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Atlan sucht die Kristallprinzessin – auf einer Welt der Asaran.

Die Physik des Friedens
© Pabel-Moewig Verlag KG

Titel: Die Physik des Friedens
Autor: Michelle Stern
Titelbild: Alfred Kelsner
Erschienen: 18.06.2020

Zur Handlung

Atlan wird nach Sisden beordert, einer Welt der durch Cairaner protegierten Asaran, wo er seine Enkelin Jasmyne ausgehändigt bekommen könnte. Mit einem kampffähigen Einsatztrupp nicht zuletzt aus Gucky setzt er von der THORA über, die ihn Bully kurzerhand zur Verfügung gestellt hat, um formal als Teilnehmer an der Konferenz zur Physik des Friedens die Chance am Schopfe zu greifen.

Dringendste Warnungen seines Extrasinns ignorierend exponiert sich Atlan als Lockvogel für die Jasmyne gefangenhaltenden Tomopaten, die aber nur über Unterhändler Forderungen stellen. Nach der mediativen Eröffnung der Konferenz, an der auch ein Cairaner teilnimmt, eskaliert die Lage und der Konferenzsaal entwickelt sich zum Schlachtfeld. In einem Verwirrspiel mehrfacher einander lockender Lockvögel erweist sich, dass nie Atlan Ziel der Tomopaten war, sondern Gucky. Dieser wird nach überall zugleich wirkendem Kampf nämlich von einem Gefirnen und Asaran zu einer parasitären Teleportation genötigt und so entführt. Die Jagd auf die Entführer führt Atlan an Bord der THORA zur Heimatwelt der Asaran…

Die Drei Ultimaten Beobachtungen

1. Die Physik des Friedens

Da es in der Milchstraße des Perryversums mehr als 30 galaktische Zivilisationen gibt, können problemlos jederzeit neue auftauchen und die galaktische Vorderbühne betreten. So seit 300 Jahren die Asaran, die allerdings wie zuvor schon die Olubfaner und Nuru in M 15 von den Cairanern protegiert wurden und wohl nur mit deren Hilfe innerhalb kurzer Zeit zu einem interstellaren Faktor geworden sind. Das „vage humanoide, nicht lemuroiden“ Volk hat dennoch „mit der Lemurischen Allianz einen losen Kooperations- und Beistandspakt geschlossen.“ Und auf dem Gebiet des „Weltenbündels“ finden regelmäßig Konferenzen statt, die die neugierigen und wissbegierigen Asaran ausrichten. So auch die zum Thema der Physik des Friedens.

Von dieser titelgebenden Konferenz erhoffte ich mir mehr, als inhaltlich geboten wurde. Eine physikalisch begründete Vision des Friedens, mehr Pathos für ein friedliches Dasein. Doch dann haben wir es mit „Mharriz Nadell zu tun, einer führenden Philosophieprofessorin der Gefirnen, die sich mit ganzheitlichen Geisteszuständen befasste.“ Sie anempfiehlt zum Reinkommen eine Meditation der Stille, die wohl auch alle im Saal ergreifen konnte. Doch vor der anschließenden Schlacht bewahrte das niemanden und was Meditation bewirkt, läuft es auch eher auf eine „Biologie des Friedens“ hinaus.

Von Atlan gleich als falsch und alternate reality klargestellt, ist dennoch höchst interessant, was Positronikinterpret Lapai Jattarudshe zum Auftakt der Konferenz verkündet:

“Meine These ist, dass der im Jahr 1777 NGZ ausgebrochene Posizid, der lange Zeit gewütet hat, keine Attacke von außen war. Erst in jüngerer Zeit konnte durch neue Sicherheitssysteme, eine neue Generation von Positroniken, verhindert werden, dass ein solcher Fall nochmals eintreten kann. Es war ein langer, und harter Weg, ein quälender, langwieriger Prozess, der uns Enormes abverlangt hat. Ich bin überzeugt: Dieses ursprüngliche Ereignis, der Posizid, ist aus der Milchstraße verschwunden. Es waren die Positroniken und ihre Netzwerke, die aus sich heraus den Posizid inszeniert haben. Sie haben damit versucht, sich von ihren biologischen Produzenten abzukoppeln und ihre Datenmacht zu testen. Sie sind wie Kinder gewesen, die ihre Kräfte spielen lassen wollten.“ (Kap. 7 )

