Rettungsaktion auf einem gesperrten Planeten – sie begegnen dem Wächter.

Auf der grünen Welt
© Pabel-Moewig Verlag KG

Titel: Auf der grünen Welt
Autor: Michael Marcus Thurner
Titelbild: Arndt Drechsler
Erschienen: 10.07.2020

Zur Handlung

Bevor es zur Zusammenkunft von LfG-Einheiten und reparaturbedürftiger THORA kommt, werden jene durch einen Notruf zur gesperrten Welt Iphane gerufen. Man hilft havarierten Barnitern und stößt hierbei auf der unwirklichen Welt nicht nur auf üppiges Leben, sondern auch extremumweltangepasste Terraner, die sich hier heimisch fühlen.

Einsatzleiterin Birge Schik kommt darüber hinaus mit dem sogenannten Wächter der mitttelalterlich anmutenden Zirkelburg zusammen, der im Auftrag der Chenester etwas bewache. V.a. wirft er den Terranern vor, eine Raum-Zeit-Schleife verursacht zu haben, was er zu bestrafen gedenkt. Doch erweist sich als Verursacher ein Nashadaan der Thesanit, der in der Sonnencorona parkte und von den terranischen Einheiten aufgescheucht im Kampf abgeschossen wird. Erst jetzt lässt der Wächter die Terraner um Schik wieder sicher abziehen…

Und erst hiernach kann der Flottentender zur THORA fliegen und diese aufnehmen. Atlan und Kommandant Bendisson kondolieren wegen Guckys Tod, was Lionel Obioma argwöhnisch beobachtet. Anschließend wird in Anwesenheit untröstlichen Bullys Gucky in einem Sarg in die Sonne seiner Heimatwelt Tramp, nach ihm Plophres Stern getauft, geschossen und der Ilt astronautisch beerdigt – IN MEMORIAM!

Die Drei Ultimaten Beobachtungen

1. SYKE – Hinweise hinter dem Bedeutungshorizont

Nachdem letzte Woche vielfach die Emotionen übergekocht sind, weil extra gelegte Fährten vielfach nicht erspäht wurden, will ich diesmal vorsorglich genau hingucken.

„Es geschieht, weil es geschah“, ist wohl einer der geflügelsten Sentenzen, wie etwas im Perryversum zustande kommt (ggf. gegen alle erkennbare Wahrscheinlichkeit). Ich ergänze: „Es geschieht, weil es benannt worden ist.“ Die Expokratie setzt vieles auf das Gleis schicksalhaft anmutender Ereignisse in dem Moment, wo sie etwas bezeichnet. Und wer diese Bezeichnungen überhaupt als solche erkennt und sie dann auch noch zu deuten weiß (oder sich einbildet, dies zu können), kann viel mehr aus den Romanen herauslesen, als der Sog der Handlung erkennen lässt. …was es anstrengend zu lesen macht!

Vielleicht erliege ich einem Rückschaufehler (im Nachhinein ist man immer klüger), aber im Schiffsnamen SYKE ist bereits angelegt, was das Schiff bzw. was an Bord geschehen wird. Syke ist nämlich eine Nymphe aus der griechischen Mythologie. Sie steht wiederum symbolisch für die Feige bzw. den Feigenbaum. Hiernach sind dann auch die Sykophanten benannt, die Feigen aus Athen schmuggelten bzw. Feigen wie (unbequeme) Wahrheiten ans Licht brachten. Historisch erpressten solche dann zwar statthafte Bürger mit diesen Wahrheiten über sie, aber da mag Erpressung im Auge des Betrachters gelegen haben.

Wozu dieser Exkurs? Weil an Bord der SYKE Lionel Obioma der Sykophant für Atlan und das mit ihm einhergehende inszenierte Schauspiel sein wird. Den Auftakt hierzu konnten wir als B-Handlung erlesen. Und aus Sicht vermutlich der gesamten Milchstraße und selbst oder gerade all der relativunsterblichen Freunde Atlans (allen voran Bull) wird das sykophantische Ans-Licht-Bringen „der Wahrheit“ sicherlich wie Erpressung, bösartige Unterstellung, Denunziation erscheinen!

