Ein Oxtorner im Einsatz – und im Kampf mit sich selbst.

Die Dunkle Schwere
© Pabel-Moewig Verlag KG

Titel: Die Dunkle Schwere
Autor: Michael Marcus Thurner
Titelbild: Arndt Drechsler
Erschienen: 17.04.2020

Zur Handlung

An Bord der RATBER TOSTAN: Kommandant Daan Gudati ist vom Schulterreiter Saessbekker besessen, der ihm mental einredet, für ihre Freundschaft der eigenen Mannschaft zu misstrauen, sie zu verraten und das Schiff nach Frattnu im Zimparisystem nächstgelegen zur Dunklen Schwere zu steuern. Dagegen lehnt sich an Bord insgeheim Vizekommandant Traekknor auf, in seinem psimentalen Insgeheim aber auch Gudati selbst. Ein mehrfaches Ringen um die Kontrolle über die RATBER TOSTAN entbrennt.

Obendrein treten die Tomopaten Ly und Genner auf, nehmen Geiseln und verlangen blutig die Auslieferung des Cairaners Surrutaio, auch den Saessbekker besetzt. Einsatzpaar Zemina und Monkey können an Bord kommen, es kommt zum Kampf gegen die schließlich entfliehenden Tomopaten und Gudati vermag Saessbekker mental überwältigen. Vor allem aber kann man am Rande der Dunklen Schwere inmitten von M 15 das Auftauchen der stummen Station der Phersunen und deren Zugriff auf die Milchstraße verhindern …

Die Drei Ultimaten Beobachtungen

1. Einflüsternder Schulterreiter – Saessbekker

Was ein Paukenschlag! Meine Vermutung traf ins Schwarze, quasi in die Dunkle Schwere! Wirklich und wahrhaftig ist es Saessbekker gewesen, der als beeinflussendes Gespenst durch manchen Geist spukte (dass ich eine Dispersion des Cairaners für noch wahrscheinlicher hielt, … das war üble Beeinflussung). Vor bloß 45 Heften einmalig vorgekommen tritt Saessbekker nun erneut auf und nimmt Daan Gudati mental als Geisel für seine Zwecke. Auf die Frage im damaligen PROC-Interview, ob Saessbekker wiederkehre, orakelte uns MiMaThu noch: „Du meinst Saessbekker? – Nun, lass dich überraschen.“ Überraschung gelungen. Und mehr denn je muss man noch so Randständiges ernst nehmen und beachten – es könnte wirklich noch mal wichtig werden!

Zwar erfahren wir allerhand zum Schulterreiter, aber für mich ist er dadurch weder entmystifiziert noch auserzählt. Anscheinend ist er ein Phersune mit völlig unphersunischem Namen gewesen.

„Ich bin einsam … Ich bin allein. Und ich bin zweigeteilt.“

So beschreibt er sich Gudati gegenüber und sehnt sich nach seinem physischen Gegenstück zurück. Wie Saessbekker wurde, wer er ist, weiß er selber nicht:

„Ich habe meinen Körper verloren, ohne recht zu wissen, wie das geschehen konnte. Ich bin ein besonderes Wesen. Eine Art Sonderprägung. Ein Einzelstück. Ein Kind vieler Väter und Mütter. Ein Prototyp. Eine Modellvorlage. Und dergleichen mehr. Ich wurde geschaffen und dazu präpariert, ausgesetzt zu werden. Allerdings sollte mein Geist stets Tuchfühlung zu meinem Körper halten. Irgendwie und irgendwo ist mir mein Körper aber abhandengekommen. Ich kann mir nicht erklären, wie das vor sich gegangen ist. Dieser Verlust meiner Körperlichkeit lässt auch meinen Geist nicht unberührt. Es verändert mich. Ich verliere mich in mir selbst.“

Vielleicht ist dann wenigstens er dispersiert und deshalb zur Abspaltung von seinem Körper fähig.

