Er ist der Niemands-Konsul – er herrscht über ein ganzes Volk.

Die Ägidenwelt
© Pabel-Moewig Verlag KG

Titel: Die Ägidenwelt
Autor: Michael Marcus Thurner
Titelbild: Dirk Schulz
Erschienen: 29.05.2020

Zur Handlung

Ankunft auf der Ägidenwelt der Villanova-Terraner: Tolotos & Co. treffen mit 8-Riordan und 9-Saedelaere zusammen, die jedoch nur formal Schirmherrin und Vordenker sind. Vielmehr gibt es zahlreiche verdrängte Tabus rund um ihre „Geburt“ und müssen sie nächtens an sog. „Gedankenhaken“ zum mentalen Aufladen hängen wie Marionetten. Das Team kann Kontakt zu 8-Sermyon herstellen, die ein selbstbestimmtes Leben für diese Klon-Terraner ermöglichen will.

Sie weist dem Team mithilfe von 5-Brand den Weg zur Nebelinsel, wo der Cairaner Quamadse Simdua als Niemands-Konsul und wahrer Herrscher das Qualitätskontrollzentrum mit den Klonexperimenten betreibt. In Einsamkeit wahnsinnig geworden, verrät er Zusammenhänge, dass Cairaner schon um 1560NGZ in der Milchstraße aktiv waren und Genproben für Sozialstudien nach NGC1169 entwendeten. Doch der Klon Ribald Corellos kann mit Rebellen ihre Geburtsstätte stürmen und Klonvater wie Klonkind sterben hierbei. Zain-Konstrukt Annba nimmt sich der positronisch-biologischen Kultur auf der Ägidenwelt an und bleibt zurück, als die RAS TSCHUBAI gen Heimat aufbricht…

Die Drei Ultimaten Beobachtungen

1. Der Niemands-Konsul – ein weiterer wahnsinniger Cairaner

Auf der Isla Nublar in der Anlage A hat John Hammonds InGen … MOOOMENT – falsches Skript!

In der Galaxie NGC 1169 auf der Ägidenwelt befindet sich auf der Nebelinsel das Qualitätskontrollzentrum der Cairaner, wo nur noch Quamadse Simdua für die Vecuia klon- und gentechnische Experimente durchführt. Hier werden im besten Blade Runner-Stil Androiden ab der Fertigungsreihe 4 auf die Galaxis losgelassen, wobei Reihen 8 und 9 in der Praxis bereits etabliert sind: Schirmherrin 8-Riordan und Vordenker 9-Saedelaere.

Damit sich die Klone nicht an ihre Schöpfer (letztlich nur noch den einen gottgleichen) erinnern, werden sie über Nacht an „Gedankenhaken“ mental auf Spur und Linie gebracht. Bis Reihe 5 (wie bei Primus 5-Brand) hat das auch noch gut geklappt, je komplexer aber die Fähigkeiten der Reihen, desto mehr Eigensinn und umso kritischere Blicke dieser Machwerke auf ihre Welt. Sprich, ganz wie bei Frankenstein lief die Sache aus dem Ruder und die Schöpfung stellt sich undankbar gegen ihren Schöpfer.

So geschehen vor allem mit Corey, dem Klon niemand geringeres als Ribald Corello. An seiner Seite eine zweite Ausgabe von Tipa Riordan, beide entstammen der rebellierenden zehnten Reihe, die ihrem Schöpfer den Tod bringt. Eigentlich geschaffen, um hier in Ruhe Verhaltensweisen von Terranern und Gatasern studieren zu können – Experimentalbedingungen völlig weltfremd und schlussendlich daher null und nichtig ökologisch valide!

Laut Wikipedia ist Ägide »das Schutz- und Obhutsverhältnis, in dem sich eine untergeordnete Instanz oder Institution einer höheren, schutzgebenden Institution gegenüber auf Zeit befindet.« „Auf Zeit“ das Zauberwort, denn die Zeit Simduas wäre bei austrocknender Vitaltränke sowieso in 3 Jahren ausgelaufen, nun starb er nach 500 Jahren vor seiner Zeit. Das aber trotz oder wegen all seiner Machenschaften mit den besten Wünschen für die Zeit nach seiner ägiden Obhut: »Ich liebe euch alle. Mein Ziel war es stets, das Beste für euch zu schaffen. Es tut mir leid, wenn mir nicht alles gelungen ist. Aber ich wünsche mir, dass ihr ein möglichst erfülltes Leben führt. Macht etwas aus euch. Für mich. Für alle, die euch lieb und wert sind.«