2. Lionel Obioma und intuitive Tipps durch einen Posbi

Obwohl alle Beteiligten ein lupenreines Alibi zu haben scheinen, ermittelt Hercule Poirot alles gründlich durchdenkend beharrlich weiter beim Mord im Orient-Express … o, falsches Skript!

Es ist der Hyperphysiker Lionel Obioma, der an Bord der SYKE zum besagten Sykophant wird und das auf der Ausweglosen Straße miterlebte und von Atlan da Gonozal geschilderte Geschehen unbestimmt in Zweifel zieht. Doch um auf den rechten Weg des Zweifelns zu gelangen, bedarf es eines Meister Yodas in Form eines (vermutlich nicht kleinen grünen) Posbis namens Kontapew.

Zwar ist er ein praktizierender Freund der Lüge: »Lüge ist ein Konzept, das ich der Menschheit abgeschaut habe und das ich faszinierend finde. Auch wenn mein Innerstes gegen die Unwahrheit rebelliert, mag ich sie dennoch. Sie ist … spannend.« Damit erscheinen Terraner einem Posbi genauso wie Cairaner den Menschen – Lügengespinste allerorten als Die Fäden, die die Welt bedeuten.

Aber dieser Roboter mit „mehr Einfühlungsvermögen als jeder Terraner“ ermuntert den doch eigentlich rein sachorientierten Objektivisten Obioma, „die Rätsel um Guckys Tod“ mittels urmenschlicher Intuition weiter zu verfolgen. Denn obwohl es keine Brüche in den Handlungen gegeben habe, ahnt Obioma: »Was wäre, wenn Atlan unsere Gedanken verfälscht und dafür gesorgt hätte, dass Gucky aus dem Spiel genommen wurde?«

Doch sollen die vagen Ahnungen anhand von nichts mittels Facettos, Messgeräten wie „Spielzeugfiguren aus der Techno-Gammel-Ära“ Rudyns dann doch objektiv begreifbar gemacht werden. Argusäugig erfasst er Gespräche Atlans mit der SYKE-Kommandantin und später vor der Beerdigungszeremonie bei der Kondolenzzusammenkunft. Ergebnis: Genau genommen nichts! Dennoch bleibt er – wie wir Leser (zumindest ich) – argwöhnisch. Atlans Auftreten stets zusammen mit smart lächelnden THORA-Kommandanten Bendisson, die am Ende nichtssagend Trauer geschmeidig vorgeben – wer’s glaubt.

Ich argwöhne ja selbst einen Austausch Atlans durch einen cairanisch erzeugten Klon. Eventuell einfacher zu bewerkstelligen wäre allerdings, was etwas aus der Handlung und des lesers Aufmeerksamkeit geraten ist: Cairanische Organoide. Die waren am Zyklusanfang en masse Thema und in gefühlt jedem Zweiten implantiert. Man erinnere sich nur an 3014 Der Feind in mir, wo selbst das Flaggschiff der LfG problemlos mehrfach infiltriert worden war durch eben cairanische Organoide zur Manipulationen der Opfer.

Verdächtig lange hat man von solchen Machenschaften nichts mehr gehört. Misstrauisch geworden unterstelle ich daher ein provoziertes Entschwinden aus der Handlung, um uns arme Leserseelen zu Verfügbarkeitsfehlern zu verführen. Lionel Obioma ist unser Mann im All, der in uns nun wieder den Zweifel säen soll, der letzte Woche bei vielen gänzlich entfleucht war.

3. Ab- und Weglenkungen – Der Inszenierung nächster Akt

Eine doppelte uns von des Ilts Kern weglenkende Ablenkung wird uns hier – meiner Meinung nach – vorgesetzt: Titelgebend Auf der grünen Welt, die uns räumlich weg von der instandzusetzenden THORA und somit auch Atlan zu Leylolers Stern lockt. Durch die Brille Birge Schiks erarbeiten wir uns die turboevolutionäre Flora und Fauna Iphanes, deretwegen der Planet zum Sperrgebiet erklärt worden war. Doch lauern auf diesem – sicher nur vermeintlichen – Abstellgleis galaktischer Geschichte zu erstaunliche Geheimnisse, die wir en passant erfahren.