Ausschließlich durch inhaltlich meist schwierige, MiMaThu hier leicht gefallene Dialoge eingeführt, erklärt Saessbekker niemand Geringeres an den Advokat der Kandidatin Phaatom, Synn Phertosh, als seine „Vertrauensperson“. Er ist also von höchster Stelle berufen und ausgesandt, um sich ein „klares Bild von der Milchstraße“ zu machen, was ihm auch gelang. Mit einer zweispaltbaren Suggestionskraft vermag er es, Wesen zu beeinflussen und unter Kontrolle zu halten. Erst im allerletzten Moment kann Gudati ihn stoppen und zurückdrängen. Allerdings entflieht der Schulterreiter in Panik bis Wahnsinn. Schlimmstenfalls ist er nun untreuer Begleiter eines ohnehin mordwahnsinnigen Tomopaten (oder gleich beider) oder brütet im Unterbewussten eines USO-Schiffsmitglieds seine gefahrvollen Pläne aufs Neue aus.

Für mich nur die ungeklärten Fragen: Wann kam Saessbekker zuvor überhaupt nach Rudyn? Wie entkam er von dort und vor allem mit resp. in wem? Und wieso brauchte er jetzt so dringend den tomopatisch ermordeten Konsul, um Wissen zur Milchstraße zu erlangen, das er mit nahezu jedem sonst auch hätte erhalten können? Er resp. sein Weg hierhin ist noch längst nicht auserzählt.

2. Biografie im Eiltempo – Daan Gudati

Wie Saessbekker so hat auch MiMaThu „es genossen, tiefer in Gudatis Charakter vorzudringen.“ Eine harte Kindheit auf noch härterer Welt Oxtorne. Sohn einer bitter-harten Oxtornerin und eines weichen Sincraners. Wohl durch diesen befähigt oder parapsychologische Kompensationsprozesse – auf alle Fälle hat Gudati die Psifähigkeit des „Gedankenhortens“ entwickelt. Er kann quasi auf einer „zweiten Spur“ (in seinem Insgeheim) und – nur zu passend – so an den Einflüsterungen seines „Freundes Saessbekker“ vorbei denken. Nur so kann er „ungesehen“ Monkey den Zutritt zum Schiff ermöglichen uns insgeheim Widerstand leisten.

„Auch wenn diese Einflechtungen aus Gudatis Oxtorne-Vergangenheit vergleichsweise wenig Platz einnehmen, so sind sie doch der für mich wichtige Teil dieses Romans.“ (MiMaThu)

Ich hingegen habe damit meine Probleme, dass und was Gudati bisher völlig unbekannterweise und ungeahnt kann und dass es genau das hierfür Passende ist. Für mich bleiben seine biographischen Erinnerungen an die schwere Jugend reichlich singulär wie ein schwarzes Loch und zu unangebunden an das Bisherige, was wir in überschaubarem Maße über ihn erfahren hatten. Deshalb mitzufiebern, was er erlebte und wie er es nun für sich nutzen kann, fiel mir schwer. Portionsweise Happen über mehrere Hefte hinweg statt einer großen Portion mit allem auf einmal lassen Figuren – meiner Meinung nach – besser wachsen und reifen. So ist es zu ad hoc, zu gewollt und hier im Speziellen mit der Psibegabung derart speziell, dass es auch kaum nochmal aufzugreifen sein dürfte.

3. Die Dunkle Schwere in Hellweiß

„Die Dunkle Schwere“, Titel des Romans, Ziel der Handlung und doch erst spät überhaupt im Blick der Handelnden. Am Rande des Ereignishorizontes ist die stumme Station geparkt. Cairanisch aussehend, aber phersunisch umgebaut, taucht sie erst auf, nachdem Gudati/Saessbekker sie rief. Dann sendet sie eine nur für den Schulterreiter verständliche, positronisch nicht übersetzbare Botschaft: „Sie bestand aus Schnalz- und Schmatzlauten, war mit Untertönen auf kaum wahrnehmbaren Frequenzen unterlegt und wurde von einer Art Walgesang begleitet.“

Wie für mich gemacht dann das faszinierende Auftauchen der Station aus dem schwarzen Loch, der Dunklen Schwere heraus. Angetrieben durch ein im Perryversum so nie erlebtes Weißes Loch:

