Lesezeit circa: 10 Minuten

Sie stoßen nach Arkon V vor – es ist ein Akt der Verzweiflung.

Der imaginäre Imperator
©Perry Rhodan KG

Titel: Der imaginäre Imperator
Autor: Uwe Anton
Titelbild: Arndt Drechsler
Erschienen: 17.07.2020

Zur Handlung

An der Bleisphäre (18. Juni 2046 NGZ): Zu den bereits dort stationierten Flotten von Arkoniden und Ladhonen stößt der Spezialraumer BAILNOOD zu den Naats. Atlans Stellvertreter Markul agh Fermi entsendet das Psi-Trio aus Dancer, Schlafner und TARA-Psi auf deren Anregung zur BAILNOOD, wofür einige ablenkende Militärmanöver vorgetäuscht werden. Dank des TARA-Psi kann das Team ins Schiff teleportieren und dort Kontakt zu einem V-Naat aufnehmen.

Es stellt sich heraus, dass an Bord ein Spezialantrieb und auch –positronik verbaut sind; diese entpuppt sich als die Hypertronik der BLAISE PASCAL, die die Cairaner an die Naats weiterreichten und von einer Shenpadri bedienen lassen. Mit Báalols sind auch psibegabte des Nächsten Volkes an Bord. Mit einem Hypersprung gelangt die BAILNOOD jedoch nicht in die Bleisphäre nach Arkon V, sondern in die imaginär-virtuelle Welt aus Tennisplätzen des Messingimperiums. Bevor um sich schießende Báalols das Virtutop zerstören, erfährt das Psi-Trio noch, dass das Messingimperium durch die Bleisphäre in die Sicherheit eines Spiegeluniversums gelangen will und hierfür gezielten Datenaustausch über vage Datenschatten hinaus erforscht. Letztlich stürzt die BAILNOOD zurück in den Realraum, zerfällt und das Trio kann gerade so dem Tod entrinnen…

Die Drei Ultimaten Beobachtungen

1. Naats und der Rassismus der Zweiaugen

Für Dancer und Schlafner muss man notfalls Posizid und Datensintflut zugute halten, weshalb sie es kaum besser wissen konnten. Uwe Antons lakonischer Kommentar, erst ein Dutzend Romane über die Naats hätten deren Kultur beschrieben, lasse ich dann jedoch nicht gelten. Zum einen gab es sehr wohl eindrückliche wie Mondlicht über Naat (2763), die einiges über soziokulturelle Verhältnisse schilderten. Davon ab sind die Naats seit mindestens über 700 Handlungsjahren (wenn nicht schon zur Zeit des Robotregenten vor 2112 n. Chr.) in einer eigenständigen Föderation Mitglied des Galaktikums. Somit ein längst aner- und bekanntes Milchstraßenvolk.

Für mich völlig undenkbar, dass im Zuge dessen nicht auch intensiver Austausch von Informationen über Kultur, Sitten und Gebräuche die Runde gemacht haben. Ganz sicher sind ungezählte Xenoethnologen so ziemlich aller Völker der Zweiaugen (Lemurerabkömmlinge) ein- und ausgegangen, um die so vielverwobene Geschichte des Volkes zu ergründen. Gerade seitens terranischer Institute hätte man das allein schon deshalb vordringlich gemacht, weil den Naats so übel von den kolonialherrlichen Arkoniden mitgespielt worden ist. Wenn Terraner auch nur halb so galaxisoffen sind, wie sie zu sein behaupten und sein wollen, dann wäre für sie die Aufarbeitung Naatscher Geschichte ein Herzensanliegen gewesen.

Im Roman selbst aber ein trotz all dieser merkwürdigen Fragezeichen außergewöhnlich guter Umgang mit all den tumben Vorurteilen gegenüber den Naats. Die pflegt Agh Fermi, zumindest und angeblich nur der Kommandantin gegenüber zum spaßigen Provozieren; und von denen ist auch eine in noch so vielen Fazialmasken xeno gewordene Dancer nicht frei, sondern stolpert in einem fort in die Fettnäpfchen rassistischer Fehlschlüsse. Immerhin reflektiert sie ihre Gedanken, notgedrungen in Konfrontation mit den Naats an Bord der BAILNOOD, in deren raumschiffmilitärische Lebenswelt sie samt Bruder eingedrungen ist.

Gut gemeint und situativ auch nützlich, aber wie Agh Fermi meint die Naats mit ein paar Gourmet-Häppchen Smöcklaaf wie dressierte Hunde parieren lassen zu können – ohweh! Da lässt er doch noch übelst arkonidische Kolonialherrlichkeit gegenüber den edlen, aber eben doch nur Wilden raushängen.

