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Die galaktische Tastung – Terraner brechen zu einer fernen Welt auf

Perry Rhodan 3078 Pluto
© Perry Rhodan KG

Titel: Pluto
Autor: Susan Schwartz und Christian Montillon
Titelbild: Dirk Schulz
Erschienen: 14.08.2020

Zur Handlung von Pluto

Im Dyoversum auf der Welt Yenren: Die über vier Wüsten verteilte, militarisierte Zivilisation der Yenranko liegt im ewigen Krieg. Die hochgeschätzte Jinirali Obyn wird aus ihrer wohlverdienten Rente geholt, um den Kampf um eine Oase zu befehligen. Doch ihre zarte Saat einer Philosophie des Friedens erblüht auch angesichts der Erzfeinde, als die außerweltlich vermutete Stele inmitten der Oase aktiv wird und alle von der lang erwarteten Lichthand ergriffen werden. Für Obyn offenbart sich, dass ihr Lebensweg von „den Staubfürsten“ beeinflusst worden war…

Im Dyo-Solsystem reisen Perry und Familie mit Rico gen Pluto. Vor Ort sind sie herzlich zu einer Opernaufführung geladen, während der es aber zu einem nächsten Anschlag auf Perry kommt. Den überlebt dieser und wird rechtzeitig wach, um die vom Pluto aus vermessene, in 177 Jahre Abständen auftretende Galaktische Tastung zu erleben. Ihm zeigt sich eine Staubgestalt, die nach einem „du“ und 19,9 Sekunden entschwindet. Diesmal kann man die Quellen lokalisieren und mit Menkib in 1002 Lichtjahren steht somit der Zielstern fest…

Die Drei Ultimaten Beobachtungen zu Pluto

1. Plofre – Gucky

Sechs Wochen – anderthalb Monate – ist es (erst!) her, dass uns vorgespielt worden ist, wie Gucky gestorben ist, und fünf, dass er beerdigt wurde. Eine Woche, bevor erste Leserbriefe hierzu auf die LKS gelangen, lässt K. N. Frick hinter den Redaktionsquellen ebenda verlauten, dass die ausgelegten Spuren für Argwohn und Misstrauen bis zur hinterfragwürdigen Nr. 3072 nicht unübersehbar offensichtlich genug gewesen seien. In vorliegendem Roman gäbe es aber erste Fingerzeige. Sind jemals derart überdeutlich auf ein Geschehen eingegangen, es erklärt und begründet und planerisch-ausführende „Fehler“ eingestanden worden? Ein Wunder, dass es keine Petitionen gab, den Roman und mindestens mal diese Handlungsebene neu zu schreiben. Das ist mir alles zu viel – an Eingeständnissen, nachgeschobenen schreibmotivationalen Erklärungen. Wer so etwas zu inszenieren wagt, sollte es aussitzen – erst recht, wenn es 5-6 Wochen später sowieso in Andeutung rückgängig gemacht wird. Oder ist der null zum übrigen Roman passende und gehörende Prolog in hastiger Notoperation eingefügt worden?

Auch ohne KNFS Worte wird m.E. eindeutig klar (noch bevor die Namen genannt werden): In der wehbegangenen Anderswelt der Zerozone, im Nichts zwischen den zwei Weltenschatten Terras existiert und ist niemand anderes als Plofre/Gucky. Mehr erfahren wir noch nicht, aber für alle, die ihn totglaubten, ist das freilich ein „Erweckungserlebnis“. Er ist noch! „Ja, er lebt noch, er lebt noch, stirbt nicht!“ Um einen altterranischen Gassenleerer zu zitieren… Ob er dort nur abhängt, zu fliehen versucht oder, wie von mir vermutet (siehe v.a. Kommentare), als Mittel zum Endzweck des Trajektes von den Cairanern missbraucht wird – abwarten.

2. Das Leben, das Universum und der ganze Rest

Unter dem Weißen Schirm schlich sich mir die Idee ein (Beobachtung 2), es gehe zur Zeit intensiv um eine perryversale Philosophie des Geistes. Also um das Verhältnis von belebter zu unbelebter Materie, von Menschen zu Robotern, von Robotern mit und ohne Plasmazusatz oder mentalen Fragmenten. Aus „Wann ist ein Mann ein Mann?“ wird also unbesungen zu „Wann ist ein Mensch ein Mensch?“ oder „Wann ist/wird etwas jemand?“ Durch Geist! Aber welchen?