Damit WÄREN die Cairaner fein raus, WÄREN unschuldig an allem. Außerdem passt es nur zu gut in die allgemeine Lage: Wo sich Posbis vielfach (selbst an Bord der RAS TSCHUBAI) unmutig über die Biologischen und ihren mangelnden Respekt den Posbis gegenüber äußerten; wo Zain-Konstrukte den Posbis insgeheim in einer Union die Greifwerkzeuge reichten und ihnen bei der Emanzipation halfen; selbiges im fernen Villanova nun auch Zain-Konstrukt Annba für die dortigen Pseudoterraner tun will. Dumm nur, dass der Posizid von den Cairanern eingeschleppt worden ist!

2. Tomopatische Kräfte und Ängste

Interessant im PROC-Interview, dass die Kräfte der Tomopaten mitnichten expofixiert worden sind: Daher die auch für mich verwirrenden Angaben, sie können selbst einem Haluter gefährlich werden, um dann (im Falle Lys) beinahe von nur einer Epsalerin überwältigt zu werden. Zuvor schnetzelten sie freimütig kampfkräftigste TARAS, um zu zweit aber am Oxtorner Monkey zu scheitern.

Noch spannender (für mich!) im Interview der Hinweis, dass bei NEO vielfach und in diesem Heft auf Fritz Riemanns psychologische vier Grundformen der Angst zurückgegriffen wird, aus denen sich wiederum vier Grundtypen von Charakteren ergeben, die sich ergänzen, in ihren Extremformen aber konträr zueinander stehen. Die Tomopaten seien demnach schizoid. Bezogen auf ihre übersteigerte Aggression mag das als extreme Ausformung zutreffen. Ich erkenne aber in Ly auch starke „hysterische“ Anteile, so sehr er zum niemals langweilenden, chaotischen Neuen strebt. Demgegenüber ist – im Vergleich – Genner der zwanghafte Typ, von dem dann wohl auch sämtliche, regelgeleitete Planung ausgeht. Eine tödliche Konstellation, wie sie auch schon Siegfried und Hagen im Nibelungenlied ins Grab brachte. Denn „falls sie was spielen, dann das Lied vom Tod.“

3. Köder für den Köder für die Zielperson

Da sind wir alle einschließlich Atlan, Extrasinn und Überallzugleichtöter Gucky in eine arg irrläufige Irre geführt worden. In diesem Fiasko von Risikoeinsatz spielen die Cairaner anscheinend (oder zumindest bisher) nicht mit, so sehr die prominente Anwesenheit von Jattarudshe darauf (fehl)deutete. Die USO scheint, was ich ihr nicht abnehme, auch außen vor – als wenn Monkey nicht beobachten ließe, was erst er in die Wege leitete. So stehen sich hier – auch das vermeintlich – entführende Tomopaten und befreiender Atlan gegenüber mit Jasmyne zwischen sich.

Doch dazwischen stehen des Weiteren Atlans Begleitschutz aus leibeskräftigen Oxtorner Ondroski und Epsalerin Fassler. Und noch ein gewisser Ilt, der so im Rückblick zu selbstsicher dick aufgetragen hat, wie gekonnt bis leichtfüßig er alles im Griff habe und tüchtig regeln werde (»Nicht mal die Entführer von heute sind mehr das, was sie mal waren« Kap. 2). Dazwischen sodann noch zwei Unterhändler für die Tomopaten, ein Gefirne und ein Asaran. Deren Parasitärteleportation kommt mir dann jedoch grenzwertig Deus ex Machina daher. In jedem Fall nicht einzuplanen, dass es solche Begabten gibt und sie sich null für Atlan, sondern nur für Gucky interessieren.