Schön geschildert dann der Naatsche Logistiker Gozom Phibro, der wieso auch immer mit den Sternenbaronien zusammenarbeitet, ohne die Zweiaugen so wirklich zu mögen. „Wie ein Naat im Kristallzimmer“ als arkonidisches Schimpfwort für ungeschickte Tölpel, bloß weil die Naats im Vergleich klobig aussehen und durch bedächtig langsame Bewegung so wirken mögen. Oder die Einsicht, dass Naats nur deshalb wie vierbeinige Tiere an Bord alter Arkonraumer herumliefen, weil niemand je auf die Idee kam, ihnen die zu durchlaufenden Korridore für wuchtige drei Meter Größe anzupassen. Wir kümmern uns nicht um eure Bedürfnisse und werten euch dafür ab, dass ihr mit diesen Gegebenheiten nicht klarkommt – chapeau!

2. Die Tennisplätze des Imaginären Imperiums

Warum zur Hölle der Bleisphäre Tennis? „Ich konnte doch nicht schon wieder Fußball nehmen …“ Richtige Antwort wäre gewesen: Weil in Mondlicht über Naat (2763; vor 311 Romanen und Realwochen) ist Hozarius‘ Tennis-Vorliebe ersterwähnt worden. VAGE erinnerte ich mich daran, musste ich aber so konkret nachschauen!

Als „Geister in der Maschine“ bewohnen unbekannt viele die virtuelle Messingwelt. Es gibt wohl schlicht virtualisierte Hinzugeborene wie Ascari da Vivo, aber auch ungezählte Kopien als „Ingeborene“ resp. „mentalsubstanzielle Interpretationen“. Solche sind aber abhängig vom „Quell-Ich“, dem virtuellen Original, das anderswo dort abseits der Tennisplätze da sein kann.

Mal wieder(!) ein Roman, der die Frage nach einem Roten Faden im Zyklus klar beantwortet: Mehrere! Wie man danach fragen kann, kann ich nicht nachvollziehen, so verwoben die Vielzahl an Fäden mir scheint. Dass und wie oft längst als belanglos geglaubte Randnotizen tragend werde (Saessbekker ja nur mein Lieblingsbeispiel), befand ich sehr regelmäßig für auffallend. So das Ewige bzw. Messingimperium, das mit Bote der Atopen (2811) vor zweieinhalb Zyklen eingeführt worden ist und schon fast vergessen nun an Relevanz gewinnt. Oder die – rückblickend auffallend – zur gleichen Zeit entstandene Bleisphäre, auch die in diesem Zyklus einen prominenten Platz erhält.

3. Vor und hinter Ereignishorizonten

Und rote Fäden innerhalb des Zyklus? Nach 15 Realwochen wird Der transuniversale Keil (3059) bedeutsamer denn je, der durchaus als „Lückenfüller“ (im Sinne fortschrittsgläubiger Leser) hätte gelten können. Nichts da! Die BLAISE PASCAL wurde wieder wichtig und wenn auch nur wegen ihrer Hypertronik, die durch das Totum schon einmal die Bleisphäre durchquerte. Und dann all die – meist nur hingeworfenen – Schlagworte des Imaginären Imperators, demnach hinter der Bleisphäre ein gespiegeltes Universum, ein Spiegeluniversum (im besten Star Trekschen Sinne?) hervorschimmert, das Sicherheit und Frieden verheißt.

Das sind doch EXAKT die Hoffnungen der Cairaner im Hinblick auf das Dyoversum jenseits der Zerozone! Und dass diese Bleisphäre ohnehin auch Zielpuntk der Cairaner ist, angeblich Atalns Ritteraura der Schlüssel zu ihr sei … Und der ewig-imaginäre Imperator legt doch noch mehr Fäden aus, die m.E. demnächst mit anderen zusammenknäulen: Er spricht von Daten- und Weltenschatten, die seine Wissenschaftler durch das Brennglas der Bleisphäre von diesem ersehnten Paradies jenseits des Standarduniversums gesichtet hätten. Und jetzt das fotografische Gedächtnis zwischengeschaltet und den Extrasinn nicht überhört, dann dämmert es doch: In meinem Rezensionserstling Die Kanzlei unter dem Eis (3039) zeichnete unser/e Iwán/Iwa zu Gast beim Advokaten „Weltenschatten“ von Terra(nia), die es an seinem Geburtsort in der Zerozone gesichtet hatte. Wo auch immer Iwán/Iwa geboren wurde und lebte, die Effekte durchscheinender Schattenbilder des Spiegel- =Dyoversums ähneln verdammt auffällig denen, die die Bleisphäre erzeugt.

Und das Messingimperium griff auf ein Schwarzes Loch zurück (Ark.: Zarak’Tussan, das Schattenimperium) zurück, um – ich erkläre das jetzt nicht! – die enormen Datenmengen ihrer imperialen Virtualisierungen vor Posizid und Datensintflut sicher abspeichern zu können. Ein schwarzes Loch, das Hozarius trotz exakter Nachfrage nicht mal vage verortete? Etwa Die dunkle Schwere in M 15? Durch die wohl die Cairaner die Milchstraße erstmals betraten und durch die beinahe eine phersunische Station aufgetaucht wäre? Auch das soll kein roter Faden sein, wie freimütig schwarze Löcher als Transport- oder Informationsmedien genutzt werden? Bloß identische kosmische Phänomene als Ausgangs- und Zielpunkte.

