Im ersten Band der Reihe Die neue Zeit wird der zweite Pilotfilm der Classic-Serie nacherzählt.
Kirk und Spock im Mittelpunkt
In Die Spitze des Eisbergs entdeckt die Crew der Enterprise am Rande der Galaxis eine Logbuch-Boje der U.S.S. Valiant. Dieser ist zu entnehmen, dass sechs Crewmitglieder beim Kontakt mit der galaktischen Barriere gestorben sind und der Captain kurz darauf die Selbstzerstörung des Schiffes aktiviert hat. Als die Enterprise mit der galaktischen Barriere in Kontakt kommt, verliert sie ebenfalls neun Besatzungsmitglieder. Ein Zehntes muss auf die Krankenstation, erholt sich jedoch.
Es handelt sich um Kirks Freund Gary Mitchell, der fortan Bücher im Minutentakt verschlingt und Fähigkeiten wie Telekinese entwickelt. Dabei verändert sich auch sein Charakter und er wird zunehmend zur Gefahr für die Besatzung. Spock rät dem Captain, dessen Freund auf dem unbewohnten Planeten Delta Vega auszusetzen. Dort gibt es nur eine automatisierte Lithium-Spaltstation, bei der die Enterprise zugleich Material für nötige Reparaturen aufnehmen kann.
Es gelingt McCoy, Mitchell für den Transport auf die Oberfläche ruhig zu stellen, doch lange hält es den zum Übermensch Mutierten dort nicht in der Arrestzelle. Er bricht aus, lähmt Kirk und Spock mit Machtblitzen und zwingt Lt. Kelso dazu, sich mit dem Phaser zu erschießen. Anschließend flüchtet er ins Freie, wo er von seinem einstigen Akademiefreund Kirk gestellt wird. Dieser hat den gottgleichen Kräften Garys jedoch nichts entgegenzusetzen. Erst als Spock Mitchell von hinten einen Nackengriff verpasst, kann der Captain ihn töten.
In der zweiten Geschichte Notlandung der Galileo 7 befindet sich die Enterprise auf dem Flug nach Markus III, wo dringend medizinische Güter erwartet werden. Auf dem Weg entscheidet Captain Kirk, eine quasarähnliche Anomalie im Murasaki-Sektor zu untersuchen. Kommissar Ferris rät jedoch angesichts des knappen Zeitplans davon ab. Wie sich zeigt, hätte Kirk auf ihn hören sollen, denn das Shuttle unter dem Kommando von Spock wird beschädigt und muss auf Taurus II notlanden. Dort wird die Crew von steinzeitlichen Riesen angegriffen und um ein Mitglied dezimiert.
Spock muss sich als Kommandant behaupten, was nicht leicht ist, da er viel Widerspruch erfährt. Während die anderen die feindseligen Einwohner des Planeten angreifen wollen, will er sie lediglich in die Flucht schlagen und damit die Oberste Direktive einhalten. Die Aussicht, mindestens zwei Crewmitglieder auf dem Planeten zurücklassen zu müssen, um mit dem schwer beschädigten Shuttle abheben zu können, sorgt ebenfalls für Unmut. Allerdings besteht Spock letztendlich darauf, selbst mit der Leiche des toten Lt. Latimer zurück zu bleiben.
Zum Glück ist das nicht nötig, denn nachdem Kirk auf Drängen von Ferris alle Suchtrupps abziehen musste, ist Lt. Uhura eigenmächtig mit einem Shuttle aufgebrochen, um ihren Geliebten zu retten. Der Kommissar möchte sie dafür am liebsten vors Kriegsgericht bringen, doch Kirk nimmt die Schuld auf sich und lässt Kurs auf Markus III setzen.
Rezension von Die Spitze des Eisbergs
Die Übertragung der TOS-Politepisode Die Spitze des Eisbergs in Die neue Zeit ist größtenteils gelungen. Zwar waren Dr. McCoy, Lt. Uhura und En. Chekov zu dem Zeitpunkt der Classic-Serie noch nicht an Bord, aber das gibt nun mal der Reboot-Film von 2009 so vor. Übrigens wird Die neue Zeit auf der Rückseite des Comiceinbandes endlich mal offiziell als Reboot bezeichnet. Wobei sich die Comic-Reihe durchaus näher am Original hält als die Filme.
Der Grundplot von Die Spitze des Eisbergs ist 1:1 übernommen, wenn auch zeitlich etwas vordatiert, denn die Handlung spielt nur ein Jahr nach dem ersten Kinofilm. Positiv zu erwähnen ist, dass die Freundschaft zwischen Kirk und Mitchell sowie Kelso im Comic etwas mehr hervorgehoben wird. Die erste gravierende Abweichung ist indes das Fehlen von Dr. Elisabeth Dehner, die eigentlich wie Gary Mitchell vom Kontakt mit der galaktischen Barriere verändert werden sollte. Im Comic hat sie ihre Versetzung auf die Enterprise in letzter Sekunde widerrufen.