Im Dyoversum fanden wir eine „gegenstandslose Konsulin“ auf Ceres vor, die die 500 Jahre dank Vitaltränke überlebt hat, aber in erzwungener Einsamkeit darüber wahnsinnig wurde. Nun treffen wir auf der Ägidenwelt der Tauk-/Villanova-Terraner im (Qualitätskontroll)Zentrum von allem auf einen vitalgetränkten Cairaner, der nach der Abkapselung dieser Galaxis sein Team tötete, um alleine seine Schutzbefohlenen klontechnisch zu manipulieren, worüber auch er wahnsinnig geworden ist. Der Wahn auf Zeit ereilt die abgekapselten, in distant socialising lebenden Cairaner auffallend oft. Fraglich, ob es den anderen Cairanern bspw. in der Milchstraße nennenswert besser geht oder ob nicht auch sie einem Wahn anhängen…

2. Annba – Vater einer neuen positronisch-biologischen Ägide

Zur Drangwäsche fand sich spontan das Zain-Konstrukt Annba auf dem Missions-Beiboot ein und begleitete Tolots‘ Abenteuerfahrt durch Tauk. Das aber bis auf handgezählte zwei kurzangebundene Kommentare stumm und reglos. Warum und wozu dieses Engagement und Interesse? Warum hielt ihn Kommandant Holonder nicht an Bord zurück, um den Salkrit-Aufladeprozess beobachten zu lassen, mit dem nur Zain-Konstrukte Erfahrungen haben?

Ähnlich auch weitgehend hier. Wenigste Kommentare, um dann beim finalen „Endkampf“ auf der Nebelinsel erst „wie ein Berserker“ cairanische Roboter abzuwehren, um dann aufs Allerheftigste und rigoros mit nochmal so richtig drangwaschenden Tolot zu balgen (für alle übrigen Wesen des Kosmos: auf Leben und Tod zu kämpfen). Erstaunlichst genug, dass überhaupt jemand und etwas einem obendrein in Drangwäsche rasenden Haluter standhalten kann. Das gelingt Annba sogar anscheinend mit Leichtigkeit.

Und dann? Dann klären Haluter und Zain-Konstrukt freimütig ab, dass Annba zurückbleibt, sich um die Pseudo- bzw. Villanova-Terraner kümmern will. Er erkennt „die Schönheit“, die hinter dieser positronisch-biologischen Kultur steckt“ und will sie anstelle Simduas fördern. »Es ist die Aufgabe meines Volkes, äquivalente Zivilisationen aufzuspüren und in Unionen zusammenzuführen. Ich bin als Sucher unterwegs. Nicht nur ich, aber eben auch ich. Ich habe einen Teil meiner Mission erfüllt und finde hier auf höchst unerwartete Weise eine Fortsetzung. Ich schlage ein neues Kapitel in meiner Existenz auf. Ich werde Mentor.«

Uff! In dieser Aussage erfahren wir mehr über die Zain-Konstrukte denn je; erahnen, wieso und wozu sie mit den Posbis eine „Union“ bildeten und dass Annba allem Anschein nach ebensolches auch in Tauk vorhat. In diesem Lichte sind die Anspielungen MiMaThus rund um Gustav – den wackeren Ortungs-Posbi, der in drei Romanen „mitlief“ – umso eindrücklicher: Mehrfach sprach Gustav an, dass die Posbis zunehmend unzufrieden sind mit dem Umgang der Biologischen mit ihnen.

Eventuell vielleicht haben erst Zain-Konstrukte wie Annba diesen Missmut geweckt – in jedem Falle bieten sie auch eine „Therapie“ an, wie positronisch-biologische Existenzen ihr Verhältnis neu ausrichten können. Das unter der Ägide der Zain-Konstrukte, siehe oben also zu hoffen in einer Obhut auf Zeit. Und was wird dann daraus hervorgehen? Selbstbewusste Wesen mit ureigener Kultur…

3. Insgeheime Langzeitpläne in Vergessenheit geraten

Wow und oje zugleich! Schon letzte Woche in Verwirrung geraten, staune ich in zunehmender Verblüffung über die verworrenen Langzeitpläne der Cairaner. Vor 500 jahren nicht nur mehrfach ins Dyoversum vorzustoßen versucht (nur einmal gelang es), sondern schon damals rund um 1560-1570NGZ fassten die Cairaner in der Milchstraße Fuß. Wenn Zemina Paath recht hat, dann schlichen sie sich durch Die dunkle Schwere ein, um anscheinend Genproben zu entwenden. Das angeblich, um in 112 Mio. Lichtjahren Entfernung ein galaxisweites Sozialexperiment aufzurollen. Unter quasi Laborbedingungen anhand am Ende nur zweier der Milchstraßen-Völker auszuprobieren, wie sie worauf re-agieren. IRRSINN!

