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2008 schlug Der Unglaubliche Hulk wieder zurück.

Es soll anders werden

2008 war ein besonderes Jahr. Es war damals zehn Jahre her, als mit Blade die bis heute andauernde erfolgreiche Welle an Superheldenverfilmungen anfing. Es war das Jahr, als mit Iron Man der Grundstein für das Marvel Cinematic Universe gelegt wurde. Und es war das Jahr, als der erste Reboot dieser Phase herauskam.

Der Unglaubliche Hulk war nämlich ein besonderer Film. Da Universal Pictures, die den 2003er Ang Lee-Film produzierten und vertrieben, es versäumt hatten, davon eine Fortsetzung zu drehen, war Marvel wieder am Zug. Die dann auch die Neu-Adaption finanzierten, wobei Universal die Vertriebsrechte erhielt.

Marvel wollte von Anfang an Dinge anders machen als das letzte Filmabenteuer des Grünen Giganten. So sollte der Hauptantagonist dieses Mal nicht der Vater von Bruce Banner sein, sondern Abomination. Die Figur General „Thunderbolt“ Ross sollte allerdings ebenso seine Rückkehr feiern wie seine Tochter Betty Ross. Auch sollte die Darstellungsart sich von der Ang-Lee-Fassung unterscheiden und sich mehr an der legendären Fernsehserie orientieren.

Wenn viele Leute an einer Sache arbeiten

Das war für Regisseur Louis Letterier großartige Nachrichten. Er war nämlich von Marvel dazu auserkoren worden, Der Unglaubliche Hulk zu drehen, hatte jedoch ursprünglich Bedenken, ob er den Stil von Ang Lee gerecht werden könne. Zum Glück musste er das nicht. Stattdessen konnte er sich an den Comics orientieren, speziell an der Comicreihe Hulk: Gray von Jeph Loeb und Tim Sale, die die Ursprungsgeschichte des Jade Titanen nacherzählte. Und er konnte im Film an sich immer wieder einzelne Comicpanels, die er aus allen Hulk-Heften, die er zwecks Recherche-Zwecke gelesen hatte, nacherschaffen.

Das Drehbuch stammte von Zak Penn, der bereits das erste Skript zum Hulk-Film verfasst hatte. Er meinte dazu, dass der neue Kinofilm zwar einerseits ein Nachfolger von Ang Lees Version sei, aber sich gleichzeitig wieder auch mehr der Comicvorlage und der Fernsehserie nähern würde. Er selbst verglich es mit dem Unterschied zwischen Alien und Aliens. Zwei tonal komplett verschiedene Filme, die jedoch im selben Universum spielten.

Er war allerdings nicht der Einzige, der an dem Drehbuch für Der Unglaubliche Hulk arbeiten sollte. Denn Edward Norton, der als der Hauptdarsteller gecastet wurde, hatte einen Deal erhalten, laut dem er ebenfalls als Drehbuchautor tätig werden konnte. Und so arbeitete er so lange mit an dem Skript, bis die ursprünglichen Dreharbeiten zur Hälfte durch waren. Die Resonanz darauf fiel gespalten aus: Derweil Regisseur Louis Letterier damit absolut kein Problem hatte, war Zak Penn hingegen alles andere als begeistert.

Erste Hinweise, leider rausgecuttet

Die Dreharbeiten zum Film fanden in Kanada, den Vereinigten Staaten und Brasilien statt. Dabei musste Letterrier teilweise mit einem gebrochenen Fuß arbeiten, was ihn allerdings nicht stark behinderte. Ebenso wurde das Filmabenteuer Teil der Green-Screen-Initiative der Stadt Toronto, die es sich zum Ziel gesetzt hatte, die Kohlenstoffemissionen und Abfälle, die bei der Produktion entstanden, zu reduzieren. Dafür erhielt die Filmproduktion sogar eine Auszeichnung, die in den Credits gezeigt wurde.

In der Postproduktion wurden 70 Minuten an Filmmaterial rausgeschnitten, davon der Großteil des Materials, das sich mit dem Ursprung des Grünen Giganten beschäftigte. Ebenso fiel auch eine Szene zum Opfer, in der Bruce Banner in der Arktis Selbstmord begehen wollte, der Hulk dies aber verhinderte. Das Interessante daran war, dass man für einen Augenblick wohl im Hintergrund den eingefrorenen Körper von Captain America gesehen hätte. Was ein netter Hinweis sowohl auf die Comics gewesen wäre – wo der Charakter zu Beginn des Silver Ages ebenfalls im Eis eingefroren entdeckt wurde – wie auch auf die sich damals in Planung befindliche Verfilmung der Figur.

Viele prominente Darsteller

Der Cast setzte sich aus vielen bekannten Schauspielern zusammen. Neben dem bereits erwähnten Edward Norton sprach niemand Geringeres als Lou Ferrigno, Darsteller des Hulks aus der 1970er TV-Serie, den Grünen Giganten. Am Ende erhielt er sogar mehr Worte, als vorgesehen. Außerdem hatte er einen Cameoauftritt als Wache, die von Bruce Banner mit Pizza bestochen wird.