„Ein beherrschtes, funktionalisiertes Weißes Loch, das von einer fremden Macht als … als Anschub genutzt wird. Es stößt Materie aus der Singularität aus.“

Und weiter:

„Ein Weißes Loch. Es spuckte Materie aus wie ein kosmischer Geysir. Es war tausendmal seltener als sein alles verschluckendes Gegenstück, das Schwarze Loch. Man wusste, dass Weiße Löcher existierten. Aber nur die wenigsten Milchstraßenbewohner hatten bislang eines gesehen.“

Mit solchen Naturkräften umzugehen zeugt von höchstem technischen Stand und wäre allein schon Hinweis genug auf die Kandidatin Phaatom. Und doch kann die stumme Station (samt Antrieb?) von nur zwei USO-Raumern – der RATBER TOSTAN sowie der herbeigeeilten NIKE QUINTO – rasch zerstört werden. Der Vorstoß der Phersunen scheint damit vorerst gestoppt, hinter den Ereignishorizont zurückgedrängt. Aber deshalb auch ein für alle Mal vom schwarzen Schlund aufgesaugt? Das wüsste ich aber!

Fazit zu Die Dunkle Schwere

„Ich finde es immer gut Figuren innerhalb des großen Plots auch Handlung zu geben. Sie müssen eine Bedeutung haben. Dass sie einfach nur da sind, reicht eben nicht aus.“

So Michelle Stern im PROC-Interview voriger Woche über Zemina Paath. In ihrem und nun diesem Roman gab es wiederum eine solche figürliche Inszenierung jedoch nicht für Orpard Surrutaio, den durch Saessbekker besessenen Cairaner-Konsul a.D. Er ist einfach nur da, aber kein Handlungsträger; vielmehr Zielpunkt für diverse um ihn herum konstellierte Figuren (Saessbekker, Monkey/Zemina, Legatin, Tomopaten), ohne selber je in Erscheinung zu treten. Deshalb berührte mich sein noch so grausamer Tod durch die tomopatischen Mordmaschinen auch nicht, blieb leider nur Erwähnung. Nicht, dass ich – wie andere – Interesse an Gesplatter hätte. Hätte man ihn mehr ausgestaltet, wäre die Bedrohung für die Cairaner durch ihn deutlicher geworden, er für uns Lesende wichtiger und sein Schicksal bedeutsamer.

Ähnlich mit der Dunklen Schwere, die m.E. aber noch wichtig wird – es sind noch zu viele Fragen offen. Daher schade, dass wir nach nur zwei Romanen in Nuruvrao (M 15) sowohl das interessante Volk der diesmal schon fast gar nicht mehr relevanten Nuru als auch das neue USO-Einsatzpaar auch schon wieder verlassen und die Fäden der Zemina lose bleiben. Ich wäre gerne noch zumindest für ein informatives Heft geblieben. Deshalb war „Die Dunkle Schwere“ als Abschluss des Zweier-Blöckchen für mich gar keiner und das Menü für mich auch nicht sättigend.

MiMaThu hingegen hat „die Arbeit daran so richtig getaugt.“ Ihm gegönnt, gut und rasant zu lesen war’s auch allemal. Als Detailgenösel dann nur noch: Tomopaten können TARAS (hier vermutlich: TARA-IX INSIDE) en masse wie nebenbei zerstückeln, obwohl sie aus aus Terkonit sein dürften und bspw. erst bei 35.000°C schmelzen und ohnedies über Schutzschirme verfügen. Oxtorner Monkey mit seidiger Haut wie aus Metallplast, gegen 18.000 Kelvin heißen Handthermostrahlerbeschuss widerständig, erleidet hingegen „nur“ ein paar Schnitte, bleibt ansonsten aber (natürlich auch dank Zellaktivator) ganz. Das ist mir dann doch zu unverhältnismäßig und unrealistisch. Da hätte selbst Monkey erstmal für Tage aussetzen und ins Heilbad gemusst, statt am Ende zum Tek-Gedächtnis-Lächeln anzusetzen … (und so ein Lächeln vom „Tek-Mörder“ – stete Provokation!)


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Dominic Schnettler
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