich der Climate Fiction fällt. Die Lösungen, die dabei aufgezeigt werden, sind jedoch alles andere als zielführend. Statt die Umwelt wieder aufzubauen, verzichtet die Menschheit lieber auf kommende Generationen – frei nach dem Motto: „Nach uns die Sintflut!“
Das könnte dann wiederum noch etwas dauern, da alle braven Bürger*innen lebensverlängernde Medikamente erhalten, dank denen sie resistent gegenüber schädlichen Umwelteinflüssen wie radioaktive Strahlung sind und über 150 Jahre alt werden können. Statt Kinder in eine sterbende Welt zu setzen, klammern sich die Menschen lieber an das eigene Leben. Und das ist noch gar nichts im Vergleich zum Umgang mit Tieren. So erfährt das Publikum durch Aaryans Job als Designer virtueller Haustiere, dass sämtliche realen Tiere einst einer großen Keulung zum Opfer gefallen sind, um Ressourcen einzusparen. Es gibt daher auch nur noch pflanzliche Nahrung, wobei es nicht im Sinne der heutigen Vegetarier und Veganer sein dürfte, dafür alle Tiere zu töten.
Die im Film präsentierte Gesellschaft ist in höchstem Maße dekadent und obendrein totalitär. Wer sich nicht anpasst und in seine zugeteilte Rolle fügt, wird in die Todeszonen verbannt. Wie Mia gegenüber der Gutachterin über ihre verbannte Mutter redet, die sie trotz alledem liebt und vermisst, zeigt, welch große Angst die Menschen vor dem Staat haben. Letztendlich überwindet Mia diese Angst jedoch und geht aus freien Stücken ins Exil, wo es offenbar gar nicht so lebensfeindlich ist, wie es der Staat allen glauben machen will.
Gute Besetzung
Alicia Vikander, die bereits in dem Sci-Fi-Klassiker Ex Machina (2015) in der Hauptrolle und in der Neuverfilmung von Tomb Raider (2018) als Lara Croft zu sehen war, gelingt mit der Rolle der Gutachterin Virginia ein unglaublicher Spagat. Auf der einen Seite ist sie einem sofort unsympathisch und mit jeder Schandtat baut sich zunehmend Abneigung gegen die vermeintliche Psychopathin auf. Am Ende entwickelt man dann wiederum plötzlich Mitgefühl, da sie im Kern eine tragische Figur ist.
Mimesh Patel, der unter anderem in Christopher Nolans Tenet (2020) und der Serie Black Mirror mitspielte, hat in The Assessment eine wenig beneidenswerte Rolle. Erst muss er masturbieren und hat dann auch noch eine Vergewaltigungsszene. Elizabeth Olsen, die vor allem für ihre Rolle der Scarlett Witch aus mehreren Marvel-Filmen sowie der Serie WandaVision (2021) bekannt ist, rundet den Cast ab.
Für einen eher kleinen Nischenfilm, der kaum beworben wurde, sind solche bekannten Stars direkt eine Überraschung. Hinter der Kamera sind die Namen dagegen deutlich unbekannter. Allen voran der des Regisseurs Fleur Fortuné, der mit The Assessment sein Spielfilmdebüt gibt. Dieses ist ihm absolut gelungen.
Fazit zu The Assessment: Beklemmende Dystopie
Was auf den ersten Blick verstörend wirkt, entwickelt sich bei genauerer Betrachtung zu einer psychologisch interessanten Zukunftsdystopie. The Assessment überzeugt dabei durch einen geschickt eingeflochtenen Weltenaufbau, der einen utopischen Anschein erweckt und die hässlichen Abgründe hinter dieser schicken Fassade eher beiläufig einstreut. So leben Mia und Aaryan in einem luxuriösen Strandhaus, die kaputte Natur tritt in den Hintergrund und dank moderner Medikamente kann Mia gefahrlos im verstrahlten Ozean schwimmen. Die holografischen Tiere ihres Mannes sind faszinierend, doch Grundlage seines Jobs ist die Ausrottung der gesamten Artenvielfalt. Die ganze Abartigkeit der dystopischen Gesellschaft offenbart sich dagegen mehr im persönlichen Schicksal des Paares durch das traumatische Assessment.
Das alles ist schon ziemlich geschickt inszeniert, obgleich die drastische Darstellung ganz schön finster ist. Nichtsdestotrotz ist The Assessment ein echter Geheimtipp, der sich schnell zu einem Genre-Klassiker wie Soylent Green (1973) und Logan‘s Run (1976) entwickeln dürfte.
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