Im ersten Zweig zu ergänzen die Zain-Konstrukte, die vor allem die Posbis, aber auch die Villanova-Terraner dazu ermutigen, sich von den reinen Biologischen zu emanzipieren und nicht länger als bloße Roboter – im Sinne von robota =Frondienst, Zwangsarbeit; rabota =Knechtschaft – „missbraucht“ zu werden.

Im zweiten Zweig erinnere man sich an NATHANS Emanzipationen, der eigene Nachkommen OHNE (!) mathelogisch-robotischen Zweck erschaffen hat. NATHAN, der durch Input aus der Künstlerszene seine bislang einzige Oper komponiert hat: Die Algorithmen der Identität. Identität, die psycho- und soziologisch um lebende Personen gesponnen wird. NATHANS Kinder, die Ylanten, von denen unlogisch zum zwecklosen Zwecke künstlerischer Erbauung einige bei der Oper zugegen sind, die im Anschlagsfiasko endet. Sie retten so Perry und Co. nicht aufgrund von mathelogischen Über- und Bewachungserwägungen, sondern aus zufälliger Gegenwart heraus.

Und dann Rico, der gegenläufige Gegenpart zum erstzweigigen TARA-Psi alias Sallu Brown, dem (menschlichen) Geist in der Maschine. Fröhlich plaudert Rico nebenher, dass er sich vor 100 Jahren (wie und von wem auch immer) einen „neuronalen Kern“ hat einbauen lassen. Seitdem ist er gedatat und durchlebt in robotischer Konstruktion die Welt nun emotional. Und von der Galaktischen Tastung geküsst, ist auch im Posbi Engine-One die Muse der Künste erwacht und geht der Opernsängerin Nene zur Hand.

Bio- und technologische Wesenheiten so und andersherum konstruiert überall anzutreffen und sie alle ringen um ihre Identität, Anerkennung der jeweils „andersgepolten Seite“ und einen gangbaren way of life.

3. Momente staubfürstlicher Tastungen

„Auf diese kosmischere Ebene wollten wir bewusst eben erst jetzt gehen. Vorher gab es nur Andeutungen, dass es eine kosmischere Ebene geben könnte, und mit der Tastung kommen wir dem nahe.“ Erläutert expokratischer Kosmodesigner Montillon die narrative Entfaltungstaktik, wieso erst jetzt die Galaktische Tastung, die Lichthand, der Lange Moment Erwähnung findet, wo er just passend kurz bevorsteht.

Seit dem Raptus Terrae hat es für die Dyo-Galaktiker und v.a. H. Gershwin Adams die sog. Galaktische Tastung schon zweimal gegeben: 1693 sowie 1870 NGZ. Nun am 29. Januar 2047 NGZ – das Dyoversum ist dem Standarduniversum ein halbes Jahr voraus! – steht Tastung drei an. Diesmal vorbereitet, am Pluto alle Messinstrumente kalibriert erlebt man das Phänomen im vollen Bewusstsein und kann nun auf einmal im Zusammenspiel mit den Topsiderinnen den Ausgangspunkt lokalisieren. Fraglich, wieso eine Triangulation den Topsidern „aus den verschiedensten, meist politischen Gründen“ nicht gelungen sein soll, was mit Perrys Gegenwart unverzüglich problemlos gelingt. Trotz neuerlichen Anschlags, der auch seine „politischen Gründe“ gehabt haben wird…

Es sind zwei Quellen ursächlich, eine 70000 Lichtjahre zu fern in der Eastside, die andere trotz aller Linearlabyrinthe mit 1002lj von Sol, 668lj von Orion-Delta in Reichweite. Zielstern Menkib bzw. Zeta Sersei (hoffentlich nicht Cersei); ein blauweißer Überriese und gewiss nichts als zufällig die Heimatsonne der Yenranko auf dem Planeten Yenren. YENREN sodann ja auch Titel des nächsten Romans…