Da fürchtete man sich noch vor chaotischer Evolution in Negasphären und bekämpfte sie, um vor der Haustür Ähnliches vorzufinden. Wie sonst Völker so schildert Michael Marcus Thurner das „verstrahlte Leben“ auf Iphane schillernd und detailreich – lobe das. Geschickt bis frech zieht sich aber Kapitel 2 Absatz um Absatz, wo man doch Obioma beim Holmesen begleiten und nichts über belanglose Randwelten erfahren will. Doch haben sich entgegen aller Wahrscheinlichkeit Terra-Kolonisten hier angesiedelt, die wie atomare Mutanten zu ganz anderem Leben mutiert sind.

Erstaunlich genug gibt es obendrein mit der Zirkelburg und ihrem mittelalterlich wirkenden Wächter sehr Fantasy-Anmutendes auf Iphane. Seit mindestens 70.000 Jahren und im Auftrag uns völlig unbekannter Chenester bewacht der Wächter etwas, was er nicht benennt. Und er klagt Birge Schik und die Terraner an, für einen Raum-Zeit-Loop verantwortlich zu sein: „Eine Schleife. Ein Zugriff auf die Gegenwart aus der Vergangenheit oder der Zukunft.“

Und der kann kaum weniger mysteriös aufgeklärt werden: In der Corona von Leylolers Stern befand sich ein Nashadaan der Thesanit, von dem die Raum-Zeit-Schleiferei ausging und den die Terraner kurzerhand zerstören. Doch nicht etwa der Nashadaan Zemina Paaths? Oder der eine andere, auf dem Chariklis, das Jahrhundertmädchen aufwuchs? Das wäre ggf. nur Ein-Roman-Beiwerk eines fantasievoll überschießenden Autors – aber Thesanit und Raum-Zeit-Schleifen sind derart bienenstichige Stichworte, dass man den großen Handlungsrahmen richtiggehend stichhaltig spüren kann.

Die zweite Ablenkung umfasst die finalen beiden Kapitel, wo noch mal so getan wird, als ob Gucky gestorben wäre und alle (außer Obioma) es glauben, es vor allem Atlan glaubt. Mein Unglaube ist hingegen ausreichend dokumentiert, daher keine Detailliste an weiteren Unglaubwürdigkeiten…

Fazit zu Auf der grünen Welt

Welch Bürde, die MiMaThu da aufgelegt bekommen hat, nach Guckys Tod diesen quasi noch „abzumoderieren“. Das hat er richtig gut gemacht! Dass er Iphane “sozusagen alleine in Beschlag nehmen“ konnte und lesbar Spaß am Ausfabulieren der evolutionär-explosiven Möglichkeiten vor Ort hatte, macht für mich die zuerst unnötig unnütz nervig drohende B- zur weitgehenden A-Handlung. Und dass ich von der „Besonnigung“ Guckys nicht angerührt worden bin, liegt einfach an meinen zutiefsten Zweifeln an der ganzen Causa. Ein weiterhin aufzuklärender Fall!

Obwohl seiner Schreibwut schon fast obligatorisch das Glossar zum Opfer gefallen ist, hätte MiMaThu noch einen zweiten Roman befüllen können. Oder hat es beinahe – musste jedoch kürzen. Und faszinierenderweise stellt er das Weggeschnipselte auf seinem Blog zur Einsicht in handlungschronologischer Reihenfolge! Sehr interessant, womit er noch weiter charakterisieren und auszeichnen wollte.

»Die erzählerische Klammer für den kommenden PERRY RHODAN-Roman ist die Trauer um Gucky. Darüber hinaus geht es in dem Roman um eine Reihe von anderen Themen – sie haben teilweise aber mit dem »Fall Gucky« zu tun, wie man noch sehen wird.« So formuliert es KNF. So wenig es erscheinen mag, hinter dem Schein hinter uns gelassener B-Handlung auf dem Sperrgebiet Iphanes verbirgt sich noch wichtig Werdendes – wie so oft in diesem Zyklus (Olubfaner, Saessbekker…). Das als Vorausahnung im Hinterkopf hat Auf der grünen Welt für mich zu einem sehr interessanten, tüchtig zu lesenden Roman mit Ausblick gemacht – nur weiter so!


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Dominic Schnettler
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