Gary Mitchells Entwicklung zum Überwesen mit Gottkomplex verläuft derweil ganz nach Plan. Die einzige Abweichung ist hier Spocks heimliche Gedankenverschmelzung, nach der er attestiert, dass Gary nur noch eine leere Hülle sei. Dessen Exil auf Delta Vega entspricht wiederum der Serien-Episode. Dumm nur, dass Delta Vega im Film-Reboot bereits als Eiswelt auftaucht, die mal so gar nicht in der Nähe der galaktischen Barriere liegt. Es gibt nun also zwei Planeten dieses Namens, was Gary Mitchell auch anmerkt, als er seinen alten Freund darauf hinweist, dass Spock ihn einst auf einem anderen Delta Vega ausgesetzt hat.
Gegen Ende nehmen die Abweichungen zur Original-Episode weiter zu. So betäubt Mitchell Kirk und Spock mit Machtblitzen, womit er einem Sith aus Star Wars ähnelt. Kelso bringt er auch nicht per Telekinese von seiner Zelle aus um, indem er ihn mit einem Kabel erwürgt, sondern tritt ihm direkt gegenüber und zwingt ihn, sich selbst zu erschießen. Das Finale wird schließlich komplett neu interpretiert. Spock tritt an die Stelle von Elisabeth Dehner, was aber nicht ganz logisch ist, da er Gary nicht ebenbürtig ist und eigentlich von ihm bemerkt hätte werden müssen.
Die Abänderung der Story dient hier offenkundig dazu, Spock und Kirk einander näher zu bringen, da sie sich im ersten Film noch recht feindselig gegenüberstanden. Am Ende bietet Spock seinem Captain an, Garys Platz beim 3D-Schach einzunehmen, womit er zugleich seine Freundschaft anbietet. Von der Charakterentwicklung ist der Comic daher positiv zu bewerten.
Rezension von Notlandung der Galileo 7
Die zweite Geschichte, die im Original etwa in der Mitte der ersten Staffel der Classic-Serie angesiedelt ist, hält sich ebenfalls zu einem Großteil an die Vorlage. Zumindest in der ersten Hälfte. Kommissar Ferris trägt hier zwar Weiß statt Blau, verhält sich aber sonst exakt so wie in der Serien-Episode. Gegen seinen Rat schickt Kirk ein Shuttle los, um eine Anomalie zu untersuchen, welches dann aber notlanden muss. Die Rahmenumstände und Schauplätze sind alle gleich.
Es gibt nur zwei wesentliche Unterschiede im Grundplot. Zum einen ist die weibliche Rolle Mears durch Janice Rand ersetzt worden. Weiterhin muss Kirk nicht auf mehreren Planeten nach dem vermissten Shuttle suchen lassen, sondern nur auf Taurus II. Ansonsten gibt es nur geringfügige Abweichungen. So trägt Boma eine rote statt einer blauen Uniform und Gaetano ebenfalls ein rotes statt ein gelbes Hemd. Interessanterweise sterben in der TV-Folge nur die zwei Gelbhemden Latimer und Gaetano und im Comic stirbt ebenfalls kein Rothemd, da der nunmehr Rot tragende Gaetano am Leben bleibt.
Der Handlungsverlauf ist ansonsten korrekt wiedergegeben. Nach der Notlandung ist Scotty damit beschäftigt, das Shuttle zu reparieren, während Latimer und Gaetano die Gegend erkunden und dabei auf die hünenhaften Eingeborenen treffen. Nach Latimers Tod kommt es zu Diskussionen über Spocks Kommandoqualifikationen, wobei Boma und McCoy sehr ablehnende Worte finden. Die Differenzen erreichen ihren Höhepunkt, als die steinzeitlichen Riesen sich dem Shuttle nähern. Spock entschließt sich, entgegen der Mehrheitsmeinung, sie lediglich zu vertreiben, wobei im Comic die Oberste Direktive als Grundlage für diese Entscheidung deutlicher in den Vordergrund gestellt wird. Als die Eingeborenen später das Shuttle direkt angreifen, werden sie, exakt wie in der Serie, mit einem Stromstoß abgewehrt. Allerdings sind es im Comic mehrere statt nur einem Angreifer, deren affenartige Gesichter detailliert gezeigt werden. Das hat nicht nur etwas mit künstlerischer Freiheit zu tun, sondern vor allem damit, dass der Comic nicht den Budgetbegrenzungen der Serie unterliegt.