Ebenda steht eine tatverdächtige Stele, die mich ganz kurz an Ordische Stele hat denken lassen. Diese allerdings aus „rotleuchtendem Patronit“, jene ist „verschwommen durchsichtig“ und auch der Form nach eine andere. Dann aber doch sicher die Schreibenden Engel!? Nein, pyramidenförmige Monumente passen auch nicht. Also sind die „Staubfürsten“, wie sie sich den Namen nach yenrankoscher Obyn und in Form einer (fürstlichen?) Staubgestalt Perry offenbaren, wohl eine nächstneue Fraktion im großen Spiel des Multiversums. Was Perry nicht nur zum Naserümpfen Sichus flapsig mit „Anti-Schwarm-Effekt“ benennt und exakt 19,9 Sekunden momentlang einwirkt, bewirkt eine Intelligenz-, beim Posbi Engine-One eine (zum Künstler machende) Kreativitätssteigerung. Was im Endeffekt dem kosmokratischen Ursinn eines Sternenschwarms entspricht.

Sichu referiert:

Die galaktische Fünf-D-Feldlinien-Gravitationskonstante hat auf beiden Seiten des Dyoversums einen Wert von 84,0192 Terakalup und liegt im Grenzbereich zwischen Hypergravitation und Psi-Kraft des hyperenergetischen Spektrums. […] Wir kennen ein Ereignis, das diese Konstante markant manipuliert hatte – der Schwarm hat sie um 852 Megakalup gesenkt. Die Folge war die Verdummung der Milchstraße. Die Tastung hat für exakt 19,9 Sekunden das Gegenteil bewirkt. Die Galaktische Feldlinien-Gravitationskonstante hat sich um 0,7531 Terakalup erhöht, auf den unglaublichen Wert von 84,7723 Terakalup, ehe er wieder auf den Normalzustand abgesunken ist.

Und? Liest sich das nicht auffallend ähnlich wie die Referate über galaktische Identfelder aus Für Galaktiker verboten!

Fazit zu Pluto

Und wer hat’s geschrieben? Verrät das Duo scriptorale im PROC-Interview freimütig und bestätigt, was ich nach ersten beiden Kapiteln für sicher hielt: Susan die Kapitel auf Yenren in der Wüste, über die sie aus eigenem Erleben umso anschaulicher schreiben konnte. Monti alles von Rhodan, worauf für mich ohnehin viele kleine Anspielungen hindeuteten, die m.E. so nur dieser macht. Und wenn’s nur die Roboter von Rico bis zu den Attentätern TARAS wären – Monti Style!

Ich war mir währenddessen unsicher, hielt anfangs die Yenren-Handlung doch für unnötig gestreckt und detailangefüllt, wo wir doch zum Pluto wollten. Der Titel m.E. zwar erneut auf einen Begriff gebracht, der aber am Ziel vorbeiführt. Am / auf dem Pluto passiert bis auf die Detektion der Tastungsstrahlung nichts, wovon wir auch nur durch Wissenschaftlerin Sichu erfahren. Die „zerplatzte Oper“ fand auf einem Raumer nebenan statt. Man hätte also auch sonst wo im Universum sein können.

Davon ab sind die Handlungsebenen trefflich aufgeteilt, Susan kann ihre Stärken der Einführung von Fremdvölkern ausschreiben; Monti gefällt mir immer besser mit eingeworfenen, wohl leicht überlesbaren Details. Die mögen nicht dem roten Faden dienen, aber machen die Figuren charakterstärker. Allein Sichus Argwohn gegenüber dem Selberkochen, obwohl es doch ihr Herzelein Perry übernimmt, sich zwei Stunden lang abrackert und so richtig nur Lob von der Topsiderin erhält. Ja selbst die, immer noch argwöhnisch von Perry beäugte Beziehung Faryes und Donn wird – endlich – lesenswert, weil nicht mehr aufdringlich juvenil.

Und da mit Susans Handlungsstrang die Welt der kommenden Woche vorbereitet worden ist, war dieser Reiseführer in die Wüste schlicht nützlich, wenn ich auch vermute, dass wir am Ende kommenden Romans gerade so dort anlanden. Also auf auf, die Reise ist lang genug und der Auftakt zum dritten Quadrupel im Dyoversum kann sowieso nicht alleine für sich betrachtet werden.


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Dominic Schnettler
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