Warum nicht bis 1692NGZ, als sie offiziell auf der galaktischen Bühne auftraten, insgeheim alles beobachten, Funk und Trivid anzapfen und auswerten, Xenoanthropologen in Tarnmasken ausschicken und erforschen lassen, was die Völker der Galaxis so denken, tun und lassen. Das hätte da doch umso leichter möglich sein müssen, weil Posizid und Datensintflut danach erst eintraten und alles informationell in konfuses Chaos warfen.

Cairaner, die ergo über DREI Galaxien hinweg agieren (wobei wir vom Galaxien-Geviert nur wenigste Eindrücke zu Ancaisin erhalten haben); die obendrein durch die Zerozone hindurch Zugriff auf den „zweiten Zweig“ des Dyoversums zu nehmen versucht haben; die mithilfe der kosmokratischen Bilokal-Sphäre über (mehr als?) ein Jahrhundert Kontakt zwischen den Galaxien aufrechterhalten konnten. Cairaner, bei denen viele der Versuche aber mitunter kläglich gescheitert und im kosmischen Sande verlaufen sind.

Greifen sie deshalb umso unnachgiebiger bis gnadenloser in der Milchstraße zu, gerade weil die Expeditionen ins Dyoversum und das Experiment in NGC 1169 ins Leere liefen und Verbindungen dorthin gekappt sind? Haben sie nur noch das eine Nadelör Bleisphäre, steht das Trajekt auf nur noch einem tönernen Fuß und droht selbst dieses umzukippen? Sind die Cairaner ein ziemlich tragisch-trostloser und verzweifelter Haufen?

Fazit zu Die Ägidenwelt

Das Fazit zu Die Ägidenwelt fällt zwiespältig aus: Zu wenig Platz für Charakterisierungen der Villanovaer und im Doppelband nur je einen Roman für eine Welt waren für mich weniger das Problem. Vielmehr zeichnete sich Drangwäsche durch eine tolle Inszenierung drangwaschenden Tolotos und argwöhnisch begleitenden Onker Dou aus, die hier durchweg zentral bleiben, aber eigentlich nur noch plothandeln, um von A nach B und so an die Brennpunkte zu kommen. Sie schillern kaum noch als Charaktere, sondern sind wesentlich mehr Figuren unter Handlungsdruck. Was in vorigem Roman angelegt war, wird hier aufgelöst. Das ist auch faszinierend, weil es den Blick auf die Cairaner schon wieder erweitert; das ist aber auch zielgerichteter und nicht ganz so lesenswert wie während der Drangwäsche.

Fragwürdig finde ich noch, dass wir nach 3054 Die letzte Welt der Vecuia und 3055 VECU Ancaisin hastig verließen, obwohl die VECU erwacht ist und der zentrale Konflikt somit dort erst wieder angefacht worden ist. Ähnlich jetzt hier in Tauk / Villanova, wo wir auch schon wieder nach bloß zwei Romanen abfliegen und die Galaxie hinter uns lassen, obwohl supernovaklar ist, dass und auf lange Zeit wie sehr verwoben all diese Galaxien sind und die Cairaner über diese Entfernungen hinweg gehandelt haben.

Und wie man das ethisch-moralisch meint rechtfertigen zu können, diesen Konflikt zwischen Gatasern und Terranern unbefriedet zurückzulassen – das ist mir alles zu kurz abgehandelt und von den namhaften Protagonsiten viel zu wenig durchdacht. Aufzulösen, wenn es eine klare Agenda gäbe – sinngemäß: Mit den gesammelten Informationen sofort zurück, um die Milchstraßen-Cairaner damit zu konfrontieren und so einen Kurswechsel bei ihnen zu bewirken. Doch während Rhodan sich alle Zeit nimmt, um das Dyoversum zu erleben und nicht den Ausweg zu suchen, rast die RAS TSCHUBAI gleich weiter.

Lesenswert noch die 15 PROC-Fragen und Antworten an und von MiMaThu zu „Die Ägidenwelt“.

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Dominic Schnettler
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