Wenn der tomopatische (oder doch eigentlich cairanische?) Plan parasitäre Psigaben beinhaltet, waren sie sich anscheinend zu 100% sicher, dass sie auch parasitär anzuwenden wären. Ist es aber so supernovaklar, dass Gucky und nicht etwa der TARA-Psi (falls bekannt) oder schlicht psiunfähige arkonidische Kralasenen mit in den Einsatz gehen? Mehrfaches Ums-Eck-Planen ist ja schön und gut, aber die Voraussetzungskette zum Eintreten all der Annahmen ist enorm lang. Auch ist Gucky für so einen Plan diesmal äußerst passend aufgelegt, sprich sehr von sich überzeugt und trotz allen Esperns (zu!) einseitig auf Atlan fokussiert.

Zugegeben: Ich auch! Mit mehr Argwohn hätte man manches als (absichtliche?) Überbetonung lesen können. So rastet der Extrasinn mehrfach förmlich aus in seinem vehementesten Warnen vor einer Falle. Aber selbst er denkt zu kurz und sieht nur Atlan im Zielkreuz der Hescher – weil Hescher freilich stets ehrliche Häute sind und immer doppelbodenlos unverblümt die Wahrheit und nichts als die Wahrheit sagen, es nur auf Atlan abgesehen zu haben.

Bisher war wie in Howalgonium gemeißelt, dass die Cairaner A) Atlan wegen seiner Ritteraura zum „Öffnen“ der Bleisphäre brauchen und B) zum Herauslocken Atlans aus M 13 Monkeys USO und die Tomopaten zur Kristallprinzessin aussandten. Jetzt verwirren sich die partikularen Pläne jedoch und allen voran die beiden Tomopaten sind nicht „die Schoßhündchen des Friedensbundes“. Vielmehr scheinen sie als Bluthunde auf ureigene Rechnung zu arbeiten. Nur was wollen sie mit Gucky bzw. wozu brauchen sie (oder ein anderer Auftraggeber von ihnen) just genau Guckys Zellaktivatorchip und nicht den von Atlan, den sie sehr sicher auch in die Hände hätten bekommen können? Hatte Uwe Anton also recht, als er über die Tomopaten orakelt hatte:
„Vielleicht haben sie Monkey sozusagen auch nur als »Probelauf« gesehen. Womöglich wollen sie einen ganz anderen metzeln …“

Und von ein paar Szenen abgesehen, in denen Ly mit Jasmyne reichlich psychopathisch wie eine Katze mit der Maus spielt, gerät die Kristallprinzessin hier völlig in den Hintergrund; ist sie restlos zu einem bloßen Spielball mehrfach verschachtelter Absichten geworden.

Fazit zu Die Physik des Friedens

Kurz und bündig: Insgesamt hat mir Die Physik des Friedens wesentlich besser gefallen. Dies auch, weil es hier zu dem erwarteten gegenseitigen Ausspielen gekommen ist, das aber in wiederum doch besagter überraschender Konstellation der tatsächlich Beteiligten. Nette Details wie dass die THORA für Oxtorner barrierefrei gestaltet ist (v.a. tragfähige Sitzgelegenheiten) und man die hydroponische Parkanlagen an Bord „Bullys Lustgarten“ unter der Hand nennt.

Der Romantitel war verheißungsvoller als der friedensphysikalische Inhalt. Am Ende ist es ohnehin auf eine „Psychologie des Krieges“ bzw. des Bösen hinausgelaufen.

Ich lese immer erst am Heftende den Titel des folgenden Romans – nun hat leider seit Wochen schon rasender PROC-Reporter Roman auf Band 3072 vorausgeblickt, in dem Gucky „im Mittelpunkt“ steht, wenn man so will. Hier haben wir nun also den Auftakt zum mindestens Dreiteiler miterleben müssen, wie sich Gucky auf den Weg in die so ungesehene, für ihn ggf. tödliche Gefahr begeben hat. Begleiten wir ihn, Jasmyne und Atlan auf dem weiteren Weg bis zum Ende…


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Dominic Schnettler
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