Liv Tyler, bekannt aus Der Herr der Ringe, wurde die weibliche Hauptrolle Betty Ross, derweil Tim Roth zu Emil Blonsky aka Abomination wurde. William Hurt, der wie auch sein Sohn ein großer Fan der Comicfigur war, erhielt den Zuschlag für General Thaddeus „Thunderbolt“ Ross. Tim Blake Nelson wurde zum Wissenschaftler Samuel Sterns, Ty Burrell zum Psychiater Leonard Samson und Christina Cabot zu Major Kathleen Sparr, der Hilfe von General Ross. Es gab auch jede Menge Cameoauftritte, darunter natürlich am auffälligsten der von Stan Lee als alter Mann, der sich durch eine mit dem Blut von Bruce Banner „angereicherten“ Sodaflasche vergiftet.

Bezüglich des Marketings zu Der unglaubliche Hulk heißt es ja gerne, dass Edward Norton nichts dazu beigetragen hätte. Das ist allerdings so nicht ganz richtig. Der Schauspieler trat bei der Premiere auf, nahm an einem Sketch in der Fernsehshow Jimmy Kimmel Live! teil und bewarb ihn in Japan. Doch während des eigentlichen Releases machte er gemeinnützige Arbeit in Afrika. Dem vorangegangen war ein Disput mit ihm und Regisseur Louis Letterrier auf der einen Seite und den Produzenten auf der anderen Seite. Thema war die Länge des Themas. Er und der Filmemacher wollten eine Länge von 135 Minuten erreichen, die Letzteren eine Zeit von unter zwei Stunden. Und am Ende setzten sich die Produzenten durch, was wohl mit Grund dafür war, dass der Schauspieler sein PR-Engagement deutlich zurückfuhr.

Bekenntnis zur Fernsehserie

Nach einem fehlgeschlagenen Experiment verwandelt sich Bruce Banner immer dann, wenn er einen extrem erhöhten Pulsschlag hat, in ein grünes Monster, den Hulk. Da damals auch seine Geliebte Betty Ross verletzt wurde, ist er auf der Flucht und versucht, ein Heilmittel gegen sein Alter Ego zu finden sowie seine Wut zu kontrollieren. Aktuell arbeitet er unter einem falschen Namen in einer brasilianischen Soda-Fabrik und tauscht übers Internet Informationen mit einem gewissen Mr. Blue aus, der ihn bei seiner Suche nach einer Heilung unterstützt.

Doch auf Grund eines Fehlers findet ihn schon bald seine Nemesis, General Thaddeus „Thunderbolt“ Ross. Als Leiter einer Spezialeinheit setzt er alles daran, den flüchtigen Wissenschaftler einzufangen, koste es, was es wolle. Unterstützt wird er dabei von dem Elitesoldaten Emil Blonsky, der schon bald einen Geschmack davon kriegt, was gammaangereichertes Blut mit einem Menschen anrichten kann.

Man kommt nicht umhin, Ang Lees Hulk-Fassung mit Louis Leterriers Der Unglaubliche Hulk zu vergleichen und festzustellen, wie enorm die Unterschiede zwischen den beiden Versionen der Titelfigur sind. Das fängt schon bei der Körpergröße des Hauptcharakters an. Während bei erstgenannten Film der Charakter bereits von vorneherein groß war, und je wütender er wurde, noch größer wurde, ist er bei letzterem deutlich kleiner und wird am Ende „nur“ stärker, je wütender er wird.

Auch bekennt sich Leterriers Film deutlich mehr zur Fernsehserie. Das fängt schon mit der Eröffnungssequenz an, die sich enorm an jener der 1970er Reihe orientiert, und geht sogar so weit, die grünen Augen jener Zeit einzubauen, die die beginnende Transformationen signalisiert. Auch der Einbau des Themes The Loneley Man in den Soundtrack gehört mit dazu.

Großes Lob

All dies und noch vieles mehr sorgt dafür, dass Der Unglaubliche Hulk im Vergleich die deutlich bessere Version ist. Er macht mehr Spaß, bekennt sich noch mehr zu seinen Wurzeln und vor allem verzichtet er auf unnötige Experimente, was man auch bei der Wahl der Antagonisten sieht.

Leterrier hat bei der Konzeption von General Ross die Figur mit Captain Ahab verglichen, jenem legendären Charakter aus Melvilles Moby Dick. Ein Vergleich, der passt, da man im Laufe von Der Unglaubliche Hulk mitkriegt, wie der Kommandant von Bruce Banners Alter Ego wie besessen ist und dafür auch die Regeln bricht. Dass Emil Blonsky am Ende zu Abomination wird, ist nicht zuletzt seine Schuld. Denn er möchte jemanden haben, der auf Augenhöhe mit dem Jade Giganten kämpft, und blendet dabei, so wird es angedeutet, bewusst die Risiken aus.