Und den Horizont bildet die Zerozone und die Messingwelt (als „synthetischer Ort“), auch die durch Gedankenkräfte erzeugt, manipuliert, bewirkt oder was noch alles werden. Da läuft mir zu viel verdächtig parallel, um nicht doch irgendwann auf einen Punkt einzumünden. Einen Punkt zwischen den beiden Zweigen, der Zeropunkt, das Scharnier zwischen den Welten.

Also Obacht an alle Rhodanauten, dass nicht zu viel an Gelesenem symbolisch hinter den (erinnerten!) Ereignishorizont außer Sicht gerät und man dann aus dem wütenden Wundern nicht herauskommt, wenn trotz roter Fäden einem die Ilts weghopsen oder noch Schlimmeres – ach so unverhofft – passiert.

Fazit zu Der imaginäre Imperator

„Am meisten hat mir der Roman übrigens bei den Szenen gefallen, in denen Tennis gespielt wird, und deren Fortsetzung.“ So der Große Koordinator KNF in seinem Blog über Der imaginäre Imperator. Dass hier ein arkonbewusster Arkonide aber ein solch irdisches Spiel en masse endlos spielt, irritierte mich dann jedoch mehr, als dass ich die unwirkliche Szene ansprechend fand. „Dickesk“ surreal jedoch – für wahr.

Und KNF noch mal: „Mein Lieblingssatz ist übrigens der hier: »Tolle Helden waren sie.«“ Damit meint er das psibegabte Trio infernale, das hier hauptpersonal auftritt, allerdings weitestgehend nicht gebrieft wurde hinsichtlich ihrer Zielpersonen noch des Ziels. Ja, man könne und wolle in den Einsatz gehen und kann hierfür auch ein paar Begabungen vorweisen – davon abgesehen sind sie aber ein arg unbedarftes Einsatzteam. Obwohl sie das Ganze initiiert haben, treten sie vor allem ohne Hilfe des TARA-Psi z.T. recht ungelenk auf. Erstmal doof vor der ersten Schotttür der BAILNOOD stehen, bevor sie sich ihrer nützlichen Psikräfte erinnern. Das ist mein Hauptkritikpunkt, wie unprofessionell sie wirken, es dennoch schaffen und überleben – unter enormen Salkrit-Verbrauch und horrender Kosten. Terraner eben, egal in welcher Fazialmaske!

Was das Team an ES-esk gemahnenden Hinweisen mitbringen konnte, ist hingegen mal wieder sehr anregend und macht Der imaginäre Imperator zu einem inhaltlich gehaltvollen Auftakt des Antonschen Doppelbandes. Nur das Wie war dann doch ein etwas zu kompaktes Jump-and-Run.

Apropos „trotzdem überleben“ – noch mal zum – hier keine Rolle spielenden – „Fall Gucky“: Im PROC-Interview sagt Uwe Anton mit einer gewissen Klarheit, die dann doch so auch nie in den Heften stand, über Guckys Ableben: „Es hätte mich schwer getroffen, wäre er wirklich aus der Serie geschrieben worden. Aber das wird nie passieren! Er ist neben Perry und Atlan eins der drei Rhodan-Trademarks des Verlags!“ Wer also noch trauert, hiermit ist Guckys NICHT-Tod offiziell und war bloß – wie vermutet – vortäuschend inszeniert! Wie ich des Ilts Kern sehe, wozu er geraubt (statt getötet) worden ist, habe ich im Eigenkommentar (vom 16. Juli) hier geballt ausgeführt. Ich wette nichts, aber doch, dass diese Spur sehr sehr heiß ist!


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Dominic Schnettler
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Ein Gedanke zu „[Perry Rhodan 3074] Der imaginäre Imperator“
  1. OMG!
    Da kritisiere ich, hebe zwar auch Gutes hervor, das Beste aber nicht: gerade weil man IN ROMANEN so wenig über die Naats erfahren hat trotz Jahrhunderte alter Föderation, deren Emanzipation zur Zeit der Atopen Anlass genug hätte sein müssen, wird das Versäumte hier schön aufgeholt: das Pranaat, das ich mit keinem Wort in der Rezension erwähnte, das ich mir aber gänzlich rauskopierte.
    Hoffe, es wird fortgeführt, man erfährt im Laufe der Zeit immer mal wieder ein par Zeilen hieraus, so dass man einen besseren Einblick in die Naatsche Gedankenwelt und deren Blick auf ihre eigene Geschichte erhält.

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