Bis zum Abheben des Shuttles, für welches die Phaserbatterien genutzt werden, ist die TV-Episode fast 1:1 umgesetzt worden. Lediglich Spocks großer Moment, in dem er im Orbit die Treibstoffreserven des Shuttles ablässt und entzündet, um von den Sensoren der Enterprise entdeckt zu werden, wurde zugunsten von Uhuras großem Auftritt gestrichen. Spocks Kommandoqualitäten zeigen sich stattdessen darin, dass er bereit ist, sich für die anderen zu opfern. Dieser Aspekt hat im Comic aber ohnehin eine ganz andere Dimension, da Spock bereits das Kommando über die Enterprise hatte und es ihm von Kirk genommen wurde. Und da er im Reboot eine Beziehung mit Uhura hat, ist ihr eigenmächtiges Handeln an der Stelle ebenfalls nachvollziehbar.
Grandiose Bilder in prächtigen Farben
Die Zeichenstile beider Geschichten sind extrem detailliert und unterscheiden sich kaum. Die Gesichter scheinen in Notlandung der Galileo 7 vielleicht etwas weicher, aber die Charaktere sind in beiden Storys sehr gut wiederzuerkennen. Bei Charakteren, die in den Reboot-Filmen nicht vorkommen, standen offenkundig die Originaldarsteller Modell. Einzig Janice Rand ist völlig neuinterpretiert und ihr Haarknoten deutlich schmaler als in der Classic-Serie. Davon einmal abgesehen haben beide Zeichner ein Händchen für Hände, die sehr natürlich wirken. Gleiches gilt für den Faltenwurf der Kleidung.
Die Raumschiffe und Shuttles sind ebenfalls mit sehr viel Liebe zum Detail gezeichnet worden. Vor allem in Die Spitze des Eisbergs sind die Darstellungen der Enterprise atemberaubend, trotz des neuen Designs. Die Logbuch-Boje der Valiant hält sich dagegen originalgetreu an die Classic-Serie. Die Sternenhintergründe mit dem pinken Band der galaktischen Barriere sehen auf den ersten Bildern hervorragend aus, wobei sich das pinke Glühen sogar auf der Enterprise widerspiegelt, und einige Sterne leuchten. Auf den späteren Seiten bestehen die Sterne dann leider aus eckigen Tupfern ohne Leuchteffekte.
Die Qualität der Koloration ist insgesamt aber dennoch hervorragend. Die Farben sind gut gewählt und verlaufen überwiegend weich. In der ersten Geschichte gibt es auf den Gesichtern der Charaktere noch einige harte Kanten zwischen Licht und Schatten. In der zweiten Episode ist die Ausleuchtung schon deutlich natürlicher. Die Leuchteffekte sind ebenfalls durchgehend gut, wobei auch Gary Mitchells Augen leuchten, statt wie die Kontaktlinsen in der Folge Die Spitze des Eisbergs zu glitzern.
Dafür ist die Brücke der Enterprise in Notladung der Galileo 7 etwas dürftiger koloriert und erscheint in einem durchgehenden Hellgrün. Die quasarähnliche Anomalie ist dafür rötlich statt grün, wie in der Überarbeitung der Classic-Serie. Taurus II sieht vom Orbit betrachtet derweil ähnlich uninteressant aus wie in den wirklich schlechten CGI-Effekten der überarbeiteten TV-Episode.
Bei einige der Covergestaltungen, allen voran auf der Titelseite, sind offenkundig Screenshot mit einem PhotoShop-Filter bearbeitet worden: Nach Handzeichnungen sieht das nicht aus. Dafür gibt es in der Covergalerie aber ein paar interessante Artworks von Joe Corroney.
Fazit: Dorthin, wo schon die Classic-Serie gewesen ist…
Da sich die beiden Adaptionen der TOS-Episoden Die Spitze des Eisbergs und Notlandung der Galileo 7 sehr nah an den Originalen halten, kommt in diesem Comic erheblich mehr Star Trek-Feeling auf als in den Filmen von J. J. Abrams. Obendrein sind die Geschichten grafisch super umgesetzt, sodass selbst Fans der alten Serie viel Freude an dieser Ausgabe haben dürften. Der 6. Star Trek-Band ist bei Cross Cult als Softcover erschienen, allerdings inzwischen verlagsvergriffen.
Info
Autor: Mike Johnson
Zeichner: Stephen Molnar & Joe Phillips
Farben: John Rauch
Verlag: Cross Cult
Sonstige Informationen: Produktseite
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