Großes Lob muss man ebenfalls Tim Roth aussprechen, der einen Emil Blonsky präsentiert, der im Grunde genommen nicht damit klar kommt, dass er älter wird. Der immer noch mitten in der Action sein möchte, auch wenn es im Prinzip für ihn vielleicht nicht die beste Idee wäre. Und der dann schon fast abhängig von dem Gamma-Blut wird, was ihn am Ende entsprechend erst so richtig mutieren lässt.

Grandiose Szenen

Und Edward Norton? Ist als Bruce Banner in Der Unglaubliche Hulk fantastisch. Man kauft ihm alles ab, die Verzweiflung, als der neuste Plan, sein Alter Ego zu bekämpfen, fehlschlägt, seine Liebe zu Betty Ross, sowie sein verzweifeltes Bemühen, zu verhindern, dass zu Beginn des Films sein Aufenthaltsort bekannt wird. Man merkt deutlich, dass er sich mit seiner Rolle intensiv auseinandergesetzt hat.

Auch sind viele Szenen einfach nur grandios gefilmt. Der Moment etwa, wo Bruce Banner in einem Glasgang vom Militär mit Gasgranaten beschossen wird und daraufhin zum Hulk wird. Oder als eben jener Gigant nicht weiß, wie er mit Betty umgehen soll und dann den Donner anbrüllt. Viele starke Szenen, die Comicfans natürlich auch identifizieren können, da sie mitunter aus der Vorlage übernommen worden sind.

In Sachen Special Effects braucht sich Der Unglaubliche Hulk ebenfalls nicht zu verstecken. Eine Szene, in der Bruce Banner bewusst zum Hulk wird, und man sieht, wie ganze Adern dabei an seinem Körper hervortreten, sind super umgesetzt. Nur einige Computereffekte, wie beispielsweise beim Endkampf, sind nicht so gut gealtert.

Hulk Smash!

Und es schadet dem Film nicht, dass der Hulk für seine Verhältnisse verbaler auftritt. Dass er verhältnismäßig mehr redet, darunter auch seinen bekanntesten Spruch „Hulk Smash“ im Finale. Für Comicfans, wie mich, ein, wenn nicht sogar der Mark-Out-Moment überhaupt!

Es gibt allerdings auch Sachen, die zu bemängeln sind. Ty Burrell als Doc Samson trägt nahezu nix zur Handlung bei und die Szenen von Tim Blake Nelson dienen im Grunde nur dazu, einen Charakter aufzubauen, der dann in einer etwaigen Fortsetzung auftreten würde. Zu der es jedoch nie kam.

Noch schlimmer trifft es allerdings Liv Tyler. Die verliert quasi ab dem Moment, wo sie auf Bruce Banner trifft, ihre Selbstständigkeit und ist, bis auf wenige Szenen, immer nur von den Männern in ihrer Umgebung abhängig. Es mag zwar sein, dass dies geschieht, weil Der Unglaubliche Hulk sich ebenso auf die Romanze zwischen ihr und Bruce fokussieren wollte. Doch es wäre auch möglich gewesen, sie als eigenständige Person darzustellen, deren Schicksal eben nicht von anderen abhängig ist, und gleichzeitig die im Grunde genommen tragische Liebesbeziehung zwischen ihr und Bruce weiterzuentwickeln.

Klischee

Und leider wurde auch das Finale etwas in den Sand gesetzt. Es ist zwar insgesamt durchaus ordentlich. Aber der Moment, wo ein Hubschrauber mit Betty Ross an Bord an dem Kampfort zwischen dem Hulk und Abomination abstürzt, Treibstoff ausläuft und dieses in Flammen gerät, womit der Heli Gefahr läuft, mit Betty an Bord in die Luft zu gehen, das hätte nicht sein müssen! Das ist zu klischeehaft.

Am Ende war Der Unglaubliche Hulk ein Erfolg, aber kein so großer, wie sich die beteiligten Firmen vermutlich erhofft hatten. In jedem Fall wurde die Figur von Bruce Banner beim nächsten Mal, im Avengers-Film, neu besetzt. Und es wird ebenso wiederholt über einen neuen Solo-Kinofilm spekuliert, der allerdings wohl immer wieder an der komplizierten Rechtslage – Universal Pictures scheint immer noch die Vertriebsrechte zu besitzen – scheitert.

Immerhin haben einige der Figuren im weiteren Verlauf des MCUs erneute Auftritte feiern können. Thaddeus Ross konnte man in Captain America: Civil War wiedersehen und er spielt in dem kommenden Thunderbolts-Film eine große Rolle, wenn auch, auf Grund des vorzeitigen Todes von William Hurt, neu besetzt. Und Tim Roth konnte in der She-Hulk-Serie seine komödiantische Seite beweisen.

Am Ende ist Der Unglaubliche Hulk ein guter, wenn auch kein überragender Marvel-Film.

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Warpskala

Warpskala
8 10 0 1
8/10
Total Score

Positiv

  • Ein grandioser Caster
  • Großartige Szenen
  • Bekenntnis zur 1970er Fernsehserie

Negativ

  • Klischee im Finalkampf
  • Liv Tyler als Betty Ross erschreckend unselbstständig
Götz Piesbergen
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